Ökumenikerin Agnes Slunitschek über Ostern bei orthodoxen Christen

Orthodoxe Osternacht: Die sich steigernde Freude

Veröffentlicht am 07.04.2018 um 16:58 Uhr – Lesedauer: 
Orthodoxe Osternacht: Die sich steigernde Freude
Bild: © KNA
Ostern

Köln ‐ Orthodoxe Christen feiern dieses Wochenende Ostern. Die Freude über die Auferstehung zeigt sich vor allem in der beeindruckenden Liturgie der Osternacht. Die kann sich während des vierstündigen Gottesdienstes bis hin zur Euphorie steigern.

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So mancher katholische und evangelische Ostergottesdienst endete vergangenen Sonntag damit, dass der Pfarrer oder die Pfarrerin einen Witz erzählt hat. Liturgisch vorgesehen ist das nicht, aber eine Tradition, die besonders im Mittelalter verbreitet war. Ziel ist, den Gläubigen ein "Osterlachen" zu entlocken. Es soll die Freude über die Auferstehung Jesu Christi, seinen Sieg über den Tod und die Erlösung der Menschen ausdrücken.

Auch im orthodoxen Ostergottesdienst, der mit Ausnahme der Kirche von Finnland, dieses Wochenende gefeiert wird, ist die Freude über Christi Auferstehung das zentrale Motiv. Allerdings wird diese Freude durch die gesamte Osternacht hindurch auf beeindruckende Weise liturgisch umgesetzt und in den Gläubigen geweckt. Darum kann der Besuch eines orthodoxen Osternachtgottesdienstes zu einem mitreißenden und anregenden Erlebnis für Mitglieder der westlichen Kirchen werden.

Dieser Osternachtgottesdienst ist eine Zusammensetzung mehrerer einmal eigenständiger Liturgien, die heute direkt aufeinander folgen: der Mitternachtsgottesdienst, die Feier der Auferstehung, der Morgengottesdienst und die Göttliche Liturgie nach Johannes Chrysostomos. Darum dauert er zwischen drei und vier Stunden. Die Liturgie beginnt in der Nacht von Karsamstag auf Ostersonntag zwischen 22 und 24 Uhr mit der sogenannten Mitternachtsliturgie, die den Übergang vom Karsamstag zum Ostersonntag darstellt. In ihr werden in Teilen die Texte des Karsamstagsgottesdienstes wiederholt, die noch von der Thematik des Todes, des Grabes Jesu sowie seines Hinabstiegs in die Unterwelt geprägt sind: Im Troparion der ersten Ode, also dem Hymnus des ersten Lobgesanges, heißt es:

Orthodoxe Christen feiern jetzt das Osterfest

Wer an diesem Wochenende in einem christlich-orthodox geprägten Land im Osterurlaub ist, kann das Fest zum zweiten Mal innerhalb einer Woche feiern. Die orthodoxen Kirchen richten sich zu Ostern nach dem julianischen Kalender. Ostern wird am ersten Sonntag nach dem ersten Vollmond des Frühlings gefeiert. Da der Frühlingsbeginn am 21. März nach dem julianischen Kalender aber 13 Tage später als im gregorianischen Kalender ist, fällt der Ostersonntag der Orthodoxen dieses Jahr auf den 8. April unseres Kalenders. (dpa)

Herr, mein Gott, / ein Schlusslied / und einen Grabgesang / will ich dir singen, der durch seine Grablegung / mir den Eingang zum Leben geöffnet/ und durch den Tod den Tod und den Hades getötet.

Dich in den Höhen auf dem Thron / und unten im Grab, / mein Retter, wissend, / das Überirdische / und das Unterirdische / erzitterten vor deinem Sterben; / denn unbegreiflich wurdest du geschaut / als Toter, Ursprung des Lebens.

Um mit deiner Herrlichkeit / das All zu erfüllen, / stiegst du hinab / in das Unterste der Erde; / denn dir blieb nicht verborgen / mein Zustand von Adem her. / Durch dein Begrabenwerden mich, den Verwesten, / erneuerst du, Menschenliebender.

