Kritik an Seligsprechungsverfahren für Ex-Primas hält an
Kardinal August Hlond (1881-1948) gilt als umstritten. Während Papst Johannes Paul II. Hlond in seinem Testament zitierte, weisen jüdische Vereinigungen auf antisemitische Äußerungen hin und Heimatvertriebene verweisen darauf, dass Hlond im Sommer 1945 die deutschen Bischöfe der Oder-Neiße-Gebiete zum Rücktritt gedrängt habe. Nachdem der Vatikan am 21. Mai bekanntgab, dass der ehemalige Primas Polens den "heroischen Tugendgrad" zuerkannt bekommt, ließen negative Reaktionen nicht lange auf sich warten – auch aus der katholischen Presse Polens.
Hlond war ein Salesianer Don Boscos, der aus einer Arbeiterfamilie in Myslowitz in Oberschlesien stammte. Nach seiner wissenschaftlichen Ausbildung in Rom wurde er 1905 zum Priester geweiht; 1919 wurde er Provinzial der Ordensprovinz Deutschland-Österreich-Ungarn. Eine Wende vom Ordensleben hin zum Bischofsamt nahm sein Leben, als im Sommer 1922 das Gebiet Ostoberschlesien vom Deutschen Reich an Polen abgetreten wurde. Aus einem Teil des Bistums Breslau entstand im Dezember die Apostolische Administratur Kattowitz, zu der der Papst Hlond als Administrator bestellte. Nach der Erhebung Kattowitzs zum Bistum wurde Hlond am 3. Januar 1926 zu dessen ersten Bischof geweiht.
Noch im selben Jahr wurde er zum Erzbischof von Posen und Gnesen ernannt, wodurch er bis zu seinem Tod auch Primas Polens wurde. Hlond, seit 1927 Kardinal, floh nach dem Einfall der Deutschen in Polen in den Vatikan, von wo aus er via Radio Vatikan über den Völkermord und die Verfolgungen durch die Nationalsozialisten berichtete. Von 1940 bis 1944 lebte er im französischen Lourdes – bis ihn die Gestapo aufspürte und in einem Kloster im westfälischen Wiedenbrück internierte. Am 20. Juli 1945 kehrte er nach Posen zurück. Nach der Aufteilung des Bistums war er ab 1946 Erzbischof von Gnesen und Warschau. Hlond verteidigte die katholische Kirche in der Nachkriegszeit gegen die neuen kommunistischen Machthaber, sorgte für den Aufbau der Warschauer Kirchen und vertraute Polen im Wallfahrtsort Tschenstochau der Gottesmutter Maria an. "Wenn der Sieg kommt, wird er ein Sieg durch Maria sein" – an dieses Zitat erinnerte Johannes Paul II. in seinem im Jubeljahr 2000 verfassten Testament.
Warnung vor allzu viel Kontakt mit Juden
Hlond galt als bedeutender, vorausschauender Primas. Wären da nicht seine Aussagen zum Judentum – etwa im Hirtenbrief "Über die katholischen moralischen Grundsätze" aus dem Jahr 1936. Dort distanzierte er sich zwar von den sechs Monate zuvor von den Nationalsozialisten eingesetzten Nürnberger Rassegesetzen: Die "aus dem Ausland importierte eindeutig antisemitische Haltung" sei unvereinbar mit der katholischen Ethik, schreibt Hlond und betont, dass es verboten sei, "Juden anzugreifen, zu schlagen, zu verletzen, anzuschwärzen." Eingebettet ist dieser Satz allerdings in einen langen Abschnitt, in dem Hlond gegen Juden wettert und die polnischen Katholiken vor allzu viel Kontakt mit ihnen warnt.
Der Primas beginnt diesen Abschnitt mit dem Satz: "Das jüdische Problem existiert und es wird so lange bestehen, wie die Juden Juden sind." Es sei Fakt, dass sie die katholische Kirche bekämpften, im Freidenkertum verharrten und "die Avantgarde der Gottlosigkeit, der bolschewistischen Bewegung und der subversiven Aktion" seien. Ein negativer jüdischer Einfluss auf die allgemeine Sittlichkeit sei Tatsache, ihre Verlage verbreiteten Pornographie. "Es ist wahr, dass Juden Betrügereien begehen, Wucher und Menschenhandel (Handel mit lebenden Waren) treiben." Zwar seien nicht alle Juden so und man dürfe niemanden hassen, aber dennoch schlägt Hlond vor, jüdische Geschäfte und Jahrmarktsstände zu meiden sowie ihre "demoralisierenden" Publikationen. Er spricht von einer "antichristlichen Kultur", von der man sich abgrenzen solle.
