Berufungen sind ein Geschenk Gottes
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Was wäre mit der Kirche alles möglich, wenn jeder Christ seine persönliche Berufung suchen, finden und wahrnehmen würde? Der moderne Katholizismus baut maßgeblich darauf, dass jeder Gläubige nach seinen Möglichkeiten aktiv wird. Davon lebt und wächst die Kirche. Dass in dieser Frage eine handfeste Krise herrscht, zeigt nicht allein die kleiner werdende Zahl geweihter Priester.
Gestern hat mein Kollege Thomas Jansen in seinem Kommentar die eigentliche Wurzel des Problems aufgezeigt: ein sträflich verkürztes Verständnis von "Berufung". Es ist zuallererst falsch, diese nur für geweihte Priester vorauszusetzen. Kirchenbilder von Paulus bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil basieren darauf, dass jeder Gläubige ein von Gott gewollter und gebrauchter Teil des Ganzen ist. Jeder Lebensweg, der auf diese Führung vertraut, muss "irgendwie als Berufung deklariert" werden.
Ja, Berufung ist tatsächlich "ein verdammt großes Wort". Aber es gibt keinen Grund, das als "einschüchternd" oder "abschreckend" zu empfinden, wie mein Kollege schreibt. Was kann schließlich beruhigender und ermutigender sein, als sich in seinem Lebensentwurf von der Kraft schlechthin unterstützt zu fühlen? "Wenn mich Gott ruft, krieg ich das mit seiner Hilfe schon irgendwie hin" ist also nicht etwa eine "unrealistische Vorstellung", sondern urchristliche Überzeugung. Und natürlich ist die Essenz der christlichen Berufung das Gefühl, "zu Höherem berufen zu sein". Das gilt für alle Gläubigen und ist wohl bei Priestern besonders augenscheinlich.
Ihren Dienst auf einen Beruf reduzieren zu wollen, banalisiert das Weihesakrament. Damit wird es heruntergestuft zur feierlichen Beauftragung für eine Arbeit, die zwar anspruchsvoll und erfüllend ist, aber letztlich doch nur eine Arbeit bleibt. Wer auf diese Weise der Weihe ihren überzeitlichen und überweltlichen Charakter strittig macht, muss das konsequenterweise auch bei den übrigen Sakramenten tun, allen voran bei der Ehe.
Das zweite Sakrament des Lebensstandes leidet ebenso sehr unter einem Mangel an Berufungen. Denn die Hochzeit ist nicht bloß liturgischer Ausdruck romantischer Liebe. Die christlichen Eheleute stellen sich gemeinsam ihrer Berufung. So tun sie zweifellos viel mehr, als nur christliche Kultur zu vermitteln. Denn es muss klar sein: Wer seinen eigenen Ruf lebt und bekennt, fördert schon damit andere Berufungen.
Wer Priester will, braucht keine "Berufungen"
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Am Sonntag war der Weltgebetstag für geistliche Berufungen. Da musste ich an meinen Großonkel denken, der Priester war. Als Jugendlicher fragte ich ihn einmal, warum er sich für diesen Weg entschieden hat. Seine Antwort: Zunächst habe er Religionslehrer werden wollen, dann habe er sich gedacht, jetzt könne er ja auch Priester werden. Kein Wort von einer "Berufung". Das hat mich beeindruckt.
Denn ich habe ein Problem mit "Berufungen". Das ist so ein verdammt großes Wort, ehrfurchtgebietend, einschüchternd, abschreckend. Und es fördert allzu leicht unrealistische Vorstellungen: Wenn mich Gott ruft, krieg ich das mit seiner Hilfe schon irgendwie hin. Und aus dem Gefühl berufen zu sein, kann schnell die Überzeugung werden, zu Höherem berufen zu sein. Da klingt es auch wenig überzeugend, wenn man plötzlich alle anderen Lebenswege irgendwie als Berufung deklariert.
Wie wäre es, wenn wir einfach mal ein paar Gänge runterschalten und auf das Wort "Berufung" verzichten würden? Versuchen wir es doch mal so: Priester zu sein ist ein ungemein anspruchsvoller, vielseitiger und erfüllender Beruf. Vielleicht trauen sich dann ja wieder mehr junge Männer diesen Schritt zu. Es sollte doch noch Möglichkeiten zwischen Berufungsmonstranz und Abschaffung des Zölibats geben, um ihr Interesse zu steigern. Denn auch das muss klar sein: Die Familien, von denen es jetzt immer wieder heißt, sie sollten bitte Berufungen fördern, können nicht mehr tun, als eine katholische Sozialisation zu bieten - und das ist heute schon viel.
Jahre nach dem Gespräch mit meinem Großonkel war ich zu seinem Goldenen Priesterjubiläum eingeladen. Ich werde diesen Empfang im Pfarrsaal von Sankt Foillan im Schatten des Aachener Doms nie vergessen: die Leute aus seiner Gemeinde, in der er mehr als 20 Jahre als Pfarrer gewirkt hat, wie sie ihm dankten, ihm gratulierten, in einer Herzlichkeit, die mich nachdenklich machte: In welchem Beruf, fragte ich mich, wirst Du je so etwas erleben, wenn Du ein Dienstjubiläum feierst?
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