Ordensleute öffnen ihre Zellentüren
Gut 20.000 Ordensleute leben in Deutschland, verteilt auf Hunderte Niederlassungen. Selbst in der Diaspora gibt es kaum einen Landstrich, in dem sie nicht irgendwie präsent wären. Und doch umweht die Klöster ein Hauch des Exotischen. Das geweihte Leben spielt sich selbst in der Wahrnehmung vieler Katholiken heute in fernen Sphären ab. Lifestyle-Läden verkaufen Klosterprodukte als Überreste einer einfacheren Zeit, unter Zu-viel-Arbeitern gilt die Abteiauszeit als exklusives Wellnessprogramm. Einer kleinen Hand voll Ordensgemeinschaften verschafft das Umsatz und eine gewisse Bekanntschaft.
Die große Mehrheit der Orden und ihrer Niederlassungen liegt jedoch außerhalb des öffentlichen Blickfeldes. Auch aus diesem Grund öffnen Ordensleute im ganzen Land am 21. April ihre Pforten zum zweiten "Tag der offenen Klöster". Die Aktion soll helfen, die "Hemmung vor der Klosterpforte" zu überwinden, wünscht sich Schwester Theresia Lehmeier. Die bundesweite Einladung, organisiert von der Deutschen Ordensobernkonferenz (DOK), solle "zeigen, dass wir offen und anfragbar sind", erklärte sie am Montag in Bonn. Denn genau das würden die Menschen oft nicht sehen, glaubt die Ordensfrau. "Wir sind zwar präsent, aber nicht mehr unbedingt in allen Köpfen gegenwärtig." Der "Tag der offenen Klöster" steht dazu passend unter dem Motto "Gut. Wir sind da."
Zisterzienserinnen öffnen ihre Klausur
Die Thüringer Ordensfrau Lehmeier ist Generalsekretärin der Schwestern der heiligen Maria Magdalena Postel, einem Schulorden. Für sie ist der regelmäßige Kontakt zu Außenstehenden normal, anders als bei zahlreichen anderen Ordensgemeinschaften. Das gilt etwa für die Abtei Marienthal an der deutsch-polnischen Grenze. Dort sind Gäste am "Tag der offenen Klöster" zu Führungen, Mittagessen und Gebet eingeladen. Lehmeier hob hervor, dass dieses Angebot nicht selbstverständlich ist. Denn die Marienthaler Schwestern sind Zisterzienserinnen, die ansonsten ein zurückgezogenes Leben in Klausur führen. Die Öffnung der Klosterpforten ist laut Lehmeier "eine große Geste des Aufeinanderzugehens".
Mit dem Vorzeigen des sonst verborgenen Klosterlebens wollen die Ordensleute zudem einigen verbreiteten Klischees über ihr eigenes Dasein entgegentreten. "Die Nonne hat einen Schleier, der Mönch eine Kapuze", fasste das Abt Hermann-Josef Kugler zusammen. Erzeugt werden solche Bilder laut dem DOK-Vorsitzenden besonders durch die Medien; Kugler erinnert an die ARD-Erfolgsserie "Um Himmels Willen". Das pittoreske Ordensleben von Kaltenthal mag seine Entsprechungen in der Realität haben, aber wirklich exemplarisch ist es nicht. Mit dem "Tag der offenen Klöster" wollen die Organisatoren die große Vielfalt des geweihten Lebens in Deutschland deutlich machen.
Der Tag soll damit "durchaus auch Werbung sein für die eigene Sache", so Kugler. Denn auch das unterscheidet das reale Ordensleben von den Fernsehbildern: Zahlreichen Gemeinschaften geht der Nachwuchs aus und damit auch die Perspektive für die Zukunft. Und das obwohl Klöster und Abteien teilweise größere Anziehungskraft haben als je zuvor. Manche Gemeinschaften werden so häufig aufgesucht, dass sie gar nicht mehr alle Anfragen bedienen können, sagt Prämonstratenser Kugler. Den Kontakt würden häufig gerade jene suchen, die sonst keinen Platz mehr in der Kirche finden, etwa in ihrer Pfarrei.
Klöster werden damit vielen Gläubigen zur spirituellen Heimat, aber eben nicht zur tatsächlichen. Ordensleute werden weniger und sind auch an immer weniger Orten aktiv. In der jüngeren Vergangenheit sorgten mehrere Klosterschließungen für Schlagzeilen, darunter zuletzt die der Abteien Himmerod und Mariawald. Selbst der Kirche sonst eher Fernstehende beklagten dabei den Abbruch geistlich-kultureller Traditionen.
Abt Kugler: Orden können ihren Job irgendwann erledigt haben
Wenig Wehklagen war dabei von den betroffenen Ordensleuten selbst zu hören, und ist es auch jetzt nicht. "Es geht nicht um uns selber oder darum, dass es uns immer geben muss", stellte Kugler nüchtern fest. Für Ordensoberen haben die Gemeinschaften in erster Linie "einen Dienst für die Menschen und die Gesellschaft zu erfüllen". Und dieser Job, so Kugler, könne irgendwann auch erledigt sein. Die Gemeinschaften müssten sich dann fragen, ob und wie sich ihr Charisma, also ihre spezifische Ausrichtung, in der Gegenwart leben lässt.
Laut Lehmeier wird dabei ein Aspekt immer wichtiger: "Ordensleute müssen sehr fest sein in ihrer Berufung." Das sei einerseits im Blick auf das Leben in immer kleineren Gemeinschaften geboten. Andererseits gerieten die Frauen und Männer häufig in Erklärungs- oder gar Verteidigungsnot. Lehmeier kennt die Anfechtungen aus eigener Erfahrung. Im Gespräch berichtete sie aus ihrer Zeit als Berufsschullehrerin, als sie einst in eine Klasse mit angehenden Metzgern kam und an der Tafel "Nonnenragout" angeschrieben stand; "und das war durchaus ernst gemeint". Heute sagt die Thüringer Ordensfrau, dass solche Provokationen nicht nur negativ seien, sondern auch eine Chance beinhalten, sich und seinen Glauben zu erklären und darüber ins Gespräch zu kommen.
Diese Hoffnung legt Lehmeier auch in den "Tag der offenen Klöster". Zum Gelingen kann die DOK dabei nur bedingt beitragen. Die Mitgliederversammlung hatte zwar – mehrheitlich – dafür gestimmt, den Aktionstag auch über 2018 hinaus unregelmäßig zu wiederholen, letztlich bleibt es aber Sache der einzelnen Gemeinschaften, ob und in welcher Form sie sich daran beteiligen werden. Im Jahr 2014 hatten so bundesweit gut 300 Ordensniederlassungen ihre Pforten geöffnet. Für dieses Jahr haben sich bislang erst rund 160 angemeldet; wobei jeden Tag mehr hinzukämen, wie es von der DOK hieß. Abt Kugler hielt sich vorab dennoch an eine vorsichtige Schätzung, "vielleicht werden es am Ende 200 Gemeinschaften."