Es blieb nicht bei dem einen antisemitischen Ausfall. Nach dem Krieg warnte der Primas gemeinsam mit dem Warschauer Erzbischof Aleksander Kakowski in einer Denkschrift und in einem Schreiben an das Bildungsministerium vor jüdischen Lehrern und ihrem angeblich "nicht positiven" Einfluss auf die Kinder und die Jugend. 1946 lehnte Hlond es ab, den Pogrom von Kielce zu verurteilen. Am 4. Juli wurden mehr als 40 polnische Juden von einem wütenden Mob ihrer Nachbarn ermordet, nachdem sich ein Gerücht über eine angebliche Entführung eines christlichen Jungen verbreitet hatte. Hlond schrieb stattdessen einen Brief, in dem er Mord allgemein verurteile, an die Polen erinnerte, die Juden im Krieg halfen, und "jüdischen Kommunisten" vorwarf, die guten Beziehungen zwischen katholischen und jüdischen Polen zu zerstören. Als Bischof Teodor Kubina den Pogrom unzweideutig verurteilte, war der Primas einer der Initiatoren einer Antwort des Episkopats, die Kubina kritisierte.
An all das erinnerten die US-amerikanischen Nichtregierungsorganisationen "Simon Wiesenthal Center" und "American Jewish Committee" wenige Tage nachdem Papst Franziskus dem polnischen Kardinal den "heroischen Tugendgrad" zuerkannte, was ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Seligsprechung ist. Der stellvertretende Anwalt des Seligsprechungsverfahrens, Vizepostulator Boguslaw Koziol, erklärte daraufhin gegenüber der Nachrichtenagentur "AP", dass die Kritik unzutreffend sei, weil Hlonds Worte aus dem Kontext genommen worden seien. Der Primas habe Liebe unabhängig von Nation oder Religion gepredigt, so Koziol.
Bischof Lehmann protestierte gegen Seligsprechungsbestrebungen
Bereits Mitte der 1990er Jahre, als das diözesane Seligsprechungsverfahren lief, kam von anderer Seite Kritik – von den Heimatvertriebenen. Hlond habe nach dem Krieg die Vertreibung von Deutschen aus ihrer Heimat unterstützt, ohne eine schriftliche Legitimation des Vatikans vorweisen zu können, erklärte der "Pastoralrat der Apostolischen Visitatur Breslau" 1995. Der Rat unterstützte den Apostolischen Visitator bei seiner Arbeit für die damals fast zwei Millionen Katholiken, die nach der Vertreibung in der Bundesrepublik Deutschland lebten.
Linktipp: Polens Ex-Primas vor Seligsprechung - trotz Kritik
Die Heiligsprechungskongregation befürwortet die Anerkennung des heroischen Tugendgrades für Kardinal August Hlond (1881-1948). Damit wäre der Pole verehrungswürdig. Doch es gibt auch Kritiker. (Artikel vom Mai 2018)Tatsächlich bereiste Hlond im August 1945 die Ostgebiete des Deutschen Reichs, um die zurückgebliebenen Bischöfe und ihre Vertreter zur Abdankung zu drängen. Der Vatikan hatte ihn beauftragt, Administratoren für vakante Bischofssitze "auf dem gesamten polnischen Gebiet" zu ernennen. Hlond ernannte eigenmächtig in den damals noch kirchenrechtlich deutschen Bistümern polnische Administratoren. Papst Pius XII. zeigte sich verwundert über das Vorgehen. 1946 gab der Primas in einem Brief an den Papst zu, dass er irrtümlicherweise seine Vollmachten zu weit interpretiert habe.
Mit dieser Causa beschäftigten sich die Bischofskonferenzen Deutschlands und Polens, nachdem Bischof Karl Lehmann, der damalige Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, 1995 gegen die Seligsprechungsbestrebungen protestierte. Eine "deutsch-polnische Historikerkommission zur Klärung offener Fragen bezüglich Kardinal Hlonds" wurde geschaffen, deren Ergebnisse allerdings auf Entschluss der beiden Bischofskonferenzen unter Verschluss stehen.
Die Kontroversen rund um August Hlond sind auch in Polen selbst angekommen. Die katholische Wochenzeitung "Tygodnik Powszechny" berichtete zuletzt ausführlich über den Fall. Unter anderem weist die Zeitung darauf hin, dass heute eine große Gruppe deutscher und polnischer Historiker der Ansicht ist, dass Hlond seine Vollmachten mit Blick auf die deutschen Ostgebiete missbraucht habe. Auch den Hirtenbrief über die Juden kritisiert der Artikel: "Der Primas bot keinen Ausweg aus dem 'jüdischen Problem' und auch keine Idee für ein würde- und friedvolles Zusammenleben in einem Staat."