Neuer Papsterlass: Lernen, sich zu verabschieden
Wenn es um Personalentscheidungen in der katholischen Kirche geht, schert sich Papst Franziskus wenig um Traditionen. Das hat er nicht zuletzt durch die Ernennung unerwarteter Kardinäle immer wieder gezeigt und den gleichzeitigen Verzicht auf wegen ihrer Wirkungsstätte "typische" Kardinalskandidaten. Da verwundert kaum, dass er nun das Erreichen der kirchenrechtlichen Altersgrenze von 75 Jahren als Kriterium für eine "automatische Pensionierung" mit einem neuen Erlass aufhebt.
Mit dem Motu Proprio "Imparare a congedarsi" (Lernen, sich zu verabschieden), das der Vatikan am Donnerstag veröffentlichte, wird das Rücktrittsverfahren für alle Geistlichen in leitenden Vatikan-Funktionen dem der Ortsbischöfe gleichgestellt. Alle sollen also bei Erreichen der Altersgrenze von 75 Jahren ihren Rücktritt anbieten; ein automatisches Amtsende mit 75, wie in einigen Fällen bislang üblich, gibt es künftig nicht mehr.
Der Papst beschränkt sich aber nicht auf neue Formalien, sondern gibt auch Verhaltenstipps im Fall einer Verlängerung oder Nichtverlängerung. Karrierismus erteilt er wie üblich eine Absage; stattdessen lädt er zu Demut ein. Seine Personalentscheidungen seien nie persönlich zu nehmen; es gehe immer um das Wohl der Kirche, so der Papst.
Bislang schieden verantwortliche Leiter, sofern sie nicht im Kardinalsrang standen, sowie Sekretäre von Dikasterien und Papstbotschafter automatisch ("ipso facto") mit Vollendung des 75. Lebensjahres aus dem Amt. Künftig müssen sie lediglich ihren Rücktritt anbieten. Dieser tritt aber erst mit der Annahme des Papstes in Kraft; bis zu dessen Entscheidung gilt das Amt zunächst als verlängert, befristet oder unbefristet.
Franziskus spricht auch über die geistliche Dimension des Rücktritts von einem Leitungsamt. Es gehe darum, das Ende eines kirchlichen Amtes als "vollwertigen Teil des Dienstes" zu begreifen, "der eine neue Form der Bereitschaft" erfordere. Der Papst mahnt vor Streben nach Macht oder der Vorstellung, "unersetzbar zu sein". Nur wer davon frei sei, könne den Moment des Übergangs "mit Frieden und Vertrauen" erleben; andernfalls könne es "schmerzhaft und konfliktreich" werden, so der Papst. Er empfiehlt, sich im Gebet auf die Rücktrittsentscheidung vorzubereiten und über neue Möglichkeiten nachzudenken, etwa durch vertiefte Lektüre oder in der Seelsorge.
Zugleich betont der Papst, eine etwaige Verlängerung über die Altersgrenze hinaus erfolge ausschließlich zum Wohl der Kirche und dürfe nicht als "persönlicher Erfolg" gewertet werden. Die päpstliche Entscheidung über das Rücktrittsgesuch sei nicht als "automatischer Akt" zu verstehen, sondern als "Akt der Regierung". Gemäß einer "angemessenen Unterscheidung" werde eine jeweils der Situation angemessene Entscheidung gefällt.
„Verlängerung über die Altersgrenze hinaus ist kein "persönlicher Erfolg".“
Eine Verlängerung könne etwa nötig werden, wenn Vatikanbehörden gerade in Umbruchprozessen seien, heißt es in dem Erlass. Das Motu Proprio ist auf den 12. Februar datiert und tritt mit Veröffentlichung in der Vatikanzeitung "L'Osservatore Romano" in Kraft.
Franziskus ändert damit Paragraf 3 im Kanon 189 des Kirchenrechts, Kanon 970 im Gesetzbuch der katholischen Ostkirchen sowie die Vorgehensweise beim Amtsverzicht aus Altersgründen gemäß Artikel 5 der Konstitution "Pastor bonus" von Johannes Paul II. aus dem Jahr 1988. Auch eine von Franziskus selbst noch im November 2014 bestätigte Regelung zum automatischen Amtsverfall in Vatikan-Ämtern bei Erreichen des 75. Lebensjahres wird damit geändert.
Dass Franziskus da nun nachjustiert, dürfte der Tatsache geschuldet sein, dass einerseits in seiner bisherigen Personalpolitik hohes Alter kaum ein Hinderungsgrund war - und es andererseits immer wieder auch (diplomatisch) heikle Situationen in der römischen Kurie oder auf Botschaftsposten gibt, die eine Konstante erfordern. Ein Beispiel ist etwa der von Papst Franziskus - außergewöhnlich - zum Kardinal ernannte Papstbotschafter in Syrien, Erzbischof Mario Zenari. Er ist bereits 72.