Ordensfrau und Oma
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Barbara Schröder hat sich für einen ungewöhnlichen Lebensweg entschieden. Nach dem Tod ihres Mannes tritt sie bei den Armen-Schwestern vom hl. Franziskus in Aachen ein. Eine Entscheidung, die ihr anfangs nicht leicht fiel. Vor allem, weil sie nicht wusste, wie sie es ihren Kindern erklären sollte. Doch die halfen ihr sogar, ihren Weg zu gehen.
Frage: Sr. Barbara, es war bestimmt nicht leicht, als Mutter ins Kloster zu gehen, oder?
Sr. Barbara: Nein, das war keine einfache Entscheidung. Ich war 42 Jahre alt, als ich darüber nachdachte, einzutreten. Ich hatte damals zwei Töchter, die mitten in der Pubertät steckten. Ich habe sehr mit mir gekämpft. Ich wusste doch, dass ich mich nicht von meinen Kindern trennen sollte, weil sie mich brauchten. Mein Mann war kurz zuvor ganz überraschend an Krebs verstorben. Wir hatten eine Bäckerei und auf einmal stand ich ganz alleine da. Das war furchtbar. Ich saß in dieser Zeit oft vor dem Kreuz in der Kirche und habe gefragt: "Herrgott, warum hast du mir nur meinen Mann genommen, warum nur?"
Frage: Haben Sie eine Antwort gefunden?
Sr. Barbara: Ja, ich verspürte so eine Sehnsucht nach einem Leben im Kloster. Aber ich dachte mir, ich kann nicht auch noch weggehen. Aber der Herrgott hat gesiegt, er hat es geschafft, mich zu überzeugen. Meine Trauer wurde durch diese Entscheidung von Tag zu Tag weniger. Ich spürte, dass ich auf dem richtigen Weg war.
Frage: Wie kam es dazu, dass Sie ins Kloster gehen wollten?
Sr. Barbara: Meine beiden Töchter besuchten damals, als mein Mann starb, eine Schule in Aachen, um Krankenschwestern zu werden. Diese Einrichtung wurde von den Armen-Schwestern vom hl. Franziskus geleitet. Eines Tages hat mich die Schulleiterin zu einem Besuch dorthin eingeladen. Sie hat mir die Pflegestation im Altenheim gezeigt. Da hat es mir so gut gefallen, dass ich bald darauf dort ehrenamtlich mitgeholfen habe. Zwei Jahre blieb ich in dem Altenheim. Ich war in der Nähe meiner Töchter und fühlte mich sehr wohl. Ich habe zur der Zeit auch die Altenpflegeschule besucht und das Examen gemacht. Ich wollte noch einmal ganz neu anfangen. Ganz nebenher lernte ich dort auch Ordensfrauen kennen, die auf den Stationen tägig waren. Nach und nach verspürte ich die Sehnsucht, auch so zu leben wie sie. Aber ich habe mich nicht getraut, darüber zu sprechen.
Frage: War das eine Flucht aus dem realen Leben?
Sr. Barbara: Nein, das war keine Flucht. Im Gegenteil. In der Altenpflege habe ich gelernt, für andere da zu sein. Aber ich dachte mir, wenn ich erst im Kloster bin, kann ich für andere beten. Mir bedeutet das Gebet sehr viel. Das war immer schon so, auch als mein Mann noch gelebt hat.
Frage: Haben Sie nie mehr den Wunsch verspürt, noch einmal zu heiraten oder sich neu zu verlieben?
Sr. Barbara: Um Gottes Willen, nein. Ich war mit meinem Ehemann 17 Jahre lang glücklich verheiratet, das kann man so nicht noch einmal wiederholen. Für mich war das eine geschenkte Zeit. Wir hatten es nicht immer leicht miteinander, aber wir haben zusammen gehalten.
Frage: Wie haben Sie Ihren Entschluss ins Kloster zu gehen Ihren Töchtern beigebracht?
Sr. Barbara: Es hat lange gedauert, bis ich mich überwunden hatte, es den Kindern zu sagen. Eines Tages war es dann soweit, es war mitten im Advent. Wir hatten es uns zu Haus gemütlich gemacht und saßen zusammen bei einer kleinen Feier. Am Tisch brannte eine Kerze und ich nahm meinen ganzen Mut zusammen und sagte: "Ich muss mit euch über etwas reden, aber das hat auch noch Zeit bis nach Weihnachten." Mehr brachte ich nicht heraus. Wie aus einem Mund sagten beide zu mir: "Mama, sag es nur, du gehst ins Kloster." Das traf mich wie ein Blitz. Beide waren also einverstanden. Eine sagte sogar: "Mama, wenn du jetzt sagen würdest, dass du noch einmal heiraten willst, wäre ich traurig, so aber nicht." Wir haben alle drei geweint vor Freude. Viel später dann, als ich ihnen erklärte, dass ich gerne Rekluse werden möchte, also ein abgeschiedenes Leben als Nonne führen wollte, traf sie das doch hart. Eine der beiden machte sich große Sorgen: "Wenn wir einmal Kinder haben werden, wirst du nie mit ihnen spielen können, weil du keinen Heimatbesuch hast. Wie kannst du uns das nur antun?" Sie waren enttäuscht und haben meinen Entschluss nicht verstanden. Das war schwer für mich.
