Journalistin Schönian schreibt über ihr Jahr mit der Kirche

Vom Blog zum Buch: Valerie und der Priester

Veröffentlicht am 20.03.2018 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 
Bücher

Bonn ‐ Ein Jahr lang begleitete Valerie Schönian den Priester Franziskus von Boeselager. Beide sind mittlerweile Freunde. Was sich bei ihr sonst noch geändert hat, hat sie jetzt in einem Buch aufgeschrieben.

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Halleluja – ein Wort, das in der Fastenzeit in christlichen Gottesdiensten nicht vorkommt. Seit dieser Woche kann man aber das Buch "Halleluja – Wie ich versuchte, die katholische Kirche zu verstehen" von Valerie Schönian kaufen und zu Ostern verschenken. Die Autorin erklärt in einem kleinen Glossar das Halleluja als einen Bestandteil der Messe, das vor dem Evangelium das Wort Gottes feierlich ankündigt und begrüßt. Vor zwei Jahren hätte Schönian das noch nicht erklären können. Damals war sie, Jahrgang 1990, aufgewachsen in Ostdeutschland nach der Wende, die "linke, feministische und kirchenferne" Journalistin, die ein Jahr lang den Priester Franziskus von Boeselager begleiten sollte.

Je zwei Wochen eines Monats verbrachte die Berlinerin nun in Münster-Roxel und hielt alles auf dem Blog "Valerie und der Priester" fest: Kennenlernen des Gemeindelebens mit den vielen katholischen Fremdwörtern, Streit mit dem Priester über Reizthemen, ihr "heiliger Rausch" beim Weltjugendtag, der Aufbau einer Freundschaft zwischen Termindruck, journalistischer Distanz und weltanschaulichen Differenzen. Mehrere 100.000 Leser im Monat besuchten regelmäßig ihr Blog. Auf Facebook abonnierten 14.000 Follower das Projekt, das im Mai 2017 endete. Besonders erfreulich für die Initiatoren vom Zentrum für Berufungspastoral der Deutschen Bischofskonferenz: 57 Prozent der Erreichten waren unter 35 Jahre alt.

Entfernung und Annäherung

Nun gibt es mit "Halleluja" das Buch zum Blog. Lohnt es sich, es zu lesen, wenn man die Texte, Videos und Podcasts aus "Valerie und der Priester" schon kennt? "Auf jeden Fall," sagt Schönian gegenüber katholisch.de. "Das Buch ist neu angeordnet, es hat einen roten Faden und ist nicht nach Themen gegliedert wie der Blog und es ist auch ehrlicher." Das Blog hatte Franziskus von Boeselager damals bewusst nicht gelesen, um offen zu bleiben. Schönian wiederum sagt, sie wollte den Priester, der ihr so viel Vertrauen entgegengebracht hatte, nicht vorführenUnd weil sie damals nicht gewusst habe, ob es gut ausgeht, habe sie im Blog noch nicht eins zu eins veröffentlicht, wie sie auch gehadert habe. "Jetzt steht alles offen drin – weil ich das Ende kannte: Es geht gut aus." Das Buch hat Boeselager vorab gelesen – und ein Nachwort beigesteuert.

Cover von Valerie Schönians Buch "Halleluja"
Bild: ©Piper Verlag

Valerie Schönian auf dem Cover ihres Buchs "Halleluja - Wie ich versuchte, die katholische Kirche zu verstehen".

Auf 370 Seiten geht es nun um ein Experiment. Da beschreibt eine, der der Glaube und das Leben eines Priesters unvernünftig, antiquiert und weltfremd vorkamen, wie sie diese Welt verstehen will. Spannend wird es, als die Journalistin und der Priester an einem Punkt ankommen, an dem sie feststecken. Persönlich verstehen sie sich gut, können zusammen lachen und Bier trinken, aber inhaltlich vermeiden sie immer mehr Gesprächsthemen, bei denen sich die Diskussion im Kreis dreht: Frauen in der Kirche, Missbrauch, Homosexuelle – kein Nachhaken der Journalistin, wenn sie das Verhalten des Priesters nicht nachvollziehen konnte. Beide vereinbaren mehr gemeinsame Zeit außerhalb des Terminkalenders, als Valerie und Franziskus statt als die Journalistin und der Priester.

Der Kaplan besucht Schönian in ihrem Kiez in Berlin, sie lernt im Sauerland seine Familie kennen und langsam versucht sie auch, sich mit dem Glauben auseinanderzusetzen. In Berlin spricht sie mit Freunden und Bekannten über Gott, in Roxel lässt sie sich auf feierliche Gottesdienste an Weihnachten und Ostern ein, geht zu ihrer ersten Beerdigung seit zehn Jahren und versucht das Experiment, ihre journalistische Distanz zu lassen und nach Gott zu fragen. Tatsächlich hilft der Perspektivwechsel Schönian, am Ende zu verstehen, warum der 39-jährige Boeselager Priester wurde und warum er an einen Gott glauben kann, wenn es doch Böses in der Welt gibt. "Im Blog hatte mein Glaube nur in einem Kapitel am Ende Platz, obwohl mich das Thema die ganze Zeit beschäftigt hat", erzählt Schönian. Im Buch sind es gut 50 Seiten.

Kirchenläuten als Einladung

Wieder in die evangelische Kirche eingetreten – oder gar katholisch geworden – ist sie freilich nicht. Sie sei aber sehr dankbar für das Projekt, die Begegnungen und die schöne Zeit. "Es ist inzwischen nicht mehr so, dass ich gar keinen Bezug zur Kirche habe. Wenn ich Kirchenglocken höre, löst das Vertrautheit aus und ich weiß, dass ich eingeladen bin. Auch wenn ich nicht in den Gottesdienst gehe, ist es ein schönes Gefühl, sich eingeladen zu fühlen." Im Rahmen der Buchveröffentlichung werde sie kommende Woche Franziskus von Boeselager treffen. Sie freue sich darauf, diesen Freund – wie sie ihn inzwischen nennt – zum zweiten Mal nach dem Ende des Blogs wiederzusehen. Auch am Katholikentag in Münster nimmt Schönian teil und wird eine Lesung vor "ihrer" Kirchengemeinde in Roxel halten.

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Im Stil flott und mit gutem dramaturgischem Aufbau ist das Buch auch für Gläubige interessant: Vieles von dem, was Christen selbstverständlich ist, lädt zur Selbstreflektion ein, wenn es von einer Außenstehenden beschrieben wird. "Glaubende können durch das Buch eine Außenperspektive bekommen und vielleicht nachvollziehen, was bei Nicht-Glaubenden denn das Problem ist, wenn sie die Kirche und ihre Liturgie betrachten", sagt Schönian. Aber auch Leuten, die früher einen christlichen Bezug hatten und dann den Glauben verloren haben, will sie ihr Buch ans Herz legen: "Sie können neuen Input bekommen, um sich mit dem Thema Glaube noch einmal auseinanderzusetzen."

Das Projekt "Valerie und der Priester" und das neue Buch sind für Schönian "ein Appell, dass wir uns verstehen und mögen können, auch wenn wir unterschiedlich sind". Da das Blog von vielen 20- bis 30-Jährigen gelesen worden sei, wünscht sie sich auch viele junge Leser, die nichts mit dem Glauben zu tun haben und die katholische Kirche kritisch sehen. Und Vorurteile hätten nicht nur Berliner Großstadt-Menschen gegenüber religiösen Menschen, sondern auch andere Gruppen etwa gegenüber Geflüchteten. Sie will mit ihrem Buch zeigen: Dialog lohnt sich.

Von Agathe Lukassek