Franziskaner: Israel ohne Respekt für Christen im Land
Israel zeigt nach Worten des obersten Hüters der katholischen Heiligen Stätten im Heiligen Land, Francesco Patton, keinen Respekt für die Präsenz der Christen im Land. Der gegenwärtige Protest der Kirchen sei nicht gegen den israelischen Staat gerichtet; "aber es ist an der Zeit, dass seine Führer eine Bestandsaufnahme unseres Beitrags zum örtlichen Leben machen", sagte der Kustos der Franziskaner im Interview der französischen Zeitung "Le Figaro" (Montagabend).
Hintergrund des Streits sind zum einen Steuerforderungen der Stadt Jerusalem an die Kirchen, die der seit osmanischer Zeit geltenden Steuerbefreiung der Kirchen widersprechen. Für Verärgerung der Kirchen sorgt auch ein Gesetzentwurf, der Israel ermöglichen soll, von Kirchen an Privatinvestoren verkauftes Land zu enteignen. Aus Protest haben die Kirchen am vergangenen Sonntag die Grabeskirche in Jerusalem bis auf weiteres geschlossen.
Zwei Erklärungen der Kirchen unerhört verhallt
Das Gesetzesvorhaben zur Enteignung bezeichnete der italienische Ordensmann als diskriminierend. Unter anderem gegen diesen Entwurf richtet sich der gegenwärtige Protest der Kirchen. Darüber hinaus lehnten es die Kirchen nicht grundsätzlich ab, Steuern zu zahlen, so Patton. Allerdings werde das Verhältnis der Kirchen zum Staat durch den aus osmanischer Zeit stammenden sogenannten Status quo definiert. Er nehme die Kirchen wegen ihrer wichtigen sozialen Funktion von Steuerzahlungen aus. Mögliche Änderungen an dieser überlieferten Regelung müssten "von allen Parteien akzeptiert werden".
Zwei Erklärungen der Kirchen gegen die Maßnahmen der israelischen Behörden aus den vergangenen Monaten seien ungehört verhallt, erläuterte Patton den jüngsten Entschluss der Kirchenführer, die touristisch wichtige Grabeskirche bis auf weiteres zu schließen. "Dies ist natürlich keine leichte Entscheidung, vor allem, weil es viele Pilger betrifft und jeder weiß, dass wir die Basilika bis Ostern nicht geschlossen halten können."
Wann genau die Kirche wieder geöffnet werde, stehe zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht fest. "Wir warten nun auf ein Zeichen der Behörden und fordern, dass die Gesamtheit der Kirchen in die Diskussionen einbezogen werden", so der Franziskaner wörtlich. Ein Treffen der Leiter der 13 anerkannten Kirchen war laut Patton für Dienstagvormittag vorgesehen.
Auch der Großmeister des Ritterordens vom Heiligen Grab zu Jerusalem, Kardinal Edwin O'Brien, zeigt sich alarmiert über die jüngsten Vorgänge in Jerusalem. Die Schließung der sei eine "seltene und verzweifelte Initiative, das christliche Leben im Heiligen Land lebendig zu erhalten", heißt es in einer am Montagabend verbreiteten Schreiben des Kardinals an die Ordensmitglieder.
O'Brien warf Israel vor, in "Vernachlässigung internationaler Verträge und jahrhundertelanger Praxis alle christlichen Besitztümer mit Ausnahme der Gotteshäuser selbst mit mehreren zehn Milliarden Dollar" zu besteuern, darunter christliche Schulen, Krankenhäuser, Gesundheitseinrichtungen und Pilgerstätten. Ferner sei Kirchenkapital eingefroren und beschlagnahmt worden. Dies seien "Handlungen beispielloser Diskriminierung von Christen", so der Großmeister. O'Brien rief die Grabesritter auf, angesichts dieser "weiteren Beweise der Diskriminierung von Christen" Gebete zu halten sowie diese Aktionen Israels ihren jeweiligen Regierungen zur Kenntnis zu bringen.
In Betlehem und Nazareth bleiben die Kirchen offen
Das Amt des Großmeisters der Grabesritter reicht bis in die Zeit der Kreuzzüge zurück. Ursprünglich als Zusammenschluss von Rittern zur Verteidigung des Heiligen Landes gegen die Muslime gegründet, widmet sich der päpstliche Orden, der seinen Sitz in Rom hat, heute wohltätigen Anliegen im Heiligen Land. Unter anderem unterstützen die Grabesritter den Unterhalt von Kirchen, Schulen, Kindergärten, Sozialstationen und Altenheimen in Israel, Jordanien und den Palästinensergebieten. Der Orden zählt nach eigenen Angaben rund 25.500 Mitglieder in 30 Ländern.
Gerüchte, dass neben der Grabeskirche auch die Geburtskirche in Betlehem sowie die Verkündigungsbasilika in Nazareth geschlossen werden sollen, widersprachen Kirchenvertreter jedoch. "Die Geburtskirche ist und bleibt offen", sagte der Guardian der Betlehemer Franziskaner, Artemio Vitores, der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). In dem Streit gehe es auch um das Verhältnis der Kirchen zum israelischen Staat; die Geburtskirche befinde sich aber auf palästinensischem Gebiet, so der Franziskaner. Auch der katholische Patriarchalvikar in Israel mit Sitz in Nazareth, Hanna Kildani, sagte auf KNA-Anfrage, er wisse von keiner geplanten Kirchenschließung in der Stadt. (bod/KNA)