Eine andere Dimension
Denn auch dort lebten Heilige, die immer noch verehrt werden. Die in Schweden lebende schweizer Theologin hat gerade das Buch "Weiter Himmel - stille Wege" veröffentlicht.
Pilgern hat in der skandinavischen Diaspora eine andere, viel kleinere Dimension. Ausgetretene Pfade, stark frequentierte Strecken, überlaufene Pilgerorte und -quartiere: In Skandinavien sucht man vergeblich nach ihnen. Stattdessen wird der Pilger mit der Weite der Landschaft und des Himmels, klarer Luft und spektakulären Farben, einsamen Wegen, die einen auf sich selbst und Gott zurückwerfen, und gastfreundlichen Christen belohnt, die in der Diaspora zusammenrücken. Und so erlebte die Autorin gerade im Norden ein großes Zugehörigkeitsgefühl zur Kirche.
50 Pilger auf 0,2 Prozent Katholiken im Land
Hardegger nimmt den Leser dank ihrer lebendigen, reportageartigen Beschreibungen mit auf ihre Suche nach den Wirkungsstätten der nordischen Heiligen. So meint man fast selbst dabei zu sein - etwa, wenn sie in Finnland endlich den abgelegenen Fähranleger zur noch abgelegener liegenden Insel Kirkkokari entdeckt. Hier findet jedes Jahr die "Diözesanwallfahrt" zum Wallfahrtsort Köyliö statt - dorthin, wo der heilige Henrik einer Legende nach erschlagen worden sein soll. Gerade einmal 50 Pilger sind gekommen; eine gute Quote, wenn man bedenkt, dass das weit zerklüftete Land gerade einmal 0,2 Prozent Katholiken aufweist.
Suchen musste die Autorin auch das isländische Mariulind, den einzigen Erscheinungsort Marias in nordischen Ländern überhaupt. Im Jahr 1230 soll dort dem damaligen Bischof Gudmundur die Gottesmutter erschienen sein. Dessen heutiger Nachfolger, der katholische Bischof von Reykjavik Peter Bürcher, sorgt seit 2011 dafür, dass eine Wallfahrt in den rund 100 Kilometer westlich von Reykjavik gelegenen Flecken Erde stattfindet. Selbst der Bischof gesteht, den unscheinbaren Ort - kenntlich gemacht nur durch eine weiße Marienstatue in unberührter Natur - beim ersten Besuch kaum gefunden zu haben.
Ganz anders Trondheim - nach Rom und Santiago de Compostela ist er der drittwichtigste Wallfahrtsort Europas. Im Nidarosdom, dessen Beschreibung die Autorin zehn reichlich illustrierte Seiten widmet, befindet sich der Schrein des heiligen Olav. Die Wallfahrt zu dem norwegischen Nationalheiligen hat eine ähnliche Anziehungskraft wie die zum Grab des Apostels Jakobus in Spanien. 2010 wurde der Wallfahrtsweg zum heiligen Olav zum zweiten europäischen Pilgerweg erhoben. Dennoch ist der Heilige über Skandinavien hinaus kaum bislang kaum bekannt.
Pilgerführer mit Reiseinfo und Meditationen
Der Leser erfährt in Hardeggers mit ausdrucksstarken Fotos bebilderten Buch nicht nur Wissenswertes über die Situation der Kirche in den einzelnen Ländern und über die Heiligen. Die Autorin hat ihren persönlichen Reisebericht auch mit passenden Bibelstellen, persönlichen Gebeten und Meditationen ergänzt sowie mit konkreten Tipps zur Anreise, Übernachtungsmöglichkeiten in Klöstern und empfehlenswerter Literatur. Der Hinweis auf die humorvoll gestaltete Homepage der Birgitten-Schwestern in Vadstena und das Bild vom orgelspielenden, vom mittelalterlichen Maler Albertus Pictor gemalten Schwein in der Kirche von Harkeberga - Details wie diese machen zusätzlich Lust, sich selbst auf die Entdeckungsreise im Norden zu begeben.
Entlang der Pilgerwege im Norden schlummere "ein großes geistliches Potenzial", schreibt die Wahlschwedin. Pilgern im lutherisch geprägten Norden ist für Hardegger "ein Tor, das durchschritten werden will und das einlädt, Unbekanntes zu entdecken".
Von Angelika Prauß (KNA)