Die Kirche ist während dieses Teiles des Gottesdienstes dunkel, symbolisch ist Christus noch unter den Toten. Dennoch sind die Texte nicht düster und traurig, sondern es wird bereits die Überwindung des Todes durch Jesu Auferstehung und die daraus folgende Erlösung der Menschen angekündigt und auf die einzelnen Gläubigen bezogen.

Verschlossene Kirche steht für das Grab Jesu

Die Liturgie wird in vielen orthodoxen Kirchen nicht in der jeweiligen Muttersprache, sondern auf Altgriechisch oder Kirchenslawisch gefeiert. Um verstehen zu können, was verkündet und gebetet wird, gibt es mehrsprachige Liturgiebücher, mit denen der Gottesdienst verfolgt und verstanden werden kann.

Die eigentliche Auferstehungsfeier beginnt damit, dass der Priester eine Kerze entzündet und das Licht an die Gemeinde weitergibt, die es im Kirchenraum verbreitet. Anschließend verlassen alle die Kirche, die verschlossen wird, und ziehen – in der russischen Tradition – in einer Prozession dreimal um das Gotteshaus. Die verschlossene Kirche steht für das Grab Jesu, das mit einem Stein verschlossen war, und das dreimalige Umgehen der Kirche verweist auf die drei Tage, die Jesus im Grab lag. Während der Prozession wird gesungen:

Geistliche mit Kerzen in den Händen während des festlichen Ostergottesdienstes in der Christ-Erlöser-Kathedrale am 11. April 2015 in Moskau.
Bild: ©KNA

Geistliche mit Kerzen in den Händen während des festlichen Ostergottesdienstes in der Christ-Erlöser-Kathedrale am 11. April 2015 in Moskau.

Deine Auferstehung, Christus, Retter, / besingen die Engel im Himmel; / würdige auch uns auf Erden, / dich reinen Herzens zu preisen.

Noch sind es nur die Engel, die die Auferstehung verkünden. Doch dann wird vor der Kirchentür das Osterevangelium nach Markus (Mk 16,1–8) verlesen und damit vom Priester den Menschen verkündet. Anschließend stimmt er den Ostergesang an:

Christus ist auferstanden von den Toten, / durch den Tod hat er den Tod zertreten / und denen in den Gräbern / das Leben geschenkt.

Mit diesem Vers betritt die Gemeinde die Kirche, in der es hell wird. Das Grab ist leer, Christus hat den Tod überwunden, er ist das Licht, das die ganze Welt erhellt. Der Ostergesang von Christi Auferstehung und seinem Sieg über den Tod zieht sich in vielen Wiederholungen durch den Gottesdienst. Immer wieder stimmen ihn Priester und Chor an. Auch die Gemeinde ist in die freudige Dynamik hineingenommen, indem der Priester ihr immer wieder zuruft: "Christus ist auferstanden!", und die Gläubigen ihm antworten: "Er ist wahrhaft auferstanden!" Durch die sich wiederholenden Gesänge und Zurufe entsteht eine freudige Erregung, wird der Gottesdienst fröhlich, zum Teil sogar euphorisch.

Neben dem Menschen ist auch die ganze Schöpfung erlöst

Freude, Jubel und Lobpreis sind die weiteren Motive des Morgengottesdienstes. Die Kirche preist in den liturgischen Texten Gott für sein Erlösungshandeln, in das sowohl die Menschen einbezogen sind, als auch die gesamte Schöpfung. An der Auferstehung Jesu hat nach orthodoxer Vorstellung der ganze Kosmos Anteil.

