Ex-Bundesverfassungsrichter sieht keinen Widerspruch zum Grundgesetz

Di Fabio: Kreuz-Beschluss nicht verfassungswidrig

Veröffentlicht am 02.05.2018 um 15:15 Uhr – Lesedauer: 
Justiz

Hamburg ‐ Der Würzburger Staatsrechtler Horst Dreier hatte den Kreuz-Beschluss in Bayern als "verfassungsrechtlich heikel" bezeichnet. Der ehemalige Bundesverfassungsrichter Udo di Fabio sieht das anders.

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Der ehemalige Richter am Bundesverfassungsgericht, Udo di Fabio, hält den Kreuz-Beschluss der bayerischen Landesregierung nicht für verfassungswidrig. "Von einer klaren Verfassungswidrigkeit des Söderschen 'Kreuzzugs' mit der verwaltungsinternen Vorschrift, im Eingangsbereich von Dienststellen des Landes ein Kreuz anzubringen", könne mit Blick auf die bisherige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts "keine Rede sein", schreibt di Fabio in einem Gastbeitrag für die Wochenzeitung "Die Zeit" (Donnerstag).

Keine "weltanschauliche oder religiöse Indoktrination"

Von einem schlichten Kreuz gehe keine "weltanschauliche oder religiöse Indoktrination" aus; entsprechend sei die neue Regelung mit dem Grundgesetz konform. Das deutsche Verfassungsrecht erlaube es dem Staat, so di Fabio weiter, religiöse Symbole und Botschaften zu übernehmen, "solange das nicht Parteinahme oder gar theologische oder inhaltliche Positionierung bedeutet".

Mit Blick auf muslimische Einwanderer stellt di Fabio laut Zeitung die Überlegung an, dass diese - aufgrund ihrer eigenen kulturellen Prägung - für ihre Kinder häufig eine christliche Erziehung in Schulen und Kindergärten jener in betont nicht-religiösen staatlichen Einrichtungen vorzögen. "Manche muslimische Familie will ganz gewiss keinen Beitrag im antiwestlichen Kulturkampf fundamentalistischer Strömungen leisten, aber sie fürchtet dennoch eine 'gottlose' Gesellschaft mehr als jede konkurrierende Religion."

Udo di Fabio ist ehemaliger Richter am Bundesverfassungsgericht.
Bild: ©KNA

Udo di Fabio war von 1999 bis Dezember 2011 Richter am Bundesverfassungsgericht.

Ex-Richter di Fabio bezieht sich in seinem Gastbeitrag auf den Kabinettsbeschluss der bayerischen Landesregierung unter CSU-Ministerpräsident Markus Söder. Demzufolge soll ab Juni 2018 in den Eingangsbereichen aller Landesbehörden ein Kreuz aufgehängt werden. Söders Vorstoß hatte in den vergangenen Tagen für massive Kritik aus Politik und Kirchenkreisen gesorgt.

Staatsrechtler Dreier beurteilt den Beschluss anders

Der Würzburger Staatsrechtler Horst Dreier hatte in der vergangenen Woche eine Verfassungsklage gegen den bayerischen Kabinettsbeschluss zu Kreuzen in Amtsstuben für wahrscheinlich gehalten. "Es würde mich wundern, wenn die Sache nicht vor Gericht landet", sagte Dreier im Interview der Würzburger "Main-Post". Er selbst halte den Beschluss "rechts- und integrationspolitisch für ein verheerendes Signal und verfassungsrechtlich für mindestens sehr heikel".

Das Gebot religiös-weltanschaulicher Neutralität im Grundgesetz schließe es aus, in allen Behörden Kreuze als Symbol einer bestimmten Religion aufzuhängen, auch wenn es die Mehrheitsreligion sei, so Dreier. "Das Neutralitätsgebot fordert vom Staat, sich gerade nicht mit einer bestimmten Religion oder Weltanschauung zu identifizieren." Die neue bayerische Regelung verletze dies in zentraler Weise. (bod/KNA)