Lokführer? Lehrer? Erzbischof!
Erst im vergangenen Juni konnte Hans-Josef Becker ein großes Jubiläum feiern: den 40. Jahrestag seiner Priesterweihe. "Ich blicke zurück auf ein sinnerfülltes Leben", hatte der Paderborner Erzbischof damals gegenüber katholisch.de gesagt. Diese Einstellung wird sich in der Zwischenzeit kaum geändert haben. Nun, nur ein knappes Jahr später, steht für den gebürtigen Westfalen gleich der nächste Jubeltag an: Denn Becker, der seit fast 15 Jahren eine der größten Diözesen Deutschlands leitet, vollendet am heutigen Freitag sein 70. Lebensjahr.
Der Weg an die Spitze eines Erzbistums war keineswegs vorgezeichnet: Hans-Josef Becker kommt am 8. Juni 1948 in Belecke bei Warstein zur Welt. Dass er ursprünglich Lokomotivführer werden wollte, war dem Sohn eines Eisenbahners gewissermaßen in die Wiege gelegt. Doch es sollte anders kommen: Nach dem Abitur 1967 entscheidet sich der im katholischen Sauerland aufgewachsene Becker für ein Pädagogikstudium und will zunächst Grund- und Hauptschullehrer werden. Nach dem Abschluss mit dem Zweiten Staatsexamen 1972 dann eine weitere Wende in seinem Leben: Becker verspürt den Wunsch, Priester werden – gereift war dieser Gedanke während des Lehramtsstudiums.
Kurzerhand schließt er ein Studium der Theologie und Philosophie in Paderborn und München an. Am 11. Juni 1977 empfängt er durch seinen Vorgänger im Bischofsamt, Erzbischof Johannes Joachim Degenhardt, die Priesterweihe im Hohen Dom zu Paderborn. In den folgenden 18 Jahren wirkt der Musik- und Literaturliebhaber als Geistlicher in Minden, als Vikar in Paderborn sowie als Pfarrer und Dechant in Lippstadt. In dieser Zeit kann Becker – der auch Mitglied der an der Spiritualität Charles de Foucaulds orientierten "Priestergemeinschaft Jesus Caritas" ist – breite seelsorgliche Erfahrungen sammeln.
Vom Seelsorger zum Personalchef
Im Jahr 1995 wechselt Becker dann vom Gemeindedienst in die kirchliche Verwaltung. Als Leiter der Zentralabteilung Pastorales Personal im Erzbischöflichen Generalvikariat Paderborn trägt er Verantwortung für die Seelsorger der Diözese. Im Dezember 1999 wird Becker von Papst Johannes Paul II. zum Weihbischof in Paderborn bestellt. Die Bischofsweihe spendet ihm am 23. Januar 2000 Erzbischof Degenhardt, Mitkonsekratoren sind die damaligen Paderborner Weihbischöfe Heinz Josef Algermissen und Reinhard Marx. Der bischöfliche Wahlspruch Beckers lautet "In verbo autem tuo" – "Auf dein Wort hin" (Lk 5,5).
Nach dem Tod des 2001 zum Kardinal kreierten Erzbischofs Degenhardt wählt das Paderborner Metropolitankapitel Becker im Juli 2003 zum neuen Oberhirten von Paderborn. Die Amtseinführung findet im September statt. Damit wird er zugleich Metropolit der mitteldeutschen Kirchenprovinz. Für das Bischofsamt konnten die lange Erfahrung als Gemeindepriester sowie seine Kompetenzen als Personalchef nur von Vorteil sein. Und auch das Pädagogikstudium entpuppte sich für seine Arbeit im Nachhinein als fruchtbar: In der Deutschen Bischofskonferenz ist Becker seit 2006 Vorsitzender der Kommission für Erziehung und Schule.
Auch in Zeiten tiefgreifender Veränderungen in der Kirche ist der Erzbischof kaum über die Zukunft seiner Diözese besorgt – und antwortet darauf mit Gottvertrauen: Schließlich habe Jesus Christus das Erzbistum Paderborn schon durch mehr als 1.200 Jahre Geschichte geführt, sagte er katholisch.de im vergangenen Jahr. Gleichwohl ist auch das altehrwürdige ostwestfälische Bistum – so wie alle deutschen Diözesen – nicht vor Veränderungen gefeit. So leitete Becker 2014 aufgrund demografischer und personeller Entwicklungen auch in Paderborn einen Umstrukturierungsprozess ein, der die insgesamt 666 Pfarrgemeinden in 111 Pastorale Räume zusammengefasst hat. Am Ende des Prozesses soll eine Gliederung des 1,5 Millionen Katholiken zählenden Erzbistums in 87 Seelsorgeeinheiten stehen.
Bescheiden und volksnah
Angesichts sinkender Priesterzahlen schreckt der Paderborner Erzbischof auch vor ungewöhnlichen Innovationen nicht zurück: Mit einem Ende 2017 erlassenen Diözesangesetz gibt es für alle Gemeinden in der Erzdiözese die Möglichkeit, Wort-Gottes-Feiern in der sogenannten "Warburger Form" zu feiern. Dabei handelt es sich um Wortgottesdienste ohne Priester, bei denen die Kommunion durch Laien gespendet wird. Die konsekrierten Hostien stammen dabei nicht aus dem Tabernakel, sondern werden von Kommunionhelfern aus Messen mitgebracht, die zur gleichen Zeit in benachbarten Kirchen gefeiert werden. Deutschlandweit ist dieses Modell einzigartig.
Becker ist auch nach fast anderthalb Dekaden als Erzbischof bodenständig, bescheiden und volksnah geblieben. Dass er den Kontakt zu den Menschen nicht aus den Augen verloren hat, zeigt er unter anderem jährlich durch seine Teilnahme am Paderborner "Libori"-Fest. Für die gute Zusammenarbeit zwischen der Kirche und dem Schaustellerwesen beim traditionellen Volksfest wurde Becker im vergangenen Jahr sogar mit der Auszeichnung "Goldenes Karussell" geehrt.
Auch wenn Becker sich weniger häufig öffentlichkeitswirksam zu Wort meldet als andere deutsche Oberhirten: Der Paderborner Erzbischof mischt sich in Debatten zu den ihm wichtigen Themen immer wieder ein. So fand er in jüngerer Vergangenheit deutliche Worte gegen Fremdenfeindlichkeit, wehrte sich gegen Vorwürfe eines Elitedenkens an katholischen Schulen und trat für den Schutz des menschlichen Lebens ein.
Seinen 70. Geburtstag begeht Hans-Josef Becker mit einem Dankgottesdienst in Paderborn. Und am 28. September kann auch schon das nächste Jubiläum gefeiert werden: Dann jährt sich der Tag seiner Amtseinführung als Erzbischof zum 15. Mal.