Religionsexpertin zu Özil: Gefühl der Enge bei Muslimen
Nach Einschätzung der Religionswissenschaftlerin Paula Schrode sehen sich Muslime in Deutschland zunehmend unter Druck gesetzt. Sie hätten das Gefühl, dass "es hier immer enger für uns wird", sagte die Professorin der Universität Bayreuth am Montag der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Das gelte auch für den Fall Mesut Özil.
Viele Muslime dürften die Wahrnehmung haben, dass die Mehrheitsgesellschaft bei dem Fußballer nach dem Haar in der Suppe suche, eben weil er Muslim sei, sagte Schrode. Sie hält diesen Eindruck für plausibel: "Ich glaube auch: Hätte sich statt Özil mit Erdogan ein russischstämmiger Fußballnationalspieler mit dem russischen Präsidenten Putin fotografieren lassen, wäre der Aufschrei wohl nicht so groß gewesen", so die Wissenschaftlerin mit dem Schwerpunkt Islamische Gegenwartskulturen.
Mazyek spricht von einer tiefen gesellschaftlichen Wunde
Özil hatte am Sonntag seinen Rücktritt aus der deutschen Nationalmannschaft erklärt. Als Begründung nannte er Anfeindungen, nachdem er im Frühjahr mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan fotografiert worden war. Unter anderem sprach Özil von "Rassismus" und übte scharfe Kritik am Deutschen Fußballbund (DFB) und dessen Präsidenten Reinhard Grindel. Der habe 2004 als Bundestagsabgeordneter gesagt, Multikulturalismus sei in Wahrheit "nur ein Mythos und eine lebenslange Lüge".
Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, schrieb auf Twitter, dass die Causa Özil von einer tiefen gesellschaftlichen Wunde zeuge. "Wegen Rassismus und Respektlosigkeit erklärt Özil den Rücktritt. Brutal und wahr zugleich", so seine erste Reaktion. Mazyek hatte bereits vor einigen Tagen den Rücktritt von Grindel und Teammanager Oliver Bierhoff gefordert. (bod/KNA)