Anders als in der katholischen Osternacht, in der bis zu sieben, mindestens jedoch vier, alttestamentliche Lesungen, sowie ein Psalm und eine Lesung aus dem Römerbrief nacheinander verlesen werden, werden im orthodoxen Ostergottesdienst biblische Zitate und theologische Deutungen in Hymnen miteinander verwoben. Viele kurze Zitate aus Altem und Neuem Testament verschränken sich mit Berichten von Jesu Tod und Auferstehung, den rettenden Folgen für Menschheit und Schöpfung sowie dem freudigen Lobpreis dafür. Die liturgischen Texte sind so eine dichte und komplexe Auferstehungstheologie, in der das zentrale österliche Geschehen der Auferstehung Christi immer wieder neu benannt und die gesamte Geschichte des Volkes Gottes auf ihn bezogen wird. Ähnlich zeigen die katholischen Lesungen das Heilshandeln Gottes durch die Geschichte.

Die Autorin

Agnes Slunitschek ist katholische Theologin. Sie promoviert derzeit im Bereich Ökumene an der Universität Münster.

Die Verbindung von Altem und Neuem Bund und die Errettung der Menschheit zeigt auch die Osterikone. Auf ihr ist in der Mitte der auferstandene Christus abgebildet, der über dem geöffneten Hades auf dessen zertrümmerten Toren steht. Das spielt zum einen auf Christi Höllenfahrt am Karsamstag an und symbolisiert zum anderen seinen Sieg über den Tod. Mit seiner rechten Hand zieht er Adam, mit der linken Eva aus geöffneten Gräbern, die stellvertretend für die ganze Menschheit stehen. Die Menschen können sich nicht selbst erlösen, sondern werden von Jesus Christus vom Tod erlöst. Rechts und links des Auferstandenen stehen David, Salomo sowie Johannes der Täufer und weisen mit den Händen auf ihn. Sie stehen für die, die Jesus Christus verkündet haben.

Fastenbrechen nach 40 Tagen der veganen Ernährung

Der Ostergottesdienst endet mit der Göttlichen Liturgie, in der als Evangelium die ersten Verse des Johannesevangeliums (Joh 1,1-17) gelesen werden. Dieser Text ist eine verdichtete Zusammenfassung der gesamten Heilsgeschichte und macht deutlich, dass der Höhepunkt des Heilshandeln Gottes seine Menschwerdung in Jesus Christus ist. In der katholischen Kirche kennt man die Textstelle als Weihnachtsevangelium, im tridentinischen Ritus ist sie das Schlussevangelium fast jeder Liturgie.

Nach dem Ostergottesdienst wird entweder direkt in der Gemeinde oder spätestens am nächsten Morgen in der Familie mit einem ausgiebigen Frühstück das Fasten gebrochen. 40 Tage lang haben sich die Gläubigen vegan ernährt und vor der Osterliturgie nichts gegessen. Die Osterfreude findet ihren Ausdruck dann auch im bereits erwarteten Mahl. Dabei gibt es einen traditionellen Osterkuchen aus Hefeteig, Eier sowie Milchspeisen. Wie in der katholischen Kirche auch, wurden die Osterspeisen vorher in der Liturgie gesegnet.

Die ganze folgende Woche ist eine Festwoche. Das zeigt sich daran, dass die Türen in der Ikonostase, die sonst stets geschlossen sind und nur an bestimmten Stellen im Gottesdienst geöffnet werden, offen stehen. Gedeutet wird diese Praxis unterschiedlich, etwa als das allen Menschen offen stehende Reich Gottes oder als Zeichen für das leere, geöffnete Grab. Zudem ist die Osterwoche eine der wenigen fastenfreien Wochen im Jahr. Auch mittwochs und freitags, die sonst Fasttage sind, dürfen orthodoxe Christen anlässlich des Osterfestes alles essen. Die Gläubigen grüßen sich mit dem Osterruf der Liturgie "Christus ist auferstanden!", worauf geantwortet wird: "Er ist wahrhaft auferstanden!". Auf Altgriechisch lautet der Gruß "Christos anesti!" – "Alithos anesti!" und auf Kirchenslawisch "Hristos voskrese!" – "Vaistinu voskrese!".

Von Agnes Slunitschek