"Gruppenstunden funktionieren oft nicht mehr"
Die Katechese ist im Christentum die theoretische und praktische Einführung in den christlichen Glauben. Der Begriff ist abgeleitet vom kirchenlateinischen Wort "catechesis", was so viel bedeutet wie "religiöser Unterricht". Die meisten begegnen ihr in den Vorbereitungskursen auf die Erstkommunion, die Firmung und die Ehe. Im Interview mit katholisch.de spricht Katechese-Referent Tobias Wiegelmann über die neusten Trends und erklärt, wie es gelingt, Katechese für Kinder spannend zu machen.
Frage: Herr Wiegelmann, welche neuen Trends gibt es in der Katechese?
Wiegelmann: Es gibt zunächst mal neue Herausforderungen. Zum Beispiel die Tatsache, dass die klassischen Gruppenstunden nicht mehr so funktionieren, weil nachmittags niemand mehr Zeit hat. Die Menschen haben einen anderen Lebensrhythmus. Außerdem werden die sozialen Medien und die Technik immer wichtiger. Das merken wir auch im Bereich der Katechese und wollen das umsetzen. Allgemein lässt sich sagen, dass unser neuer Blick auf die Katechese davon weggeht, die Sakramentenkatechese als die Vorbereitung eines bestimmten Tages zu verstehen, beispielsweise der Erstkommunion. Vielmehr wollen wir darüber nachdenken, wie man wirklich lebensnah begleitend und lebenslang Katechese betreiben kann.
Frage: Wie kann lebenslange und lebensnahe Katechese gelingen beziehungsweise wie sieht sie aus?
Wiegelmann: Zunächst mal heißt es festzustellen, dass Katechese uns alle angeht. Wenn wir in unseren Gemeinden Erstkommunionvorbereitung betreiben, dann müssten wir uns auch als Erwachsene immer wieder neu fragen: Was bedeutet die Eucharistie in meinem Leben, was bedeutet mir das Sakrament? Und das, was wir tun, muss mit unserem Leben zu tun haben. Wir können viel besser erfassen, warum Jesus mit den Armen und Ausgeschlossenen Mahl gehalten hat, wenn wir auch unsere Gemeinden öffnen für die Armen unserer Tage. Jesus macht es uns ja vor. Er lehrt in Gleichnissen, das heißt, er erzählt Geschichten aus der konkreten Lebenswirklichkeit seiner Zuhörer. Wir müssen also Raum schaffen, vom Leben zu erzählen und im gemeinsamen Zuhören entdecken, dass Gott in unserem Leben wirkt.
Frage: Ich kenne aus meiner eigenen Erstkommunionvorbereitung noch die klassischen Gruppenstunden mit Basteln, Malen und Lesen. Funktioniert das heute noch oder muss im digitalen Zeitalter immer das Smartphone her, um die Katechese attraktiv zu machen?
Wiegelmann: Es gibt sicherlich auch noch die klassische Gruppenstunde und die funktioniert auch noch mancherorts. Die Menschen sind ja Gott sei Dank sehr verschieden. Aber wir merken auch, dass wir mit dem Einsatz neuer Medien nochmal neues Interesse an den Inhalten wecken können. Wichtiger als die Methode ist jedoch, mit wie viel Herz ich an die Sache herangehe. Wenn ich als Katechet selber merke: Das ist nicht meine Methode. Dann werde ich das mit weniger Herzblut machen, als wenn es eine Methode ist, die mir nahe kommt. Man muss bedenken, dass viele jungen Katecheten mittlerweile selbst mit den digitalen Medien aufgewachsen sind. Die nutzen das natürlich viel eher, als Menschen, die schon seit vielen Jahren Katechese machen. Die machen dann das, was ihnen näher kommt, und das finde ich sehr wichtig. Es geht immer um die Begegnung von Menschen und weniger um die Methoden.
Frage: Können Sie konkret neue Entwicklungen in der Katechese nennen? Wie sieht denn heutzutage die Erstkommunion- oder Firmvorbereitung aus?
Wiegelmann: In der Kommunionvorbereitung geht der Trend weg von den klassischen Gruppenstunden. Stattdessen gibt es Tagesveranstaltungen, bei denen Eltern und Kinder zum Beispiel gemeinsam sogenannte Weggottesdienste feiern oder Workshops besuchen, in denen sie zusammen aktiv werden können. Gerne integrieren wir auch das Smartphone in die Katechese. Damit können die Kinder zum Beispiel Trickfilme erstellen, bei denen sie biblische Geschichten nacherzählen. Das kann man gut in der Erstkommunionvorbereitung machen, aber auch in der Firmvorbereitung. In Letzterer geht es aber vor allem darum, durch Erlebnisse zu lernen. Die Firmlinge machen beispielsweise Ausflüge in Klettergärten, wo es dann um das Thema Vertrauen geht.
