Jesuit Kiechle für Weihe von Frauen und Verheirateten
Der ehemalige Provinzial der Deutschen Provinz der Jesuiten, Stefan Kiechle, plädiert für eine Öffnung der Priesterweihe für verheiratete Männer und Frauen. "Bleibt man beim zölibatären Männerklerus, so verstärkt sich in diesen Mangelzeiten der Eindruck, hier wolle eine boygroup ihre Macht erhalten. Hinzu kommt für manche der Eindruck sexueller Unreife", schreibt der Chefredakteur der "Stimmen der Zeit" in der Mai-Ausgabe seiner Zeitschrift.
Der Jesuit spricht von einem "dramatischen Rückgang der Priester". "Wie überall helfen pensionierte Priester aus - die moderne Medizin hilft ja ganz gut, Krisen zu verzögern, für einige Jahre", so Kiechle, der von 2010 bis 2017 Chef der deutschen Jesuiten war. Es gebe Strukturreformen wie etwa im Bistum Trier, wo aus 863 Pfarreien 35 gemacht worden seien. Doch schon die wenigen Pfarreien seien nur schwer zu besetzen. Außerdem müssten Pfarrer sehr viel verwalten. "In 15 oder 20 Jahren - unter 40-jährige Priester oder gar Seminaristen gibt es ja kaum noch - wird auch diese 'Struktur' wegbrechen", glaubt Kiechle. Damit entfalle jedoch die Eucharistie, immerhin "Quelle und Höhepunkt kirchlichen Lebens" (Vat. II), und damit die "sakramentale Grundstruktur der Kirche".
Das Nachdenk- und Redeverbot von Johannes Paul II.
Über die Zulassung von verheirateten Männern zu den heiligen Weihen dürfe man neuerdings wieder öffentlich reden, sagt der Jesuit. Dieser vermutlich gute Schritt würde in seinen Augen jedoch nicht nur Probleme lösen, "sondern auch neue schaffen". Die Frauen würden dagegen rebellieren, glaubt er. "Noch mehr Männer am Altar, das ertrage ich nicht; warum nutzt man nicht die Gelegenheit, endlich Frauen zu weihen?" Ob sich das von Papst Johannes Paul II. verhängte Nachdenk- und Redeverbot über die Frauenweihe "in aufgeklärten Zeiten" ernsthaft durchsetzen lasse, sei für ihn fraglich.
Kiechle ist klar, dass bei Änderungen der Zulassungsbedingungen unweigerlich "das Geheul in den reaktionären, medial sehr effizienten Netzwerken" käme, die "Lehre der Kirche" werde zersetzt und das Abendland gehe unter. Die in der Leitungsebene gefürchtete Abspaltung von Traditionalisten würde der Jesuit allerdings in Kauf nehmen wollen. "Das gab es in der Geschichte öfters, und wäre diese wirklich so gravierend?" Für Kirche ist "die eucharistische Austrocknung der Kirche" ein größerer und schwerer zu verantwortender Schaden. Gerade hier müsse es doch einen Aufschrei der "Traditionshüter" geben.
Nicht zwingend eine weltkirchliche Lösung
Für Kiechle braucht es in der Weihefrage jedoch nicht zwingend eine weltkirchliche Lösung. "Könnten nicht regionale Kirchen - im Zug der vom Papst Franziskus angeregten Dezentralisierung - abgestimmt, aber eigenverantwortlich einige Schritte vorangehen?", fragt er. "Katholisch" bedeute doch immer auch strukturelle Vielfalt, Integration von Kulturen, geistliche Kreativität, elegante und den lokalen Bedürfnissen angepasste Lösungen. "Die Bischöfe sind hier am Zug."
Die Weihe pastoral erfahrener, verheirateter Männer – sogenannter viri probati – wird in der Kirche seit Längerem intensiver diskutiert. Beobachter erwarten, dass die Frage bei der Bischofssynode zur Lage der Kirche in Amazonien im Jahr 2019 eine zentrale Rolle spielen wird. Nach derzeitiger Lehre der Kirche können Bischofs- und Priesterweihe nur unverheirateten Männern gespendet werden. Während manche Theologen dem Zölibat für dogmatisch nicht notwendig erachten, hatte Papst Johannes Paul II. im Jahr 1994 die Weihe von Frauen für endgültig ausgeschlossen erklärt. (kim/bod)