Die Journalistin und der Franziskaner hinter Gittern
Das Medienprojekt "Gott im Abseits" der Deutschen Bischofskonferenz startet in seine dritte Runde. Dabei begleiten junge, kirchenferne Journalisten Menschen, die ihre Berufung zum Lebensinhalt machen und das Leben nach ihrem Glauben ausrichten: Ordensleute und pastorale Mitarbeiter, die als Seelsorger an ungewöhnlichen Orten tätig sind. Im Zentrum steht das Engagement dieser Gläubigen für Menschen im gesellschaftlichen Abseits. Mehrere Monate lang bloggen die Journalisten über ihre Begegnungen und Gespräche.
Nachdem im vergangenen Jahr Frankfurter Missionsärztliche Schwestern vorgestellt wurden, die Obdachlosen helfen und zu Jahresbeginn eine geistliche Gemeinschaft, die im Allgäu mit Drogenabhängigen lebt, geht es diesmal in den Nordosten der Republik, wo die Katholiken in der Minderheit sind. In Waren an der Müritz leben die einzigen Franziskaner Mecklenburg-Vorpommerns, zwei an der Zahl. Der Gefängnisseelsorger Gabriel Zörnig (54) ist es, der bis September unter dem Motto "Gott im Abseits – Gott im Knast" in einem Blog sowie auf Twitter, Facebook und YouTube vorgestellt wird. Er, in der DDR aufgewachsen, trat vor 30 Jahren bei den Franziskanern ein "weil sie volksverbunden sind, unter Menschen leben und den Idealen des heiligen Franziskus folgen".
Kein Mönch mit Kutte
Über Bruder Gabriel schreibt die 33-jährige Merih Ugur. Die gebürtige Esslingerin, die jahrelang beim Südwestrundfunk arbeitete, war sofort neugierig, als sie von einer Agentur für diesen Job angefragt wurde: "Franziskaner und Gefängnis – das sind beides Themen, mit denen ich noch nie zu tun hatte", erzählt sie. Ihren türkischstämmigen Eltern sei es zwar wichtig gewesen, dass sie sowohl die christliche als auch die islamische Religion kennenlernte, aber richtig Ahnung über Ordensleute habe sie nicht gehabt. Sie stellte sich Bruder Gabriel wie einen alten Franziskaner-Mönch auf der gleichnamigen Biersorte vor, der natürlich im Kloster lebt.
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Bei der ersten Begegnung seien gleich mehrere Scheuklappen gefallen. Bruder Gabriel ist kein Mönch, sondern Ordensmann, wohnt in einem alten Haus am See, trägt bei der Arbeit mit den Strafgefangenen keine Kutte ("nur sonntags beim Gottesdienst") und vor allem sei er "ein großartiger und lustiger Mensch, mit dem ich mich vom ersten Augenblick an sehr gut verstanden habe", sagt Ugur. Sie freut sich auch über eine weitere Gemeinsamkeit: die Arbeit mit Jugendlichen. Er ist unter anderem im Jugendgefängnis Neustrelitz Seelsorger und sie arbeitet seit Jahresbeginn hauptberuflich in einem Projektbüro für Jugendliche mit Migrationsgeschichte in Solingen.
Gespräche über Christentum und Islam
Was die beiden nicht gemeinsam haben, ist Religiosität und der Glaube an Gott: "Ich bin kein Mensch, der gerne Vorurteile hat. Aber der Religion gegenüber bin ich kritisch, vielleicht sogar misstrauisch", sagt Ugur. Sie habe die Religion stets hinterfragt, um noch mehr zu lernen und zu verstehen, so die Politik- und Islamwissenschaftlerin. Zu Konflikten sei es deshalb aber in den ersten Begegnungen mit Bruder Gabriel nicht gekommen. Im Gegenteil: An einem Abend in der Kommunität sprachen sie über "Gott und die Welt" sowie über Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Christentum und Islam.
"Ich will in dem Projekt nicht provokante Fragen zur Kirche stellen, sondern wissen, warum man sich für so ein Leben entscheidet", sagt sie. Bruder Gabriel ist dreimal die Woche im Jugendgefängnis; Merih Ugur will verstehen, warum sich die katholische Kirche hier engagiert. Was sie jetzt schon sagen kann: "Bruder Gabriel ist eine sehr starke Bezugsperson für die Jugendlichen und sein Gesprächsangebot und die Gottesdienste schenken ihnen Hoffnung." Der Ordensmann bringe die jungen Männer zum nachdenken und helfe ihnen dabei, ihre Zukunft besser gestalten zu können als sie ihre kriminelle Vergangenheit gestaltet haben.