Franziskus, die Homosexualität und ein Problem
"Wer bin ich, ihn zu verurteilen?" Dieses Zitat von Franziskus zum Thema Homosexualität aus seinem ersten Amtsjahr ist eines seiner bekanntesten überhaupt. Von manchen vorschnell als Trendwende in der katholischen Lehre missverstanden steht es doch für einen neuen Ton in päpstlichen Äußerungen. Ähnlich der Satz, von dem Juan Carlos Cruz, chilenisches Opfer sexuellen Missbrauchs, unlängst im Interview aus einem persönlichen Gespräch mit Franziskus berichtete: "Er hat mir gesagt: Juan Carlos, dass du schwul bist, spielt keine Rolle. Gott hat dich so geschaffen. Gott liebt dich so. Der Papst liebt dich so."
Während einige fundamentalistische Blogger darin päpstliche Häresie witterten, kommentierte der nicht gerade als liberal bekannte Erzbischof von New York, Kardinal Timothy Dolan: "Was der Papst sagte, ist wunderbar, finden Sie nicht? Das würde ich auch sagen. Das ist konservative, traditionelle, katholische und rechtgläubige Lehre." Solch wertschätzende Rede ist das eine. Das andere sind Meldungen über Homosexualität im Zusammenhang mit Missbrauch und mutmaßlichen Schwulen-Lobbys.
Angst vor der Kompromittierung
In diesem Zusammenhang fiel übrigens auch das berühmte "Wer bin ich, ihn zu verurteilen?"-Zitat. Gefragt worden war der Papst von Journalisten nach homosexuellen Netzwerken und einer Schwulen-Lobby im Vatikan. In seiner Antwort unterschied er dann auch: Homosexuelle Orientierung sei das eine, etwas anderes der Bruch des priesterlichen Keuschheitsgelübdes und ein Drittes, intime Beziehungen für Netzwerke zu nutzen. "Das Problem ist, wenn man mit dieser Tendenz eine Lobby macht."
Aus eben diesem Grund warnte der Papst in der vergangenen Woche laut dem Internetportal "Vatican Insider" in seinem Gespräch mit Italiens Bischöfen: "Wenn es nur geringste Zweifel gibt, nehmt sie besser nicht auf." "Tief sitzende" homosexuelle Neigungen und die Praxis "homosexueller Handlungen", so der Papst, könnten das Seminar sowie den jungen Mann und seinen möglichen Priesterberuf selbst kompromittieren.
Die Worte, mit denen der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Kardinal Gualtiero Bassetti, später dem Papst beipflichtete, waren noch drastischer: "Der Papst hat Recht: In den Seminaren gibt es schmutziges Wasser, das entfernt werden muss." Entsprechend empörte sich das italienischen Schwulen-Portal "Gayburg": "Die Kirche von Papst Franziskus bereitet sich also vor, wieder Hass und Gewalt gegen Schwule zu fördern."
Gleichwohl ist auch im Bericht der Sonderermittler im chilenischen Missbrauchsskandal unter anderem von Homosexualität die Rede. Franziskus erwähnte dies in dem Text, den er den chilenischen Bischöfen bei ihrem Treffen im Vatikan gab. Bei vielen Tätern habe sich gezeigt, dass es bereits in ihrer Ausbildung Probleme gab. So nannte der Papst "ernste Vorwürfe gegen Bischöfe und Ordensobere, von denen es heißt, mit der Leitung dieser Ausbildungsstätten hätten sie Priester betraut, die aktiv gelebter Homosexualität verdächtigt würden".
Keine korrekten Beziehungen zu Männern und Frauen?
Seither gibt es aus Chile neue Meldungen über angebliche Netzwerke homosexueller Kleriker. Natürlich, das sagte auch der Papst, ist Homosexualität nur einer von vielen Aspekten des Missbrauchsskandals. In kirchlichen Internaten und Seminaren gibt es vor allem Fälle sogenannter Ephebophilie, der sexuellen Präferenz für Jugendliche. In diesem Alter können junge Menschen nach Aussagen von Fachleuten besonders leicht Opfer von Übergriffen werden.
Gegenüber Italiens Bischöfen bestätigte Franziskus indes nur, was die vatikanische Bildungskongregation schon 2005 in ihrer "Instruktion zur Berufungsklärung von Personen mit homosexuellen Tendenzen" schrieb: Die Kirche könne "bei aller Achtung der betroffenen Personen - jene nicht für das Priesterseminar und zu den heiligen Weihen zulassen kann, die Homosexualität praktizieren, tiefsitzende homosexuelle Tendenzen haben oder eine sogenannte homosexuelle Kultur unterstützen". Der Grund: Homosexuelle seien "in schwerwiegender Weise daran hindert, korrekte Beziehungen zu Männern und Frauen aufzubauen". Die negativen Folgen solcher Weihen seien nicht zu übersehen. Nicht nur Vertreter von Homosexuellen-Verbänden kritisierten dies damals als diskriminierend und falsch.