Journalistenlehrer und Konzilsreporter
TV-Entertainer Thomas Gottschalk war da, auch Kardinal Reinhard Marx, aber den längsten Applaus erhielt der schmächtige, kleine Mann zwischen den beiden Großprominenten: Wolfgang Seibel. Als die katholische Journalistenschule ifp Ende Januar in München ihr 50-jähriges Bestehen feierte, ließ das Publikum vor allem deren Gründungsdirektor hochleben. Dabei ist der Jesuit seit 1991 gar nicht mehr im Amt. Am 3. Mai wird der Ordensmann 90 Jahre alt.
Der gebürtige Pfälzer wurde nachhaltig vom Zweiten Vatikanischen Konzil (1962 bis 1965) geprägt. In dieser epochalen Bischofsversammlung fand die katholische Kirche aus ihrer Abwehrhaltung gegenüber der modernen Gesellschaft, anderen Christen und Religionen heraus. Das Konzil propagierte den Dialog mit allen Menschen guten Willens.
Dieses Programm überzeugte den jungen Jesuiten, der gerade seine Lebensaufgabe in der katholischen Publizistik zu finden begann. Als Herausgeber und Chefredakteur der Ordenszeitschrift "Stimmen der Zeit" und - sozusagen im Nebenjob - als Leiter des von den deutschen Bischöfen gegründeten "Instituts zur Förderung publizistischen Nachwuchses" (ifp) in München, blieb er den Intentionen des Konzils treu.
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Den Zweiten Weltkrieg hatte Seibel noch als Luftwaffenhelfer miterleben müssen. Ein der Zentrumspartei verbundenes antinazistisches Elternhaus und die Katholische Jugendbewegung beförderten seinen Entschluss, nach dem Abitur 1947 ein Theologiestudium an der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom aufzunehmen. Dort wurde er 1953 auch zum Priester geweiht und schrieb eine Doktorarbeit über die Theologie der Kirchenväter. Das Konzil begleitete Seibel zwischendurch als Berichterstatter und theologischer Berater der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).
Keine trojanischen Pferde in die Redaktionen schicken
Neben dem Konzil waren es Theologen wie sein Ordensbruder Karl Rahner, die sein Denken mitbestimmten. An Rahner schätzte Seibel vor allem dessen Offenheit und Bereitschaft, sich mit humanwissenschaftlichen Erkenntnissen auseinanderzusetzen, mit gesellschaftlichen Trends und mit allen Fragen, die Menschen wirklich bedrängen.
Warum die Vorbereitungskommission für die Gründung des ifp 1968 ihn als ersten Leiter vorschlug, weiß Seibel bis heute nicht. Freie und auch gegenüber der Kirche kritische Journalisten ausbilden, das war eine Aufgabe, die ihn schon von seinem Naturell her begeisterte. Dem Jesuiten ging es nie darum, irgendwelche trojanischen Pferde in den Redaktionen unterzubringen. "Das Ziel", sagte er, "sind Journalisten, die ihre Überzeugung vertreten, argumentativ, nicht doktrinär."
Linktipp: Journalistenausbildung mit dem Priester am Tisch
Seit 50 Jahren bildet die katholische Kirche Journalisten aus. Am ifp haben namhafte Moderatoren, Chefredakteure und Intendanten ihr Handwerk gelernt. Und dort werden die Weichen für die Zukunft gestellt. (Artikel vom Januar 2018)Manchen erschien diese Ausrichtung bisweilen zu links oder zu liberal, doch der Pater wusste die Bischofskonferenz und insbesondere den damaligen Vorsitzenden der Publizistischen Kommission, den Rottenburg-Stuttgarter Bischof Georg Moser, stets hinter sich. 1991 zog sich der Ordensmann mit 63 Jahren von der Spitze des ifp zurück. "Man soll immer dann gehen, wenn mindestens einer sagt: schade", sagt Seibel dazu heute. Tatsächlich war die von manchen inzwischen "Seibel-Institut" genannte Einrichtung zu groß geworden, um sie nebenamtlich zu führen.
Dass der Pfälzer bis dahin Generationen katholischer Journalisten nachhaltig geprägt hatte, das haben sie ihn Ende Januar in München noch einmal lautstark spüren lassen. Der so Geehrte nutzte die Gelegenheit, die Bedeutung der Meinungs- und Pressefreiheit auch für die Kirche in Erinnerung zu rufen. Schließlich handle es sich dabei um von der Verfassung geschützte Grundrechte. Darüber hinaus habe das Konzil die Kirche aufgefordert, sich um "Reinigung, Buße und Erneuerung" zu bemühen. Deshalb sollten Kirchenleute dankbar sein für Kritik, denn dann könnten sie beweisen, wie ernst es ihnen mit dem Willen zu Reformen sei. Kardinal Marx widersprach ihm nicht.