"Neue" Kathedrale für Berlin im Wedding
Die über 410.000 Katholiken des Erzbistums Berlin erhalten eine neue Kathedrale auf Zeit. Ab September wird die Kirche Sankt Joseph im multikulturellen Stadtteil Wedding als Bischofskirche genutzt, wie das Erzbistum am Freitag bekanntgab. Solange die Sankt-Hedwigs-Kathedrale im Innern umgebaut wird, feiert Erzbischof Heiner Koch dort die zentralen Gottesdienste des Erzbistums. Das ist bis 2023 geplant. Die Kirche Sankt Joseph steht nahe der Parteizentrale der Berliner SPD, dem Kurt-Schumacher-Haus.
Das gut 100 Jahre alte Gotteshaus wurde nach Angaben von Dompropst Tobias Przytarski gewählt, weil es hinreichend groß und mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut erreichbar ist. Die Kirche befindet sich nahe dem S- und U-Bahnhof Wedding. Es ist eine neoromanische Basilika mit Jugendstilelementen und zwei Türmen. Der Bau ist wie viele katholische Kirchen Berlins in die Häuserfront eingegliedert. In der Kirche wird besonders des hingerichteten Priesters und Hitler-Gegners Max Josef Metzger (1887-1944) gedacht. Metzger war in der Zeit des Zweiten Weltkriegs Seelsorger in der Kirchengemeinde.
Das Erzbistum Berlin beziffert die Sanierungs- und Umbaukosten für die Sankt-Hedwigs-Kathedrale und das benachbarte Bernhard-Lichtenberg-Haus auf rund 60 Millionen Euro. 20 Millionen Euro bringt es selbst auf. Weitere 20 Millionen Euro sind von allen 27 deutschen Diözesen zugesagt. 12 Millionen Euro stellen der Bund und 8 Millionen Euro das Land Berlin bereit.
Stiftung: Umbau der Hedwigskathedrale wäre "Dammbruch"
Unterdessen kritisierte die Deutsche Stiftung Denkmalschutz die Genehmigung zum Umbau der Kathedrale scharf. Ein "weltweit einzigartiger Sakralraum" solle dabei aus "angeblichen liturgischen Gründen zerstört werden", erklärte die Stiftung am Freitag in Bonn. Sie warf den Verantwortlichen im Erzbistum Berlin "mangelndes Gespür" für ihre "Vorbildfunktion" vor. Es sei ein "Dammbruch in der Denkmalpflege" zu befürchten. Berlins oberste Denkmalschutzbehörde hatte den Innenumbau vor zwei Wochen weitgehend erlaubt.
Umstritten ist vor allem das Vorhaben, die zentrale Bodenöffnung mit Freitreppe zur Unterkirche zu schließen. Der Architekt Hans Schwippert (1899-1973) hatte diese Raumfassung beim Wiederaufbau der kriegszerstörten Bischofskirche vor mehr als 50 Jahren angelegt. Nach dem erstplatzierten Wettbewerbsentwurf des Architektenbüros Sichau & Walter (Fulda) und des Künstlers Leo Zogmayer (Wien) soll stattdessen der Altar ins Zentrum des Rundbaus rücken. Dies ist nach Auffassung der Leitung und der meisten Gremien des Erzbistums notwendig, um nach den gegenwärtigen kirchlichen Vorgaben Gottesdienst zu feiern.
Die Wissenschaftliche Kommission der Denkmalstiftung kritisiert, der Umbau beseitige ein einzigartiges Gesamtkunstwerk und Geschichtszeugnis. Zudem werde "ein völlig falsches Zeichen für die denkmalpflegerische Verantwortung der Kirchen gesetzt", betonen die Denkmalpfleger, Architekten und Kunsthistoriker. Wertvolles Kulturgut aus neuen Nutzungserwägungen zur Disposition zu stellen, sei nicht akzeptabel.
Auch nach der Liturgiereform in Folge des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) hätten die Berliner Bischöfe und Erzbischöfe Gottesdienste in der Kathedrale gefeiert, ohne dabei liturgische Mängel geltend zu machen, betont die Kommission. Schwippert habe die Pläne zum Wiederaufbau der Kathedrale in enger Abstimmung mit seinen Auftraggebern im damaligen Bistum Berlin ausgearbeitet. (luk/KNA)