Ministerpräsident Söder vereidigt Franz Jung

Warum Würzburgs neuer Bischof Bayern Treue schwört

Veröffentlicht am 05.06.2018 um 17:24 Uhr – Lesedauer: 
Kirche

Bonn ‐ Franz Jung wurde heute von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder vereidigt. Deutschland ist neben Luxemburg das einzige Land weltweit, in dem es einen solchen Treueid noch gibt. Doch auch hierzulande wird Kritik laut.

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Noch bevor Franz Jung an diesem Sonntag in Würzburg zum Bischof geweiht wird und der Kirche, dem amtierenden Papst und dessen Nachfolgern die Treue schwört, musste er heute einen Treueid auf den Freistaat Bayern und die Bundesrepublik Deutschland ablegen. Vereidigt hat ihn Bayerns Ministerpräsident Markus Söder persönlich.

Die Eidesformel, die Jung dazu mit der rechten Hand auf einer schwarz eingebundenen Bibel sprach, stammt aus dem Reichskonkordat vom 20. Juli 1933. Dieser bis heute verbindliche Staatskirchenvertrag wurde nach längeren Verhandlungen, die bereits in der Weimarer Republik begonnen hatten, von der Reichsregierung unter Adolf Hitler mit dem Heiligen Stuhl abgeschlossen. Darin heißt es in Artikel 16: „Bevor die Bischöfe von ihrer Diözese Besitz ergreifen, leisten sie [...] einen Treueid nach folgender Formel: 'Vor Gott und auf die heiligen Evangelien schwöre und verspreche ich, so wie es einem Bischof geziemt, dem Deutschen Reich (heute: der Bundesrepublik Deutschland) und dem Lande N.N. (Name des Bundeslandes) Treue'."

Der neue Bischof verspricht überdies, "die verfassungsmäßig gebildete Regierung zu achten und von meinem Klerus achten zu lassen". Zudem sagt der künftige Bistumsleiter zu, alles zu verhüten, was "Wohl und Interesse des deutschen Staatswesens" schaden könnte. Das bayerische Konkordat von 1924 sah wie auch das preußische (1929) und badische (1932) keinen Treueeid des Bischofs gegenüber dem Staat vor. In diesem Fall gilt jedoch das Reichskonkordat.

Hitler hatte 1933 ein besonderes Interesse daran, einen Treueeid der Bischöfe im Konkordat zu verankern. Denn der Staatskirchenvertrag enthielt ein Verbot der Mitgliedschaft in politischen Parteien und jeder parteipolitischen Betätigung für Kleriker. Durch ihren Treueid verpflichteten sich die Bischöfe somit auch, ihren Priestern dies zu untersagen. Die Entpolitisierung des katholischen Klerus, der sich bis dahin oft in der katholischen Zentrumspartei oder ihrer Schwester, der Bayerischen Volkspartei, engagiert hatte, war ein zentrales Ziel Hitlers in den Verhandlungen mit den kirchlichen Vertretern. Allerdings war es keineswegs so, dass der Eid erst auf Hitlers Betreiben im Reichskonkordat festgeschrieben wurde. Eine solche Bestimmung war bereits im ersten Entwurf für ein Konkordat aus dem Jahr 1922 enthalten. Die deutschen Bischöfe stimmten der heute noch verwendeten Eidesformel des Reichskonkordats am 17. Juli 1933 zu, weil sie im Vergleich zu anderen Konkordaten nichts Ungewöhnliches enthalte, wie der damalige Erzbischof von München und Freising, Kardinal Michael von Faulhaber an Kardinalstaatssekretär Eugenio Pacelli schrieb.

Unterzeichnung des Reichskonkordats am 20. Juli 1933 im Vatikan.
Bild: ©Bundesarchiv

Franz von Papen (2. von links) und Eugenio Pacelli (am Kopfende sitzend) unterzeichneten am 20. Juli 1933 im Vatikan das Reichskonkordat zwischen dem Vatikan und Nazi-Deutschland.

Das erste Mal in einem Konkordat festgeschrieben worden war eine bischöfliche Eidesformel gegenüber dem Staat 1801 im Konkordat mit Frankreich. Seinen Ursprung hat der Treueid aber bereits in der Spätantike, im Oströmischen Reich.

Heute allerdings ist der bischöfliche Treueeid eine deutsche Besonderheit. In sämtlichen anderen Staaten, die im 19. und 20. Jahrhundert ein solches Rechtsinstitut kannten, ist es nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil auf Drängen des Heiligen Stuhls abgeschafft worden. Nur in Luxemburg legen die Bischöfe ebenfalls noch einen Treueid ab.

In Deutschland wurde der Treueid nach der Gründung der Bundesrepublik beibehalten, obwohl bis zur Bestätigung durch das Bundesverfassungsgericht im Jahr 1957 nicht endgültig feststand, ob das Reichskonkordat weiter Geltung hatte. Weil die katholische Kirche in Deutschland ein Interesse am Fortbestand dieses Vertrags hatte, erhielten die Treueide in den ersten Jahren der Bundesrepublik für sie eine besondere Bedeutung. Denn der deutsche Staat dokumentierte damit implizit, dass er sich weiterhin an diesen Staatskirchenvertrag gebunden fühlte.

In den vergangenen Jahrzehnten mehrten sich auch in Deutschland die Stimmen, die den Treueid für Bischöfe  für obsolet halten. Offensichtlich ist, dass er seine ursprüngliche Funktion längst verloren hat. Im Zeitalter der Glaubensspaltung und des Absolutismus verfolgten die Monarchen mit einem solchen Treueid das Ziel, die Loyalität der Bischöfe zu stärken, damit sie im Zweifelsfall den staatlichen Gesetzen den Vorrang vor dem Kirchenrecht gaben. Ebenfalls zum Funktionsverlust beigetragen hat, dass jeder Bischof heute als Staatsbürger ohnehin schon zur gewissenhaften Befolgung der Gesetze des Bundeslandes und der Bundesrepublik Deutschland verpflichtet ist. Der Treueid fügt dem inhaltlich nichts hinzu.

Manche Staatskirchenrechtler verweisen zudem darauf, dass ein solches Rechtsinstitut angesichts der in der Verfassung verbrieften Unabhängigkeit der Kirche nicht mehr zeitgemäß sei. Zudem sehen sie die Gefahr, dass hierdurch der falsche Eindruck einer teilweisen Abhängigkeit der Kirche vom Staat entstehe.

Auch  innerhalb der katholischen Kirche  scheint der Treueid kaum noch Fürsprecher zu haben. Der damalige Kurienkardinal Joseph Ratzinger, der als ernannter Erzbischof von München am 26. Mai 1977 selbst vor dem bayerischen Ministerpräsidenten Alfons Goppel den Treueid abgelegt hatte, betrachtete einen solchen Eid als anachronistisch. Einige neuere Staatskirchenverträge auf Länderebene verzichten daher mittlerweile ausdrücklich auf den Treueeid, wie etwa die Verträge des Heiligen Stuhls mit Hamburg (1994) oder dem Freistaat Sachsen und dem Heiligen Stuhl (1996).

Auch wenn er nur noch wenig Freunde hat - Für eine bundesweite Abschaffung des Treueids tritt kein Vertreter der katholischen Kirche öffentlich ein - weder in Rom noch in Deutschland. Das dürfte auch daran liegen, dass man keine schlafenden Hunde wecken möchte, die eine Abschaffung des bischöflichen Treueids zum Anlass für eine grundlegende Revision des Staat-Kirche-Verhältnisses nehmen könnten.

Von Thomas Jansen