Die Chronik des vatikanischen Erneuerungsprozesses seit 2013

Kurienreform: Das haben Papst und K9-Rat bisher erreicht

Veröffentlicht am 18.06.2018 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 
Vatikan

Bonn ‐ Es ist das zentrale Projekt des Pontifikats von Papst Franziskus: die Kurienreform. Seit fünf Jahren arbeitet er mit seinen Beratern an dieser Mammutaufgabe. Katholisch.de fasst zusammen, was bisher erreicht wurde.

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Über 450 Stunden haben die Mitglieder des Kardinalsrates mittlerweile in die Kurienreform investiert. Dafür brauchte das päpstliche Gremium immerhin fünf Jahre und 25 Beratungsrunden. Wann die Mitglieder des K9-Rats, wie er kurz genannt wird, ihre Aufgabe erfüllt haben, ist bislang noch nicht abzusehen. Allerdings sind sie dem Ziel ihrer Arbeit nun einen entscheidenden Schritt näher gekommen: Bei ihrem jüngsten Treffen haben sie einen Entwurf für die neue Kurienkonstitution fertiggestellt, der nun dem Papst für weitere Überlegungen vorgelegt wird.

Ein neues Selbstverständnis für die Kirchenzentrale

"Praedicate Evangelium", "Verkündet das Evangelium", soll die neue Grundordnung für den Vatikan nach derzeitigem Stand heißen. Sie bildet das Herzstück der von Papst Franziskus angestrebten Kurienreform, denn mit ihr soll die grundsätzliche Arbeitsweise und auch das Selbstverständnis der Vatikanbehörden definiert werden. Derzeit arbeitet der Vatikan auf Grundlage der Apostolischen Konstitution "Pastor bonus" von Johannes Paul II. aus dem Jahr 1988. Zuvor hatte zuletzt Papst Paul VI. die Kurie nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil im Jahr 1967 grundlegend reformiert.

Für seinen Plan eines neuen Verwaltungsapparats berief Papst Franziskus im April 2013, nur einen Monat nach seiner Wahl, ein eigenes Beratergremium, bestehend ursprünglich aus acht Kardinälen. Dass unter ihnen mit Giuseppe Bertello, dem Präsidenten der vatikanischen Staatskommission, anfänglich nur ein Kurienkardinal war, konnte schon damals als Zeichen des päpstlichen Wunsches gewertet werden, die Kurie nicht zu schonen. Die Verhältnisse änderten sich etwas im Jahr 2014: Im Februar holte Papst Franziskus George Pell, bislang Erzbischof von Sydney, in den Vatikan und im Juli wurde Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin Vollmitglied im Kardinalsrat. Mit sechs von neun sind jedoch nach wie vor die meisten Ratsmitglieder aktive oder ehemalige Diözesanbischöfe.

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Schon zur ersten Sitzung des Gremiums im September 2013 wurde betont, dass sein Ziel eine umfassende Revision von "Pastor bonus" sein sollte. Auf dem Weg dorthin zeigt sich die Kurienreform bislang allerdings als Prozess mit vielen kleinen oder auch größeren Zwischenschritten. So lag bereits nach drei Sitzungsrunden des Rates das erste große Umbauprojekt auf dem Tisch. Im Februar 2014 rief Papst Franziskus einen neuen Wirtschaftsrat unter dem Vorsitz des Münchner Erzbischofs, Kardinal Reinhard Marx, sowie ein zugehöriges Wirtschaftssekretariat ins Leben. Letzteres erhielt den Rang einer Kurienbehörde und wird seither von Kardinal George Pell geleitet. Die beiden neuen Einrichtungen sollten schnelle Abhilfe bei der Neuordnung der skandalgeplagten und eher dürftig geführten wirtschaftlichen Angelegenheiten im Vatikan schaffen.