„Durch die Erstkommunion ihrer Kinder denken Eltern plötzlich selbst wieder über ihren Glauben nach.“
Wichtig ist mir aber, dass die Methoden an sich gar nicht das sind, was die Katechese ausmacht. Wichtiger ist, dass wir stärker auf Inhalte schauen, dass wieder die Heilige Schrift in den Mittelpunkt kommt, und wir schauen, was uns die Bibel sagt. Das Entscheidende ist die Erkenntnis, wo die Bibel eine Relevanz im eigenen Leben hat. Das ist für Kommunionkinder wieder anders als für Firmlinge. Die Methoden helfen uns, diese Relevanz herauszufinden.
Frage: Der Glaubensinhalt ist seit Jahrtausenden mit geringen Abweichungen gleich. Was genau unterscheidet die Katechese denn konkret heute von der von früher?
Wiegelmann: Der Glaubensinhalt ist der gleiche. Ich versuche den Unterschied einfach mal an meiner eigenen Erstkommunionvorbereitung fest zu machen: Ich bin durch meine Eltern und durch unseren Pastor vorbereitet worden. Der Pastor hat relativ klassisch Frontalunterricht gemacht. Er hat uns gesagt, was es zu lernen gibt: das Vater Unser, das Glaubensbekenntnis und so weiter. Es war wirklich sehr viel Wissensvermittlung, auch in den Kommuniongruppen.
Heute geht es eher darum, einander zu begegnen. Die Eltern, die beispielsweise die Erstkommuniongruppen begleiten, haben oft lange Zeit wenig Berührungspunkte mit der Kirche gehabt. Das war früher anders. Durch die Erstkommunion ihrer Kinder denken sie plötzlich selbst wieder über ihren Glauben nach. Der Glaubensinhalt ist natürlich seit 2000 Jahren der Gleiche, aber er hat, glaube ich, nochmal eine andere Bedeutung im Leben der Menschen. Heute kommen auch Eltern nochmal wieder über den Glauben ins Gespräch. Das heißt, die Erstkommunionkatechese ist längst nicht mehr nur Kinderkatechese, sondern auch Elternkatechese.
Frage: Soll die Kirche generell offen gegenüber dem Einsatz von Smartphones und anderen Neuerungen sein?
Wiegelmann: Ich sehe nicht, was dagegen sprechen würde. Es geht ja im Grunde immer darum, dass wir miteinander in Kommunikation kommen und diese hat sich eben verändert. Die Erfindung des Buchdrucks war ja auch eine Veränderung in der Kommunikation und es war ein großes Geschenk, da plötzlich jeder in der Bibel lesen konnte. Und heute ist es eben die digitale Technik, die unsere Kommunikation verändert. Wir leben ja als Kirche, die den Glauben verkündet, davon, dass wir mit Menschen kommunizieren. Und dafür gibt es nichts Besseres als uns da weiter zu entwickeln.
Frage: Wer bringt sich ein in die Erarbeitung neuer Trends? Ist das der Wunsch von den Erstkommunionkindern und Firmlingen oder geben die Katecheten und Geistlichen den Anreiz zur Veränderung?
Wiegelmann: Im besten Fall geht es von beiden Seiten aus. Kinder und Jugendliche sollen das Gefühl haben, dass sie mitgestalten und miterarbeiten können. Und die Katechetinnen und Katecheten sollen auch das Gefühl haben, dass sie sich selber einbringen. Ich glaube dann funktioniert es tatsächlich am besten. Was aus meiner Sicht wenig funktioniert, ist, wenn man nicht aufeinander achtet. Wenn man also Kinder und Jugendliche mit Methoden konfrontiert, mit denen sie nichts anfangen können und umgekehrt Katecheten dazu verdonnert Methoden anzuwenden, die nicht zu ihnen passen. Das wird nicht funktionieren.
Frage: Haben Sie denn für sich selbst etwas Neues in der Katechese entdeckt in den letzten Jahren?
Wiegelmann: Für mich ist es immer wieder spannend zu entdecken, auf wie vielen verschiedenen Wegen man sich der heiligen Schrift, der Bibel, nähern kann und wie viel Potential darin steckt. Ich finde es toll, was Kinder und Jugendliche zum Beispiel bei den Trickfilmen aus den biblischen Texten herausholen. Im Grunde finde ich es total spannend, dass das gleiche Buch mit verschiedenen Methoden ganz viele verschiedene neue Wege eröffnet.