Ökumenisches Patriarchat sucht Lösung in Kiew-Moskau-Konflikt

Streit um die orthodoxe Kirche in der Ukraine

Veröffentlicht am 25.04.2018 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 
Konflikte

Kiew ‐ Die orthodoxe Kirche ist die letzte bedeutende Institution, die die Ukraine mit Russland verbindet. Kiew will aber eine von Moskau unabhängige Kirche. Nun muss das Ökumenische Patriarchat von Konstantinopel entscheiden.

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Immer noch sterben im Osten der Ukraine Menschen. Seit 2014 kämpfen dort von Moskau unterstützte Separatisten gegen ukrainische Soldaten. Mehr als 10.000 Todesopfer zählten die Vereinten Nationen bereits. Kiew und Moskau geben sich gegenseitig die Schuld für den Konflikt. Auch Geistliche gehen so hart miteinander ins Gericht, dass längst die Zukunft ihrer Kirchen auf dem Spiel steht.

Allen voran der orthodoxe Kiewer Patriarch Filaret polemisiert gegen Moskau. Russlands Präsident Wladimir Putin sei vom "Teufel besessen", schimpfte der 89 Jahre alte Kirchenführer. Der russisch-orthodoxe Patriarch Kyrill I. mache Stimmung für eine "russische Welt" und gegen Kiew und helfe so Putin beim Kampf gegen die Ukraine.

Ins Zentrum des Konflikts zwischen Kiew und Moskau rückt nun die zum Moskauer Patriarchat gehörende ukrainisch-orthodoxe Kirche. Sie zählt mit rund 10.000 Priestern ungefähr dreimal so viele wie das 1992 von ihr abgespaltene Kiewer Patriarchat. Umfragen zufolge bekennen sich allerdings deutlich mehr orthodoxe Christen zum Kiewer Patriarchat. Dessen Oberhaupt Filaret wirft der moskautreuen Kirche Unterstützung der Separatisten und Verrat am ukrainischen Vaterland vor.

Poroschenko fordert Unabhängigkeit

Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko fordert schon lange die Unabhängigkeit der orthodoxen Kirche seines Landes von Moskau. Das sei wichtig für die "nationale Sicherheit", sagte er vorige Woche im Parlament. Zuständig für die Zuerkennung der Autokephalie (Eigenständigkeit) ist das Ehrenoberhaupt der Weltorthodoxie, der Ökumenische Patriarch Bartholomaios I. von Konstantinopel. Seit Freitag liegt ihm das offizielle Gesuch aus Kiew vor.

Bartholomaios I. hat stets seine Verbundenheit mit der Ukraine betont. Freundlich und auffallend lang empfing er in seiner Residenz im Phanar von Istanbul vor gut zwei Wochen Poroschenko. Das Leitungsgremium des Patriarchats von Konstantinopel, der Heilige Synod, entschied am vergangenen Wochenende, die Bitte um Autokephalie "genau zu besprechen und mit den orthodoxen Schwesterkirchen abzustimmen", heißt es in einer Erklärung.

Der ökumenische Patriarch Bartholomaios I. von Konstantinopel
Bild: ©KNA

Der ökumenische Patriarch Bartholomaios I. von Konstantinopel.

Eine einvernehmliche Lösung ist allerdings nicht in Sicht. Moskau lehnt eine Trennung von der orthodoxen Kirche in der Ukraine ab. "Nur die Feinde der Kirche profitieren von dieser Idee", warnte der Außenamtschef der russisch-orthodxen Kirche, Metropolit Hilarion. Wende man das Konzept an, dass jeder unabhängige Staat eine unabhängige Kirche brauche, würden zum Beispiel aus der Kirche von Alexandrien und ganz Afrika "mehr als 50", weil sie so viele Staaten umfasse. Auch im Nahen Osten müssten dann die Kirchen von Antiochien und Jerusalem geteilt werden, so Hilarion.

Die russisch-orthodoxe Kirche betrachtet alle Staaten der ehemaligen Sowjetunion als ihr kanonisches Territorium - mit Ausnahme Armeniens und Georgiens. Lediglich in Estland hat Konstantinopel bisher eine eigenständige orthodoxe Kirche anerkannt, was einen heftigen Konflikt mit dem Moskauer Patriarchat auslöste. Bis heute konkurrieren in der Baltenrepublik zwei orthodoxe Kirchen miteinander - eine des Moskauer Patriarchats und eine des Patriarchats von Konstantinopel. Ein abschreckendes Szenario für die Weltorthodoxie.

Den "nationalen Geist" stärken

Bartholomaios I. und alle 13 anderen orthodoxen Landeskirchen erkennen in der Ukraine bislang nur den Zweig der russisch-orthodoxen Kirche an. Mit Rücksicht auf Moskau meidet das Ehrenoberhaupt der Weltorthodoxie bisher das Kiewer Patriarchat. Ohnehin belastet noch immer das Fernbleiben der russisch-orthodoxen Kirche beim ersten Panorthodoxen Konzil der Neuzeit 2016 auf Kreta die Beziehungen zwischen den Patriarchaten von Konstantinopel und Moskau.

Eine eigenständige, geeinte ukrainisch-orthodoxe Kirche werde den "nationalen Geist" stärken, lobte Poroschenko am Montagabend im ukrainischen Fernsehen seine Initiative. Dadurch werde der "interne Streit in unserem Staat beendet". Rückendeckung bekommt er vom Parlament und von Patriarch Filaret. Das Kiewer Kirchenoberhaupt zog gar eine Parallele zum Militär: "Genauso wie es keinen Staat ohne Armee geben kann, kann ein Staat auch nicht ohne Kirche bestehen."

Von Oliver Hinz (KNA)