Bischof Gerhard Feige über die Bedeutung von Karfreitag

Ecce Homo!

Veröffentlicht am 18.04.2014 um 00:00 Uhr – Von Gerhard Feige – Lesedauer: 
Karfreitag

Magdeburg ‐ Der Karfreitag ist der Tag des Gedenkens an die Kreuzigung Jesu. Es ist ein Tag der Trauer, aber auch ein Tag der Hoffnung. In einem Beitrag für katholisch.de beleuchtet Bischof Gerhard Feige die Bedeutung von Karfreitag.

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Ohne Zweifel ist der Karfreitag im Laufe des Kirchenjahres ein ungewöhnlicher Tag. Seinen Namen hat er vom althochdeutschen "kara", und das bedeutet Trauer oder Klage. Er ist ein Tag des Fastens. An ihm wird auch nach ältester Überlieferung keine Eucharistie gefeiert.

Stattdessen findet zur Todesstunde Jesu ein längerer Wortgottesdienst statt, der auf viele archaisch wirkt und doch unter die Haut gehen kann. Auffällig sind vor allem die jährlich wiederkehrenden Großen Fürbitten in den klassischen Anliegen unserer Kirche und die besondere Verehrung des Kreuzes durch alle Gläubigen mit einer Kniebeuge oder einem anderen Zeichen. Den Höhepunkt bildet freilich die Verkündigung der Leidensgeschichte Jesu - an diesem Tag immer nach dem Evangelisten Johannes.

Heutzutage lässt sich seine Botschaft vielleicht so umschreiben: Wie grausam und brutal können doch Menschen sein! Manche Filme über die Passion Christi führen das fast bis ins Unerträgliche vor Augen. Ob Römer, Germanen oder Türken, keines dieser Völker ist davon frei zu sprechen. Besonders belastend ist der Holocaust in Erinnerung, die Ermordung von Millionen Juden durch die Faschisten. Und auch die Kommunisten stalinscher Prägung haben unzählige Menschen auf dem Gewissen, wenn sie denn überhaupt eines hatten. Und war es nicht erst vor wenigen Jahren, als sich Hutus und Tutsis in Afrika abschlachteten und auf dem Balkan abgrundtiefer Hass seine Opfer forderte. Unmenschlichkeit ist aber nicht nur eine Eigenschaft der Vergangenheit. Auch heute kann man davor erschrecken, wozu Menschen - selbst gegenüber wehrlosen Kindern und Alten - fähig sind!

Bischof Gerhard Feige
Bild: ©dpa/Peter Förster

Der Magdeburger Bischof Gerhard Feige ist Vorsitzender der Ökumenekommission.

Seht die Menschen, die den Weg Jesu säumen: nicht alle grausam und brutal, aber doch manipulierbar, berechnend, voller Angst, höhnisch und zum Verrat fähig und bereit! Ist das der Mensch als Ebenbild Gottes?

Wenn die alten Philosophen Kant und Hegel Recht behalten hätten, dann hätte die voranschreitende Aufklärung den Menschen immer freier, vernünftiger und gerechter machen müssen. Stattdessen steigen aber wachsend aus seiner Tiefe jene Dämonen auf, die wir so eifrig totgesagt haben. Müssen wir Menschen nicht nach wie vor Angst vor unserer eigenen Macht und Ohnmacht empfinden: vor der Macht zu zerstören und vor der Ohnmacht, sich selbst zu begreifen und der eigenen Unmenschlichkeit Herr zu werden?

Die unberechenbare und unheimliche Macht des Bösen steckt in jedem Menschen. So sagte auch der russische Schriftsteller Alexander Solschenizyn einmal: "Allmählich wurde mir offenbar, dass die Linie, die Gut und Böse trennt, nicht zwischen Staaten, nicht zwischen Klassen und nicht zwischen Parteien verläuft, sondern quer durch jedes Menschenherz. Diese Linie ist beweglich, sie schwankt im Laufe der Jahre. Selbst in einem vom Bösen besetzten Herzen hält sich ein Brückenkopf des Guten. Selbst im gütigsten Herzen - ein uneinnehmbarer Schlupfwinkel des Bösen."

Der Autor

Gerhard Feige (*1951) ist seit 2005 Bischof von Magdeburg. Außerdem ist er Vorsitzender der Ökumenekommission der Deutschen Bischofskonferenz.

Inmitten dieses menschlichen Dilemmas wird am Karfreitag ein anderes Bild des Menschen aufgerichtet. Ecce homo! Seht den Menschen! Seht das "Haupt voll Blut und Wunden"! Seht diesen Jesus von Nazareth, dessen Leben vor etwa 2.000 Jahren am Kreuz endete, der - rein innerweltlich betrachtet - gescheitert ist und dennoch bis heute für viele das Maß der Menschenfreundlichkeit darstellt! Seht, wozu der Mensch auch fähig ist!

Was ein wirklicher Mensch ist, zeigt sich nicht unbedingt im Glück, sondern erst im Leid - in der tiefsten Ohnmacht und Erniedrigung. Ohne Macht - erscheint Jesus dennoch als souverän. Von den Freunden verlassen - sagt er sich doch nicht von ihnen los. Geschlagen, verspottet und verhöhnt – bleibt er dennoch gelassen. Seine grenzenlose Liebe macht auch vor denen nicht Halt, die ihn dem Tod überliefern.

Wir sehen den leidenden und gequälten Menschen. Wir sehen aber auch die verborgene Größe und Herrlichkeit. Wir sehen in ihm das wahre Bild des Menschen, das authentische Ebenbild Gottes. Und so wird für uns das Schandzeichen des Kreuzes zum Siegeszeichen und zum Wegweiser der Nachfolge. So wird für uns der leidende Gottesknecht zum König auf dem Kreuzesthron und Abbild des neuen Menschen. Wie hoffnungslos wäre es in unserer Welt ohne diese Alternative! In diesem Sinne können Christen auch vertrauensvoll singen: Im Kreuz ist Heil, im Kreuz ist Leben, im Kreuz ist Hoffnung!

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Video: © katholisch.de

Die Finsternis geht vorüber: Animation zu Karfreitag

Stichwort: Karfreitag

Der Karfreitag ist der Tag des Gedenkens an die Kreuzigung Jesu. Der Name des Tages leitet sich vom althochdeutschen Wort "kara" ab und bedeutet Trauer. Der Karfreitag wird als Fasttag und - im Zeichen der Trauer - in Stille und Besinnlichkeit begangen. Am Nachmittag (meist um 15 Uhr) versammeln sich katholische Christen zum Wortgottesdienst mit Verlesung der Passionsgeschichte, zur Kreuzverehrung (das mit einem violetten Fastentuch bedeckte Kreuz wird enthüllt und durch Kniebeugen verehrt) und zur anschließenden Kommunionfeier. In vielen Gemeinden finden am Morgen des Karfreitags Kreuzwegandachten statt. (stz)
Von Gerhard Feige