Irland hält Referendum über Streichung von Verfassungszusatz

Die Iren stimmen ab: Werden Abtreibungen legal?

Veröffentlicht am 25.05.2018 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 
Lebensschutz

Dublin ‐ In Irland sind Abtreibungen per Verfassung weitgehend verboten. Es ist eine der strengsten Regelungen zum Lebensschutz weltweit. Am Freitag sollen die Iren über deren Erhalt abstimmen.

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Am diesem Freitag werden die Iren über die Streichung des achten Verfassungszusatzes entscheiden. Der betreffende Artikel stellt bislang das Lebensrecht des ungeborenen Kindes mit dem der Mutter gleich. Sollte die irische Bevölkerung für eine Streichung votieren, ist eine Legalisierung von Abtreibungen bis zur zwölften Schwangerschaftswoche vorgesehen.

Bis dato hat Irland eines der strengsten Abtreibungsgesetze der Welt. Ein Schwangerschaftsabbruch ist auch nach einer Vergewaltigung, Inzest oder bei einer schweren Missbildung des Fötus nicht erlaubt. Es drohen bis zu 14 Jahre Gefängnis. Erlaubt sind Abtreibungen - allerdings erst seit 2014 - nur dann, wenn das Leben der Mutter bedroht ist.

Tod einer Schwangeren sorgt für Aufschrei

Noch 2012 kam eine indische Zahnärztin ums Leben, nachdem ihr mit Verweis auf die Rechtslage eine Abtreibung verweigert wurde. Savita Halappanavar hatte in der 17. Schwangerschaftswoche eine Infektion der Plazenta, die zu einer Fehlgeburt und einer Sepsis führte. Doch da das Herz des Babys noch schlug, griffen die Ärzte nicht ein. Die 31-Jährige starb kurz darauf an der Blutvergiftung.

Der Fall sorgte für einen Aufschrei und setzte - wie auch wiederholte Mahnungen der UN und des Europäischen Menschengerichtshofs - die irische Regierung unter Druck, ein Referendum zum Abtreibungsgesetz anzuberaumen. 2016 hatte der UN-Menschenrechtsausschuss geurteilt, dass das Abtreibungsgesetz in Irland "grausam, unmenschlich und erniedrigend" sei und gab einer Frau Recht, die für die Abtreibung eines nicht lebensfähigen Fötus ins Ausland gereist war und auf Schadenersatz geklagt hatte.

Ein Gynäkologenstuhl in einer Zagreber Klinik.
Bild: ©picture alliance / PIXSELL / Sanjin Strukic

Irland hat eines der schärfsten Abtreibungsverbote der Welt. Zahlreiche schwangere Frauen reisen daher ins Ausland, um dort Ihre ungeborenen Kinder abtreiben zu lassen.

Das Ja-Lager in Irland argumentiert, dass Frauen das Recht haben sollten, über ihren Körper zu entscheiden. Das Nein-Lager verschließe seine Augen vor der Realität: Der Verfassungszusatz verhindere Abtreibungen nicht, sondern fördere vielmehr "Abtreibungstourismus". Laut Schätzungen von Amnesty International reisen täglich mindestens zehn Frauen aus Irland nach England, um dort eine Abtreibung vornehmen zu lassen. Wer sich die ohnedies traumatische Reise nicht leisten könne, besorge sich aus Verzweiflung illegal Abtreibungspillen im Internet. Irlands Ministerpräsident Leo Varadkar setzt sich daher offen für eine Verfassungsänderung ein, damit Abtreibungen "sicher, legal und selten" werden. Das Referendum versteht der Mediziner als einen wichtigen Schritt zum "Erwachsenwerden Irlands".

Bischöfe warnen vor Dammbruch

Abtreibungsgegner warnen dagegen vor einem leichtfertigen Umgang mit Schwangerschaftsabbrüchen. Die katholische Kirche befürchtet einen "Dammbruch" in Sachen Lebensschutz. Die Gesellschaft dürfe nicht akzeptieren, "dass ein Mensch das Recht habe, das Leben eines anderen zu beenden", so der Vorsitzende der Bioethik-Kommission der Irischen Bischofskonferenz, Bischof Kevin Doran von Elphin, in einem Hirtenbrief. In einer gemeinsamen Stellungnahme vom März ermutigte die Bischofskonferenz alle Katholiken, sich "im Namen von Gleichheit, Fairness und Mitgefühl für jedermann" für das "Recht auf die Wahrung des Lebens" einzusetzen und "das Leben zu wählen". Auch nach Vergewaltigungen und bei schweren Behinderungen des Embryos dürfe man nicht vergessen: "Diese Kinder sind unschuldig und haben Anspruch auf die beste Unterstützung und Fürsorge."

Linktipp: Mit Hirtenbriefen gegen neues Abtreibungsgesetz

Irland entscheidet im Mai per Referendum über eine Lockerung seines Abtreibungsgesetzes. Die irischen Oberhirten sehen jedoch nicht tatenlos zu und wenden sich mit Hirtenbriefen an ihre Landsleute. (Artikel von April 2018)

Erst kürzlich begründete Irlands Primas und Erzbischof von Dublin, Diarmuid Martin, in einer Botschaft seine Nein-Stimme: Es sei widersinnig, den Verfassungsschutz für das ungeborene Kind in einer Zeit "wegzuwerfen", in der man durch medizinischen Fortschritt mehr als je zuvor über die Entwicklung des Babys im Mutterleib und "dessen Originalität und einzigartige Identität" wisse. Auch der Primas der anglikanischen Kirche von Irland, Richard Clarke, nannte die Abschaffung des Zusatzartikels "ethisch nicht tragbar".

Vorsprung für Befürworter der Streichung schmilzt

Prognosen sahen lange einen deutlichen Vorsprung für die Befürworter von Abtreibungen, doch dieser schmilzt: Laut einer Umfrage von Sky News vom Montag unterstützen 47 Prozent der Befragten eine Reform. 37 Prozent möchten den Zusatzartikel unverändert in der Verfassung belassen. Ende Januar setzten sich noch 56 Prozent der Befragten für eine Lockerung des Abtreibungsgesetzes ein. Vor drei Jahren hatten sich die Iren in einem Referendum überraschend deutlich für die Homo-Ehe ausgesprochen. Seit einem Jahr hat Irland mit Leo Varadkar einen Ministerpräsidenten, der homosexuell ist und indische Wurzeln hat. Jetzt steht die nächste große Entscheidung für die Iren an.

Von Kristina Moorehead (KNA)