Berliner Oberhirte gegen Widerspruchslösung von Jens Spahn

Erzbischof Koch: So könnte es mehr Organspender geben

Veröffentlicht am 11.09.2018 um 09:45 Uhr – Lesedauer: 
Medizin

Berlin ‐ Das Thema Organspende erhitzt die Gemüter. Berlins Erzbischof Heiner Koch lehnt die Widerspruchslösung von Gesundheitsminister Jens Spahn entschieden ab. Stattdessen macht er einen anderen Vorschlag.

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In der Debatte um eine Reform der Organspende schlägt Berlins katholischer Erzbischof Heiner Koch eine neue Möglichkeit zur Steigerung der Spenderzahlen vor. "Warum sollte nicht jeder Erwachsene bei der Ausstellung eines Ausweispapiers mit der Frage konfrontiert werden, ob er Organe zu spenden bereit ist oder nicht oder diese Entscheidung derzeit treffen kann oder will", schreibt Koch in einem Montag vorab veröffentlichten Gastbeitrag für die Boulevardzeitung "B.Z.".

"Es gäbe also eine Art Meldepflicht, aber gleichzeitig eine maximale Entscheidungsfreiheit", so der Erzbischof. Diese Lösung hätte zur Folge, dass jeder sich mit dem Pro und Kontra einer Organ- oder Gewebespende auseinandersetzen müsse. "Alle müssten sich, um es mit einem Wort der Bibel zu sagen, 'auf Herz und Nieren prüfen' und dann eine gut begründete Entscheidung treffen."

"Wer kein Organspender sein will..."

Den Vorstoß von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), eine Widerspruchslösung einzuführen und damit die Zahl der Organspender zu erhöhen, lehnt der Erzbischof indes ab: "Wer kein Organspender sein will, braucht niemandem darüber Rechenschaft abzulegen." Er halte die geltende Regelung für richtig: "Eine Organspende kommt nur in Frage, wenn eine explizite Zustimmung des Spenders selber oder seiner Angehörigen vorliegt. Sie trägt der Würde des Menschen Rechnung."

Bild: ©dpa/Arno Burgi

Der Erzischof von Berlin, Heiner Koch, ist gegen die von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn vorgeschlagene Widerspruchslösung bei Organspenden.

Zugleich mahnte Koch, die Rahmenbedingungen in Krankenhäusern zu verbessern, Transparenz bei der Organvergabe sicherzustellen und Missbrauch entgegenzuwirken, um das verloren gegangene Vertrauen der Menschen wiederzugewinnen.

Die Widerspruchslösung, bei der der Bürger einer Organspende aktiv widersprechen muss, hatte bereits zuvor zu Kritik von Kirchenvertretern geführt. Die Deutsche Bischofskonferenz äußerte erhebliche ethische Bedenken. Eine Organspende sei ein Akt von hohem moralischen Wert und eine besondere Form des Zeugnisses der Nächstenliebe über den Tod hinaus, sagte Pressesprecher Matthias Kopp in der vergangenen Woche. Das jetzige System gewährleiste demnach die Möglichkeit einer freien und informierten Entscheidung und respektiere das Selbstbestimmungsrecht.

"Man kann die Organspende nicht einfach zur rechtlichen und moralischen Pflicht erklären", sagte auch der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Thomas Sternberg. Eine Organentnahme ohne vorherige ausdrückliche Zustimmung des Betroffenen sei "ein sehr weitgehender Eingriff in die Integrität des Menschen und seines Körpers". Der evangelische Theologe und Ethikrat-Chef Peter Dabrock erklärte, die bisherige Organspende trage den Charakter von Freiwilligkeit und von wohltätiger Solidarität mit Schwerkranken. Mit einer Widerspruchslösung würden stattdessen Verpflichtung und Abgabe in den Mittelpunkt gestellt. (bod/KNA)