Nur einen Monat später folgte mit der Errichtung der Päpstlichen Kinderschutzkommission der nächste Meilenstein der Kurienreform. Auch dieses Gremium wird mit Kardinal Séan O'Malley, Erzbischof von Boston, von einem Mitglied des K9 geführt. Die schnellen Ergebnisse in den Bereichen Wirtschaft und Missbrauchsbekämpfung machten zudem bereits früh deutlich, dass beide Themen zum Kernbereich der Kurienreform zählen. In der Folgezeit ließ sich der Kardinalsrat laufend über die Fortschritte der entsprechenden Gremien informieren.

Im Juni 2015 folgte die nächste größere Maßnahme – und wieder ging es um den Missbrauch. Dem Wunsch der Kinderschutzkommission und einem Vorschlag des Kardinalsrates folgend kündigte Papst Franziskus die Einrichtung eines neuen Gerichts bei der Glaubenskongregation an. Dieses soll über mögliches Fehlverhalten von Bischöfen befinden, wenn diese nicht früh genug oder in zu geringem Maße gegen Missbrauchstäter in ihren Diözesen vorgehen. Der ursprünglich an der Glaubenskongregation vorgesehene Gerichtshof wurde allerdings bis heute nicht errichtet. Stattdessen erließ der Papst ein Jahr später neue Rechtsnormen, nachdem Bischöfe aufgrund einer solchen Verletzung ihrer Aufsichtspflichten ihr Amt verlieren können. Entsprechende Verfahren werden bei anderen Kongregationen geführt.

Großbaustelle Medienreform

Ein drittes großes Thema der bisherigen Kurienreform ist die laufende Reorganisation der unterschiedlichen Medienbetriebe im Vatikan. In dem am 27. Juni 2015 gegründeten Sekretariat für Kommunikation sollen die bis dahin eigenständigen sieben Redaktionen, das Presseamt sowie der Päpstliche Rat für die Sozialen Kommunikationsmittel aufgehen. Mit dieser Aufgabe bekam der neue Präfekt Dario Vigano, bisher Chef beim vatikanischen TV-Produktionsfirma CTV, nach Meinung vieler Beobachter eine der schwersten der gesamten Kurienreform zugeteilt.

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Im August 2016 folgten zwei weitere wichtige Neuerungen im institutionellen Gefüge des Vatikan. Binnen weniger Tage verkündete der Vatikan die bereits angekündigte Gründung zweier neuer Dikasterien: Eines "für die Laien, die Familien und das Leben" sowie eines "für den Dienst zugunsten der ganzheitlichen Entwicklung des Menschen". In beiden Großbehörden gingen vor allem bereits bestehende Gremien auf. Das Entwicklungs-Dikasterium führt die Arbeit der Räte für Gerechtigkeit und Frieden, Migrantenseelsorge, Krankenseelsorge und des Entwicklungshilferats "Cor unum" fort. Die neue Laienbehörde übernimmt die Aufgaben der bisherigen Räte für Laien und für Familien.

Ein Schritt zur Dezentralisierung

Der nächste, weniger augenscheinliche Meilenstein der Kurienreform folgte im September 2017. Mit dem Motu proprio "Magnum principium" räumte Papst Franziskus den Bischofskonferenzen größere Freiheit bei der Übersetzung liturgischer Texte in die Landessprachen ein. Was auf den ersten Blick wenig mit der Kurie und ihren Strukturen zu tun hat, ist jedoch wichtiger Ausdruck eines weiteren Grundprinzips der Kurienreform: der Dezentralisierung. Nach dem Willen des Papstes sollen Entscheidungen so weit wie möglich aus dem Vatikan an die Schauplätze der Weltkirche verlagert werden.

Dieses Anliegen stärkte Franziskus auch einen Monat später, als er im Oktober 2017 das Staatssekretariat des Vatikan umbaute. Zu den bislang zwei Sektionen für allgemeine Angelegenheiten – vergleichbar mit einer Regierung – und die Beziehungen zu den Staaten – entspricht dem Außenministerium – kam nun eine dritte Hauptabteilung hinzu. Diese soll die Kommunikation mit den Botschaftern des Heiligen Stuhls in aller Welt übernehmen und so für einen schnellen und guten Austausch von Informationen zwischen Rom und der Weltkirche sorgen.

