Klerus kämpft gegen Lockerung des Waffengesetzes

Keine Waffen in meiner Kirche!

Veröffentlicht am 13.04.2018 um 15:45 Uhr – Lesedauer: 
Waffengesetz

Bonn/USA ‐ Über 1.100 Menschen sind 2016 in Missouri durch den Gebrauch einer Schusswaffe gestorben. Wie man darauf reagiert? Der Staat will seine Waffengesetze lockern - doch nicht ohne religiösen Widerstand.

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Gegen diesen Gesetzesentwurf protestieren Religionsvertreter: Künftig sollen Menschen in Missouri auch in Kirchen eine verdeckte Waffe tragen dürfen. Bisher benötigen sie dazu die Erlaubnis des zuständigen Pfarrers beziehungsweise Repräsentanten der Gemeinde. Hat also bald jeder zum Gebetbuch seine Waffe im Gottesdienst dabei? Dagegen formiert sich nun Widerstand von Vertretern unterschiedlicher Religionen.

Doch wie kam es eigentlich so weit? Im Januar wurde durch den Republikaner Jered Taylor die Gesetzesvorlage im Repräsentantenhaus auf den Weg gebracht. Die sogenannte "Missouri Hause Bill 1936" will die Liste der Orte, an denen eine verdeckte Waffe getragen werden kann, auf Kirchen, Kindertagesstatten, Krankenhäusern und andere Orte erweitern. Bisher wurden 17 Orte von dieser Liste ausgeschlossen. Taylor argumentiert damit, "Menschen die Möglichkeit zu geben, sich jederzeit zu schützen". Die jetzige Regelung würde also umgekehrt werden: Es wäre künftig grundsätzlich erlaubt, an bisher ausgeschlossenen Orten verdeckte Waffen zu tragen. Wer das nicht möchte, müsste ein explizites Verbotsschild vor dem Gebäude platzieren. Über die Gesetzesvorlage wird derzeit weiter im Missouri House abgestimmt.

Religionsvertreter treten nun dagegen ein. Am Mittwoch trafen sie sich zu einer gemeinsamen Pressekonferenz, wie der National Catholic Reporter berichtet. "Pastoren, Rabbiner und religiöse Führer sollten von der Regierung nicht gezwungen werden, Schilder an unseren heiligen Orten zu platzieren, die Aktivitäten verbieten, die wir auf unserem eigenen Privateigentum nicht zulassen wollen", so der Erzbischof von Saint Louis, Robert Carlson. Er begründete die Ablehnung außerdem weiter: Das Gesetz würde "die Rechte des zweiten Verfassungszusatzes auf Kosten des Religionsfreiheitsgesetzes des Ersten Verfassungszusatzes erweitern". Der erste Verfassungszusatz garantiert die Religionsfreiheit, der zweite Verfassungszusatz das Recht, Waffen zu tragen.

Die Verfassungszusatzartikel im Wortlaut:

ZUSATZARTIKEL I Der Kongreß darf kein Gesetz erlassen, das die Einführung einer Staatsreligion zum Gegenstand hat, die freie Religionsausübung verbietet, die Rede- oder Pressefreiheit oder das Recht des Volkes einschränkt, sich friedlich zu versammeln und die Regierung durch Petition um Abstellung von Mißständen zu ersuchen. ZUSATZARTIKEL II Da eine gut ausgebildete Miliz für die Sicherheit eines freien Staates erforderlich ist, darf das Recht des Volkes, Waffen zu besitzen und zu tragen, nicht beeinträchtigt werden."

In den USA ist die Waffengesetzgebung seit Jahren umstritten. Nach mehreren Attentaten in den vergangenen Monaten wird die Debatte um die lockeren Gesetze in einigen Bundesstaaten geführt. Die Streitpartner hier sind allerdings nicht immer Kirche und Staat, wie in Missouri. Als im November 2017 bei einem Attentat 26 Menschen während eines Gottesdienstes in einer texanischen Kirche ermordet wurden, lieferten sich Kirchenvertreter untereinander einen öffentlichen Schlagabtausch. Die katholische Seite blieb bei ihrem Verbot von Waffen in Kirchen – obwohl das in Texas seit 2016 grundsätzlich erlaubt ist. Evangelikale Pastoren und Freikirchen plädierten dafür, dass Gemeindemitglieder nun bewaffnet zur Kirche kommen sollten oder boten sogar Selbstverteidigungstraining an.

Nach dem Massaker in Sutherland Springs sichern Einsatzkräfte den Tatort an der Baptistenkirche ab.
Bild: ©picture alliance / ZUMA Press / Edward A. Ornelas

Nach dem Massaker in Sutherland Springs sichern Einsatzkräfte den Tatort an der Baptistenkirche ab.

Ein anderes Beispiel kommt aus dem Bundesstaat Georgia, wo sich 2014 ebenfalls berühmte Rabbiner, Priester und Bischöfe gegen das Tragen von Schusswaffen in Gotteshäusern ausgesprochen hatten. Als das Gesetz dennoch verabschiedet wurde, reagierten die Religionsvertreter sofort: Sie verboten die Waffen – mit Ausnahme der von Strafverfolgungsbeamten – in ihren Gebäuden. Ähnlich würde es wahrscheinlich in Missouri laufen. Der Staat hatte bereits 2014 sein Waffengesetz gelockert – obwohl der damalige Gouverneur dem Entwurf widersprach. Damals wurde das Alter für das Tragen von Schusswaffen auf 19 Jahre herabgesetzt und Lehrern die grundsätzliche Bewaffnung gestattet. Innerhalb von zwei Jahren entwickelte sich die Todesstatistik entsprechend: Missouri landete im USA-Vergleich 2016 auf Platz 6, 2014 logierte der Staat auf Platz 11.

In den USA können die Bundesstaaten die Waffengesetze für sich unterschiedlich regeln. Von katholischer Seite kommt häufig Kritik am Umgang mit Waffen. Nach dem Texas-Attentat beklagte die Bischofskonferenz ein "fundamentales Problem". Die sinnlose Waffengewalt dürfe nicht toleriert werden, forderte deren Vorsitzender, Kardinal Daniel DiNardo. Auch in Missouri formiert sich bereits katholischer Widerstand: Sollte es dort zur Verabschiedung des Gesetzes kommen, droht Erzbischof Carlson mit einer Klage.

Von Julia Martin