Antijüdische Marienfigur: Domkapitel distanziert sich
Das Münsteraner Domkapitel hat sich von einer antijudaistischen Marienskulptur im Sankt-Paulus-Dom distanziert. Die dort dargestellte theologische Auffassung, wonach das Judentum zu missachten oder zu unterdrücken sei, widerspreche fundamental der Grundüberzeugung der katholischen Kirche, sagte Dompropst Kurt Schulte am Donnerstag vor Journalisten in Münster. Sie dürfe deshalb nicht unkommentiert bleiben.
Die etwa 70 Zentimeter hohe Skulptur stammt aus dem 13. Jahrhundert. Sie ist Teil der Portalreliefs im sogenannten Paradies, dem Eingangsbereich des Münsteraner Doms. Die Gottesmutter sitzt auf einem Thron mit dem Jesuskind auf dem Schoß. Am unteren Ende sind zwei stilisierte Personen zu erkennen, die stellvertretend für das Judentum und das Heidentum stehen. Beide werden von den Füßen der Marienfigur zu Boden gedrückt.
Domkustos Udo Grote sprach von einer "besonders brutalen" und in dieser Form in Deutschland einmaligen Darstellung. Judenfeindliche Darstellungen aus jener Zeit sind hingegen an vielen Kirchen anzutreffen. Zuletzt hatte ein "Judensau"-Steinrelief an der Außenseite der Stadtkirche Sankt Marien in Wittenberg für Aufsehen gesorgt.
Auch heute noch verletzend
Hier komme eine zeitgenössische Auffassung zum Ausdruck, wonach Judentum und Heidentum durch das Christentum überwunden und ersetzt wurden, erläuterte Schulte. Der Steinmetz, der dies geschaffen habe, sei ein Kind seiner Zeit gewesen. Heute sei diese Auffassung nicht nur unverständlich, sondern der Kirche auch zuwider und theologisch unhaltbar. Schulte verwies auf die Konzilserklärung "Nostra aetate" vor mehr als 50 Jahren, mit der die Kirche einen Prozess der Selbstprüfung eröffnete, um die kirchliche Lehre von jeder Feindseligkeit gegenüber Juden zu bereinigen.
Als Konsequenz hat das Domkapitel in Zusammenarbeit mit der jüdischen Gemeinde in Münster und der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit ein vierseitiges Kunstblatt über die Darstellung in der Reihe "Kunstwerke des St. Paulus Domes" erarbeitet. Zudem solle künftig in allen neuen Publikationen zum Dom dieser Figur besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden, so Grote. Außerdem sei eine Beschilderung mit einem QR-Code in Arbeit, um Besucher mittels Smartphone bei Rundgängen in der Kathedrale über die Darstellung aufzuklären.
Der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Münster, Sharon Fehr, sagte, angesichts eines stärker werdenden Antisemitismus in heutiger Zeit sei es wichtig, sich mit solchen Themen zu beschäftigen. Die antijüdische Bilddarstellung sei "auch heute noch verletzend". Domkapitular Ferdinand Schumacher, der auch Vorsitzender der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit in Münster ist, sprach von einer notwendigen Distanzierung. "Wenn man es entdeckt hat, dann stört es, dann weiß man es und dann wird es unerträglich." (tmg/KNA)