Papst Franziskus spricht vor Kardinälen und Bischöfen im Vatikan.
Bild: ©picture alliance/AP Photo/Claudio Peri

Mit der Kurienreform hat Papst Franziskus sich und den Kardinälen und Bischöfen in seinen Behörden ein Mammutprojekt aufgeladen.

Während etwa die neue Botschafter-Abteilung vor allem unter den Nuntien selbst als Erfolg gewertet wird, mussten Franziskus und seine Berater in den zurückliegenden fünf Jahren auch einige Rückschläge hinnehmen. Das gilt etwa mit Blick auf Reformen wie den Umbau der Vatikan-Medien, der sich als deutlich langwieriger herausstellt, als zu wünschen wäre. Vor allem aber hatte der Pontifex Pech mit seinem Personal.

Papst hat Pech mit dem Personal

Anfang 2018 musst Franziskus Abschied nehmen von seinem Medienchef Vigano, der nach einem Skandal um ein manipuliertes Schreiben Benedikts XVI. den Hut nehmen musste. Bereits im Juni 2017 musste der Papst zudem die vorläufige Amtsniederlegung seines Wirtschaftssekretärs Pell akzeptieren. Seit Herbst vergangenen Jahres nimmt der Australier auch nicht mehr an den Beratungen des Kardinalsrates teil, da er in seiner Heimat wegen des Vorwurfs sexuellen Missbrauchs vor Gericht steht. Auch das K9-Mitglied Francisco Javier Errazuriz Ossa gerät derzeit im Missbrauchsskandal seines Heimatlands Chile immer stärker unter Druck. Opfer werfen ihm vor, von Missbrauchstaten gewusst und diese vertuscht zu haben.

Auf der Sachebene kann der Kardinalsrat gleichwohl bereits einige nicht unerhebliche Erfolge in Sachen Kurienreform vorweisen. Zugleich stellen die Vorhaben nur einen Ausschnitt dessen dar, was der K9 in seinen 25 Sitzungsrunden besprochen und beschlossen hat. Mehrere häufig in den Pressemitteilungen erwähnte Themen blieben bislang ohne erkennbare Ergebnisse. Dazu zählt etwa der Prozess der Bischofsernennungen, bei dem immer wieder von einer möglichen stärkeren Beteiligung von Laien die Rede war. Auch etwa die Auswahl des Personals im Vatikan, das einen höheren Frauen- und Laienanteil erhalten soll, ist bislang nicht angetastet worden.

Vor allem sind auch nach 25 Beratungsrunden keine Veränderungen bei den bestehenden Kurienbehörden absehbar. Klar ist, dass deren Aufgabenbereiche, Arbeitsweisen und vor allem das Selbstverständnis der Behörden vom Kardinalsrat intensiv diskutiert wurde. Immer wieder hatten sich die Kardinäle dazu entsprechende Berichte vorlegen lassen oder entsprechende Vertreter zu ihren Sitzungen geladen.

Mittlerweile sind diese Beratungen offenbar abgeschlossen und in ein Meinungsbild der K9-Mitglieder eingeflossen. Dafür spricht in erster Linie, dass die Kardinäle nach ihrer jüngsten Sitzung dem Papst einen fertigen Entwurf für die neue Grundordnung über die Kurie vorgelegt haben. Diese dürfte, wie auch die bisher gültige Konstitution im Jahr 1988, vor allem ein an aktuelle Anforderungen angepasstes Verständnis der Kurie enthalten. Im Zeitalter moderner Kommunikation, sozialer Probleme und immer neuer Möglichkeiten werden auch an die Verwaltung der Kirche neue Aufgaben gestellt. Diese zu ordnen dürfte die größte Aufgabe des Kardinalsrates sein. Nach fünf Jahren und fünfundzwanzig Sitzungsrunden scheint er dem Ziel zumindest Nahe gekommen.

Von Kilian Martin