Zwischen Schöpfungsbewahrung und unchristlicher Bestrafung

Pro und Contra: Müssen Christen auf Diesel verzichten?

Veröffentlicht am 03.03.2018 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 4 MINUTEN
Umwelt

Bonn ‐ Sollten Christen zur Schöpfungsbewahrung pauschal auf Diesel verzichten? Ja, meint Roland Müller, dies bringe Chancen mit sich. Tobias Glenz hält dagegen: Nicht der Kraftstoff sei unchristlich, sondern die angekündigten Fahrverbote.

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Pro: Das Gespenst des Fahrverbots ist eigentlich ein guter Geist

Ein Gespenst geht um in Deutschland – das Gespenst des Fahrverbots. Es versetzt Besitzer von Diesel-Autos in Angst und Schrecken. Sie fragen sich: In welches Stadtzentrum darf ich bald überhaupt noch fahren? Muss ich nun aufs Land ziehen? Wer kauft mir meinen Diesel-PKW jetzt ab? Bei allen berechtigten Sorgen zu diesem Thema sollten Christen nicht vergessen, dass Umweltschutz mehr als nur ein Thema für wohlmeinende Sonntagsreden ist.

Spätestens seit der Umweltenzyklika "Laudato si" von Papst Franziskus aus dem Jahr 2015 ist klar, dass der Einsatz für die Schöpfung ein Kerninhalt der christlichen Lebensweise ist. Franziskus wählt drastische Worte für den derzeitigen Umgang der Menschheit mit dem Weltklima: Er bezeichnet ihn als "selbstmörderisch" und fordert, "politische Programme zu entwickeln", die den "drastischen" Ausstoß von Treibhausgasen verringern. Gerade Diesel-Fahrverbote können ein guter Weg sein, um dieses Ziel zu erreichen, denn die überkommene Technik schadet der Umwelt – von den jährlich mindestens 10.000 Todesopfern ganz zu schweigen.

Wirklicher Klimaschutz fordert von allen das Verlassen der eigenen Komfort-Zone und zieht eventuell schmerzhafte Einschnitte nach sich. Das ist eine unbequeme Wahrheit, die auf kurze und mittlere Sicht die Falschen trifft: die Autofahrer. Denn die eigentlich Schuldigen an der Umweltproblematik sind die Autokonzerne, die schon vor Jahren die Dieseltechnik hätten fallen lassen müssen. Auch wenn Fahrverbote auf den ersten Blick für die Autofahrer nur negativ sind, können sie sich auch als Gewinn erweisen.

Wer nicht mehr mit dem Auto zur Arbeit fahren kann, muss sich andere Transportwege einfallen lassen: Etwa mit den Fahrrad zur Firma zu fahren und dabei etwas für die eigene Gesundheit und das persönliche Wohlbefinden zu tun. Oder sich mit Kollegen zusammenschließen und eine Fahrgemeinschaft zu gründen. So könnten neue Freundschaften entstehen. So wird klar, dass im Verzicht auch ein Reichtum liegen kann: Die Chance, sich auf das Wesentliche einzulassen. Dazu können auch Diesel-Fahrverbote beitragen. Sie sind kein Grund zum Jammern, denn das Gespenst des Fahrverbots kann sich als Trugschluss herausstellen. In Wirklichkeit ist es ein guter Geist, der zur Reinigung des eigenen Verhaltens beiträgt.

Von Roland Müller
Blick in die Umweltenzyklika von Papst Franziskus
Bild: ©KNA

Die Umweltenzyklika des Papstes trägt den Titel "Laudato si'".

Contra: Unchristlich sind die Fahrverbote

Da ist sie wieder, die alte Frage: Was macht mich zu einem besseren Christen? Dass die Bewahrung von Gottes Schöpfung unbedingt auch dazugehört, kann kaum in Zweifel gezogen werden. Papst Franziskus hat in seiner Umweltenzyklika Laudato si' von 2015 noch einmal unmissverständlich deutlich gemacht, dass die Sorge um den Planeten Erde – das "gemeinsame Haus" – oberste (Christen-)Pflicht ist. Nachhaltigkeit, Umwelt- und Klimaschutz: Das sind Dinge, die jeden Einzelnen etwas angehen müssen.

Hierzu zählt sicherlich auch die Wahl umweltfreundlicher Verkehrsmittel. Doch wie weit sollte, wie weit kann das gehen? In der jüngeren Vergangenheit wurden von christlicher Seite bereits gute Initiativen gestartet: Seit Jahren rufen die Kirchen etwa zum "Autofasten" auf, die Bistümer haben Nachhaltigkeitsinitiativen ins Leben gerufen und raten ihren Mitarbeitern zu "Carsharing", Radfahren oder zum Nutzen öffentlicher Verkehrsmittel. Nur: Diese Konzepte sind längst nicht immer anwendbar.

Die geplanten Fahrverbote für Dieselautos sind nun vor allem eine Strafe für Pendler, die aus beruflichen Gründen auf ein Auto angewiesen sind. Wer auf dem Land lebt und in der Stadt arbeitet, hat oft gar keine andere Möglichkeit, zum Arbeitsplatz zu kommen. Die öffentlichen Verkehrsmittel greifen längst nicht flächendeckend, ebenso wenig wie Fahrgemeinschaften immer möglich sind. So haben vor einigen Jahren viele Berufspendler vermeintlich umweltfreundliche Dieselautos gekauft, die im Verbrauch angeblich schonender für die Umwelt sein sollten. Jetzt sollen diese Menschen dafür bestraft werden, dass andere – Autokonzerne und Politik – versagt haben? Das ist tatsächlich unchristlich.

Auf den Punkt gebracht: Auch ein Christ muss mobil sein. Dabei wäre es sicherlich moraltheologisch verwerflich, einen Cadillac aus den 70ern zu fahren, der 20 Liter auf 100 Kilometer schluckt. Aber wer ein normales Dieselauto besitzt, vielleicht sogar erst kürzlich eins angeschafft hat, der kann nicht von heute auf morgen mal eben auf einen Benziner umsteigen – Christ hin oder her. Auf Diesel zu verzichten, ist aus Sorge um das "gemeinsame Haus" also sicher nicht verkehrt. Aber eben auch längst nicht von allen leistbar.

Von Tobias Glenz