Bischöfe im Riesenrad
Vermutlich könnte Liborius es selbst kaum glauben: Glockengeläut, Bischöfe aus aller Welt im Riesenrad, Ordensfrauen am Würstchenstand, mit Zuckerwatte bekleckerte Kinder, Eis schleckende Eltern... Und um den altehrwürdigen Dom ein Gedränge aus Buden, in denen es die besten Putztücher der Welt, Fellbezüge fürs Lenkrad, Gewürze, Messer und vieles mehr zu kaufen gibt. Kurzum: Es ist Libori.
Mischung aus Gottesdienst, Kirmes, Kleinkunst und Politik
Seit dem Jahr 836 feiert Paderborn dieses Fest. Damals holte eine kleine Delegation des noch jungen ostwestfälischen Bistums die Gebeine des heiligen Liborius aus Le Mans zu sich und begründete damit einen "Liebesbund ewiger Bruderschaft", die älteste Städtefreundschaft der Welt. Im Laufe der Jahrhunderte hat sich das Liborifest zu einer einzigartigen Mischung aus Gottesdiensten, Kirmes, Kleinkunst und politischen Vorträgen entwickelt. Während des neuntägigen Volksfestes verwandelt sich der angeblich so sture Ostwestfale in einen lebensfrohen Menschen mit geradezu südländischen Qualitäten.
Den Auftakt bildete am Samstag die traditionelle Erhebung der Liborius-Reliquien. Der goldene Schrein mit den Gebeinen wurde aus der Krypta des Doms in den Hochchor gebracht. Unablässig und irgendwie berauschend spielte während der von Erzbischof Hans-Josef Becker angeführten Prozession durch die überfüllte Kathedrale die Orgel. Dreimal hielt sie kurz inne, dann intonierte ein Blechbläserensemble den Liboritusch - alljährlich ein erhebender Moment.
Neue Gewänder für die Zelebranten
Bei aller Tradition - auch bei einem Fest wie Libori ist nicht alles so wie immer. Diesmal gab es eine sehr auffällige Neuerung: Becker und alle Zelebranten, darunter der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Münchens Kardinal Reinhard Marx, waren in neue Festgewänder gekleidet. 70 Jahre lang trugen die Erzbischöfe von Paderborn zu Libori ein reich besticktes Gewand der Künstlerin Edith Ostendorf. Inzwischen war es durch den Gebrauch derart ramponiert, dass ein neues nötig wurde.
Nun ist dies nicht gerade die Zeit, in der sich Bischöfe in prachtvolle Gewänder hüllen sollten. Entsprechend schlicht kommt die liturgische Kleidung daher, ein Entwurf des Wiener Künstlers Christof Cremer. Feine Linien in blau und gelb verlaufen vom Kragen abwärts. Inspiriert dazu habe ihn die Strahlkraft des Liborifestes, so der Künstler.
Die Strahlkraft des Festes belegen auch die vielen internationalen Gäste. Dieses Jahr haben sich 22 Bischöfe aus 15 Ländern angesagt, die aus dem Volksfest eine Fest der Weltkirche machen. Und somit sind auch die Probleme der Welt Thema bei Libori. Becker betonte bei einem Empfang am Sonntag, angesichts der Weltlage könne man nicht feiern, ohne daran zu denken, "dass Leben an viel zu vielen Orten eingegrenzt, bedroht und gefährdet ist". Die Warnung von Papst Franziskus vor einer Globalisierung der Gleichgültigkeit und einer Abstumpfung des Mitgefühls sei ernst zu nehmen, so Becker.
Gebetsstunde für Frieden
Diese Sorge um den Frieden hatte schon am Freitagabend ihren Ausdruck gefunden - bei einer Gebetsstunde im Dom, die an den Ausbruch des Ersten Weltkrieges vor 100 Jahren, den Beginn des Zweiten Weltkrieges vor 75 Jahren und die Öffnung der Berliner Mauer vor 25 Jahren erinnerte. An diese geschichtlichen Ereignisse anknüpfen wird am Liboridienstag auch der Europaabgeordnete Elmar Brok, der über die Rolle Europas für Frieden und Gerechtigkeit spricht.
Bei allem Ernst - natürlich gibt es auch noch die 1,6 Kilometer lange Kirmesmeile mit 140 Schaustellern. Wenn am kommenden Sonntag das Ganze mit einem großen Feuerwerk endet, werden wieder rund eineinhalb Millionen Menschen in Paderborn gefeiert haben. Und es kehrt Ruhe ein, die dann auch alle dringend brauchen.
Von Claudia Auffenberg (KNA)