Die Geschichte der geistlichen Ritterorden

Wenn Orden in den Krieg ziehen

Veröffentlicht am 23.08.2018 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 
Geschichte

Bonn ‐ Dass ausgerechnet Ordensmänner in den Krieg ziehen, klingt sonderbar. Doch genau das war im Mittelalter der Auftrag der geistlichen Ritterorden. Bis heute sind sie Grundlage von Verschwörungstheorien und ganzen Filmplots.

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Sie hatten ein weit verzweigtes Netz von Besitzungen, waren effizient und erfolgreich in der Kriegführung: Die geistlichen Ritterorden, während der Kreuzzüge schon von weitem erkennbar durch das große Kreuz auf ihren Gewändern. Noch heute sind sie Gegenstand von Spekulationen und Verschwörungstheorien, liefern die Grundlage für ganze Filmplots. Manche geistliche Orden existieren in veränderter Form noch heute – so wie der Deutsche Orden, der in dieser Woche in Wien sein Generalkapitel abhält.

Templerorden als berühmtes Beispiel

Dass ausgerechnet Ordensmänner in den Krieg ziehen, mag erst einmal sonderbar klingen. Doch genau das war im zwölften und dreizehnten Jahrhundert der Auftrag der geistlichen Ritterorden. Dabei waren sie oft zunächst zu karitativen Zwecken gegründet worden. Der Deutsche Orden zum Beispiel war zunächst eine Hospitalbruderschaft, die sich um Verwundete kümmerte. Und auch der berühmte Templerorden – benannt nach dem Tempel in Jerusalem - sah es zunächst vor allem als seine Aufgabe, die Pilger im Heiligen Land vor Überfällen zu schützen. Doch dieser Zweck wurde schnell erweitert: Die geistlichen Ritterorden wurden selbst zur Kriegspartei und griffen aktiv in das Geschehen der Kreuzzüge ein. "Sie fügten den drei monastischen Gelübden der Armut, Keuschheit und des Gehorsams noch ein viertes hinzu – den Kampf gegen die Heiden", so fasst es Jürgen Sarnowsky, Geschichtsprofessor an der Uni in Hamburg, zusammen. Im September erscheint im  Verlag Kohlhammer sein Buch "Die geistlichen Ritterorden – Anfänge, Strukturen, Wirkung".

Ein Mönch betet auf einem Feld einem Christus-Schrein zugewandt, während seine Mitbrüder die Ernte einholen.
Bild: ©picture-alliance/akg-images

Der heilige Bernhard von Clairvaux setzte sich für den Deutschen Orden ein.

Zwar gab es in der katholischen Kirche durchaus Bedenken gegen die doch eher ungewöhnliche Verbindung von geistlichem Leben und kriegerischem Kampf; doch diese wurden schnell hinweggewischt. Kein geringerer als Bernhard von Clairvaux lieferte mit seinem Buch "An die Tempelritter — Lobrede auf das neue Rittertum" die theologische Rechtfertigung für die kämpfenden Gottesmänner, die nicht nur die durch ihre Ausrüstung, sondern auch durch ihren Glauben geschützt seien.

Doch die Kriege mussten auch finanziert werden. Dafür bauten Templer, Deutscher Orden, Johanniter und Co. nach und nach ein System von lukrativen Besitzungen aus: Sie waren Landbesitzer, denen die Bauern einen Zehnt ihrer Erträge als Abgabe zahlen mussten, betrieben selbst Landwirtschaft oder Weinbau, die Templer stiegen sogar ins Finanzgeschäft ein und boten Finanzdienstleistungen an. "Die geistlichen Ritterorden nahmen zu Hause im Westen das Geld ein und gaben es im Osten in ihren Schlachten wieder aus", resümiert Historiker Sarnowsky. Der Malteser-Orden, der sich aus den Johannitern entwickelte, erhielt seinen Namen etwa durch die Ansiedlung auf der Insel Malta.

Um all das zu organisieren, gab es neben den kämpfenden Ritterbrüdern auch Priesterbrüder und einen dritten Stand, oft "Halb- und Laienbrüder", "deren Zahl und Gewicht sich jedoch nicht fassen ließ", wie es im Lexikon für Theologie und Kirche (LThK) über den Deutschen Orden heißt.

Reichtum und Privilegien

Die Orden hatten durchaus ein elitäres Selbstverständnis: Während es nach Angaben von Sarnoswky bei den Gelübden von Armut und Keuschheit zu bestimmten Zeiten in bestimmten Orden durchaus Interpretationsspielraum gab, wurde in der Regel darauf bestanden, dass nur Adelige "Ritterbrüder" werden durften. Besonders die Templer sahen sich starker Kritik wegen ihres Reichtums und ihrer Privilegien ausgesetzt.

Bald wurden die geistlichen Orden nicht nur im Heiligen Land gebraucht, sondern auch bei Auseinandersetzungen mit sogenannten Ungläubigen etwa in Osteuropa. Das zeigt sich besonders beim Deutschen Orden, der auf diese Weise etwa große Teile des damaligen Preußens unter seine Kontrolle brachte und im 14. Jahrhundert auch an Kreuzzügen gegen das heidnische Litauen beteiligt war. Seine östlichen Territorien verlor er jedoch in den folgenden Jahrhunderten wieder und war schließlich eng mit dem Territorium und dem Haus der Habsburger verknüpft.

„Die geistlichen Ritterorden fügten den drei monastischen Gelübden der Armut, Keuschheit und des Gehorsams noch ein viertes hinzu – den Kampf gegen die Heiden.“

—  Zitat: Jürgen Sarnowsky

Während der Templerorden zu Beginn des 14. Jahrhunderts von Papst Clemens V. aufgelöst wurde, existierten der Malteser- und der Deutsche Orden weiter. Der Deutsche Orden hat seit den 1920ger Jahren allerdings keinen militärischen Zweck mehr. Er ist rein geistlicher Orden mit Hauptsitz in Wien. Neben dem Männerorden mit rund 100 Mitgliedern und dem Ordenskürzel OT gibt es auch den Frauenorden der Deutschschwestern (SSOT, etwa 200 Mitglieder)  und rund 700 sogenannte Familiare, laut dem LThK "Männer und Frauen, die sich in ihrem Glaubenszeugnis mit den Zielen des Ordens identifizieren und dessen Aufgaben unterstützen".

Kreuz als Erkennungszeichen

Heute ist der Deutsche Orden wieder zu seinem ursprünglichen Zweck zurückgekehrt. Er widmet sich vor allem der Sorge um Kranke, Behinderte und alte Menschen und ist in Deutschland, Österreich, Italien, Slowenien, Tschechien und der Slowakei vertreten. Trotz allen Wandels: Das gut sichtbare, große Kreuz als Erkennungszeichen am Mantel ist seinen Mitgliedern erhalten geblieben. 

Von Gabriele Höfling