Pro und Contra: Fotografieren im Gottesdienst verbieten?
Pro: Fotowahnsinn? Bitte nicht.
Die Erstkommunion ist wohl das Ereignis des Jahres für die Kinder. Und natürlich auch für die Eltern. So nachvollziehbar der Wunsch nach persönlichen Erinnerungen ist, so falsch ist es dennoch, alles dokumentarisch auf dem Smartphone festzuhalten. Denn wir müssen auch ehrlich sein: Den Moment der ersten Heiligen Kommunion kann man nicht fotografieren. Geht einfach nicht. Die passende Bibelstelle dazu gibt es sogar beim Evangelium für den Ersten Sonntag nach Ostern. Es geht darin um den ungläubigen Thomas. Konkret: Selig sind, die nicht sehen und doch glauben. (Joh 20, 29) Denn was wollen die "Zaungäste" der Erstkommunion sehen, was sie nicht sowieso bereits glauben? Und für alle anderen sollte doch der Respekt vor dem, was am Altar passiert, die oberste Prämisse sein.
Und überhaupt: Was genau ist auf den (im schlimmsten Fall verwackelten und unscharfen) Fotos der Hobbyfotografen zu sehen? Was genau soll denn "festgehalten" werden? Wie das Kind in der Bankreihe sitzt? Wie das Kind singt? Fürbitten vorträgt? Brot und Wein zum Altar bringt? Klar, das sind schöne Erinnerungsfotos. Aber wichtig ist doch nicht, das eigene Kind bei allen Tätigkeiten abzulichten, sondern mit ganzem Herzen dieses besondere Ereignis mitzufeiern. Und das geht nun mal nicht, wenn man die Messe über das Smartphonedisplay mit dem Finger am Auslöser verfolgt. Und das geht vor allem nicht, wenn das auch noch sämtliche Eltern und Verwandte tun. Viel schlimmer: Sie stören damit auch noch die Erstkommunionkinder, die dann nur mit Posieren und Lächeln beschäftigt sind.
Auch Kardinal Robert Sarah ist dieser Meinung. Nur wenn die elektronischen Geräte abgeschaltet sind, könnten sich die Gläubigen ganz auf Gott konzentrieren. Unterstützung bekommt er in diesem Anliegen auch von Papst Franziskus. In der Messe solle man sein Herz erheben – und nicht das Smartphone. Darum geht es nämlich im Gottesdienst. Auch und gerade bei der Feier der Erstkommunion.
Fernab von jeglicher Diskussion über Distanzlosigkeit, die bei Fotos von Wandlung und Eucharistie zum Tragen kommt, ist das "entscheidende" Foto zudem unästhetisch. Eine Grundregel: "Personen beim Essen fotografiert man nicht." Es spricht wohl nichts dagegen, vor dem Gottesdienst und nach der Messe für Füllmaterial im Familienalbum zu sorgen. Und vielleicht, auch zur Nervenschonung der Kinder, sich für diese Erinnerungsfotos genug Zeit zuhause zu nehmen.
Contra: Auch eine Form der tätigen Teilnahme
Papst Franziskus ist kein Fan von Handyfotos im Gottesdienst. "Ich bitte euch, die Messe ist keine Show", sagte er im vergangenen November: "Also denkt dran: Keine Handys." Helfen wird das freilich nicht, nicht nur in Rom werden weiter fleißig die Handys und Fotoapparate hochgereckt. "Denkt dran: Keine Handys" wird wohl auch am Weißen Sonntag in vielen Gemeinden sein. Aber warum eigentlich? Natürlich, man versperrt anderen die Sicht, lenkt sie ab, macht vielleicht sogar Geräusche.
Aber die Fotos werden gemacht, weil etwas passiert, das den Leuten wichtig ist, und weil sie das in einer für sie stimmigen Form begleiten: Fotografieren mit dem Handy ist eine Form tätiger Teilnahme. Denn nur um das Bild selbst geht es dabei nicht. Im Zweifelsfall ist der eine professionelle Fotograf, der von der Pfarrei beauftragt wird, besser, näher dran und hinreichend mit der Liturgie vertraut, um die wichtigen Momente auch wirklich abzulichten. Aber dann hat man das Bild nicht selbst gemacht und hat es später auch nicht immer dabei.
Digitale Kommunikation wird immer visueller. Fotos gehören selbstverständlich dazu: Selfies, Schnappschüsse von scheinbar belanglosen Dingen und großen Ereignissen. Was wichtig ist, davon erzählt man, davon hat man Bilder auf dem Telefon. Die Bildersammlung auf dem Handy, in der Familien-WhatsApp-Gruppe, auf Instagram oder Facebook hat die gleiche Funktion wie ein Album mit Fotoabzügen, ein Dia-Abend und Passbilder im Geldbeutel: Schöne Erinnerungen, die man mit anderen teilen kann. Daher gehört Fotografieren auch immer mehr zum ganz normalen sozialen Verhalten dazu. Das wirkt auf viele immer noch ungewöhnlich oder sogar unpassend, weil sich soziale Normen ungleichzeitig ausbreiten. Was für die einen selbstverständlich ist, ist für die anderen eine ungehörige Neuerung. Aufhalten lässt sich diese Entwicklung nicht.
Gerade bei den Gottesdiensten zum Weißen Sonntag wird es wieder besonders viele geben, die selten die Messe mitfeiern. Sie sehen die bildmächtige Liturgie mit frischen Augen, sie wundern sich noch und staunen. Wie sollte ihnen dieser eine Messbesuch in Erinnerung bleiben: Mit Verboten und strikten Regeln – oder mit dem unscharfen, von viel zu weit hinten aufgenommenen Bild, das aber genau meine Nichte, genau meinen Sohn während eines wichtigen Moments zeigt? Selig, die nicht sehen und doch glauben – aber für andere kann es helfen, doch den Finger auf den Auslöser zu legen.