Frage: Aber Ihr Entschluss stand fest?
Sr. Barbara: Ja, ich wollte Rekluse bei den Schwestern des Schervier-Ordens werden und nichts anderes. Meine Töchter haben mich tapfer bis zu meiner Einkleidung begleitet. Ich habe zuerst unsere Bäckerei verkauft und von dem Geld eine schöne Eigentumswohnung für meine Töchter erworben. Ich wollte, dass beide gut versorgt sind, bevor ich eintrete, sonst hätte ich keine Ruhe gefunden. Nach meinem Eintritt lebte ich zunächst in verschiedenen Konventen der Ordensgemeinschaft, bis ich dann nach neun Jahren die kontemplative Lebebensform als Rekluse begonnen habe. Wir waren wenige Schwestern, die ein so zurückgezogenes und kontemplatives Leben führten. Selbst im Gottesdienst saßen wir abgeschieden von den anderen Schwestern in einem eigenen Gebetschor. Ich konnte die anderen Schwestern nicht mal sehen. Auch die Mahlzeiten nahmen wir getrennt voneinander ein. Es war alles sehr streng geregelt. Damals wurde ich auch sehr krank und bekam eine schwere Allergie.
Frage: Haben Sie daraufhin an Ihrer Lebensform gezweifelt?
Sr. Barbara: Nein, nie. Ich verstand diese Krankheit als Prüfung. Ich hatte das sichere Gefühl, dass das Leben im Kloster das Richtige für mich ist. Ich hatte auch an keinem Tag Heimweh. Die Generaloberin hat mich zum Arzt geschickt. Der meinte, ich solle meinen Lebensrythmus verändern und eine Kur machen. Das habe ich dann auch gemacht. Später wurde ich dann zurück ins Mutterhaus nach Aachen versetzt, wo ich bis heute als Rekluse lebe, aber Aufgaben für die Gemeinschaft übernommen habe, wie den Pfortendienst oder Tischdienste. Es geht mir gut hier. Gott hat mich reich beschenkt. Das Wichtigste ist, dass ich mein Gebetsleben fortführen konnte.
Frage: Wie halten Sie Kontakt zu Ihren Töchtern?
Sr. Barbara: Wir telefonieren regelmäßig und zweimal im Jahr kommen sie mich besuchen. Eine meiner Töchter hat geheiratet. Ich durfte sogar zu ihrer Hochzeit fahren. Das war so schön. Ich habe im Habit getanzt. Es war ein fröhliches und lockeres Fest. Keiner der Gäste hat mich schief angeschaut, alle haben sich mitgefreut, dass die Brautmutter auch da ist. Meine zweite Tochter hat nicht geheiratet, sie hat zwei Kinder von zwei verschiedenen Vätern. Das war schon schwer für mich.
Frage: Haben Sie sich Vorwürfe gemacht, als Mutter nicht für sie da gewesen zu sein?
Sr. Barbara: Meine leibliche Schwester hat mir gesagt, dass ich mir keine Vorwürfe machen soll. Auch in den besten katholischen Familien würde so etwas vorkommen. Meine Tochter ist eine gute Mutter, das zählt. Natürlich hat sie mich oft angerufen, als es ihr nicht gut ging und sie mich gebraucht hat. Darunter habe ich sehr gelitten, weil ich nichts für sie tun konnte, außer beten. Ich habe viel für sie gebetet. Das hat ihr gut getan, hat sie mir später erzählt. Irgendwann habe ich mir natürlich auch schon mal sagen lassen müssen, dass ich damals nur ins Kloster eingetreten wäre, um versorgt zu sein. Aber ich habe geantwortet, dass das nicht stimmt und als Motivation zu wenig gewesen wäre. So wird man im Kloster nicht glücklich. Da muss schon Gott dahinter stecken, wenn man so einen Schritt wagt.
Frage: Wie finden Ihre Enkel es denn, dass ihre Oma im Kloster ist?
Sr. Barbara: Einmal haben sie mich gefragt: "Oma, warum bist du ins Kloster gegangen?" Ich habe ihnen erklärt, dass es das Richtige für mich war. Zuerst waren sie traurig, dann haben sie es verstanden. Ich sehe meine Enkel zweimal im Jahr. Die beiden Großen studieren schon, die zwei Kleinen gehen noch zur Schule. Wir telefonieren viel und schreiben uns gelegentlich.
Frage: Wie haben Ihre Mitschwestern darauf reagiert, dass Sie als Witwe in das Kloster gekommen sind? Spüren Sie Vorbehalte?
Sr. Barbara: Nein, die freuen sich mit mir. Aber anfangs waren manche skeptisch. Lange Zeit vor meinem Eintritt gab es schon mal eine Mitschwester, die verheiratet war. Sie ist bald wieder ausgetreten. Aus diesem Grund wollten die Schwestern erst mal abwarten, ob ich es überhaupt schaffe. Meine Novizenmeisterin hat aber schon nach sechs Wochen Eingewöhnungsphase zu mir gesagt: "Ich glaube, ich kann dein Kostüm weggeben, du bleibst." Sie hatte Recht behalten.
Frage: Was denken Sie, würde Ihr Mann heute dazu sagen?
Sr. Barbara: Ich glaube, er wäre damit einverstanden, wie ich lebe. Die Liebe bleibt.