"Nobelpreis für Theologie" geht nach Wien und ins Tessin
Der diesjährige Joseph-Ratzinger-Preis geht an die deutsche Theologin Marianne Schlosser und an den Schweizer Architekten Mario Botta. Das teilte die "Vatikanische Stiftung Joseph Ratzinger - Benedikt XVI." am Donnerstag mit. Die aus dem bayerischen Donauwörth stammende und in Wien lehrende Schlosser (58) ist nach der Französin Anne-Marie Pelletier die zweite Frau, die die theologische Auszeichnung erhält. Die Verleihung findet am 17. November im Vatikan statt.
Kurienkardinal Gianfranco Ravasi, Präsident des Päpstlichen Kulturrates und Mitglied des wissenschaftlichen Beirats der Stiftung, sagte bei der Bekanntgabe, Schlosser werde vor allem als Kennerin der frühkirchlichen und mittelalterlichen Theologie geehrt. Er verwies auf ihre Forschungen zu Bonaventura (1221-1274), über den Joseph Ratzinger 1959 seine Habilitationsschrift vorlegte. Schlosser besorgte unter anderem die Herausgabe des entsprechenden Bandes der gesammelten Ratzinger-Schriften. 2014 berief Papst Franziskus die Theologin in die Internationale Theologenkommission.
Theologische Dimension der Ästhetik
Den Tessiner Architekten Botta (75) lobte Ravasi für die theologische Dimension seiner Ästhetik. Botta habe rund 20 Sakralbauten entworfen, darunter die Cymbalista-Synagoge in Tel Aviv und eine Moschee in China. In seiner Architektur erweise sich Religiosität als "Stachel im Fleisch" einer säkularen Kultur, so der Kardinal.
Zu den bekanntesten Sakralbauten Bottas gehört die Kirche "Johannes der Täufer" in Mogno im Tessin. Im Februar 2013 wurde Botta von Papst Benedikt XVI. in die Päpstliche Akademie der schönen Künste berufen. Nach Ravasis Worten kamen das Stiftungskomitee und Benedikt XVI. unabhängig voneinander auf die Idee, Botta für den Ratzinger-Preis zu nominieren.
Preis für Forschung und Lehre "Offene Vernunft" verliehen
Unabhängig vom Ratzinger-Preis vergibt die Stiftung einen Preis für theologische Forschung und Lehre, der nach einem Prinzip von Ratzingers Denken "Offene Vernunft" benannt ist. Unter rund 170 Bewerbern aus mehr als 100 Universitäten setzten sich die Spanier Javier Sanchez Canizares und Juan Arana in der Sektion Forschung durch. Die Auszeichnungen im Bereich Lehre erhalten das spanische Dozenten-Duo Gonalo Genova und Maria del Rosario Gonzalez sowie die US-Amerikaner John Cavadini, Jay Martin, Patricia Bellm und Christopher Baglow. Die Preisverleihung ist Montag im Vatikan.
Sanchez wird für eine Arbeit über das Verständnis des Universums geehrt. Arana für Thesen zum menschlichen Gewissen. Genova und Gonzalez entwickelten einen Kurs "Ethik für Ingenieure", während das US-Team von der Notre-Dame-Universität in Indiana ein Bildungsprogramm für Lehrer zum Dialog zwischen Wissenschaft und Religion erarbeiteten.
Jede der vier Auszeichnungen ist mit 50.000 Euro dotiert. Im Unterschied zum Joseph-Ratzinger-Preis ist bei "Offene Vernunft" eine Selbstbewerbung möglich. Den Rückgang von 300 Bewerbungen zur Premiere im vergangenen Jahr auf jetzt 170 wertete Federico Lombardi von der Ratzinger-Stiftung als ein Zeichen, dass das theologische Niveau der Ausschreibung ernster genommen werde. (KNA)