Diese Kirche ist jetzt eine Moschee
Dass die neue Moschee der islamischen Al-Nour-Gemeinde einmal eine christliches Gotteshaus war, ist besonders von außen noch deutlich zu erkennen. Fast sechs Jahre lang wurde die ehemals evangelische Kapernaum-Kirche im Hamburger Osten umgebaut. Der Glockenturm mit roten Ziegeln hat wenig Ähnlichkeit mit einem Minarett; das Schiff mit seinen Betonpfeilern: ein typischer Kirchbau der 60er Jahre. "Außen Kirche, innen Moschee - das war immer unser Motto", sagt der Vorsitzende des Moscheevereins, Daniel Abdin.
Seine als gemäßigt geltende Gemeinde trifft sich derzeit noch in einer umgebauten Tiefgarage im Bahnhofsviertel Sankt Georg. 1993 von sieben Libanesen gegründet, kommen heute zu den Freitagsgebeten regelmäßig 2.500 Muslime verschiedener Nationen; aus Platzmangel wird in zwei Schichten gebetet. Viele Jahre suchte der Vorstand nach einem neuen Gebäude und wurde am Ende fündig, als die ehemalige Kirche im Stadtteil Horn in einer Online-Immobilienbörse zum Verkauf stand. Sie wurde 2002 entwidmet und 2005 an einen Unternehmer veräußert, der sie sieben Jahre später für eine hohe sechsstellige Summe an die Al-Nour-Gemeinde weiterverkaufte.
Eröffnung verzögerte sich mehrfach
Die ursprünglich für Oktober 2013 geplante Eröffnung verzögerte sich mehrmals. Der Umbau gestaltete sich schwieriger als gedacht, unter anderem wegen Problemen mit dem Denkmalschutz und bei der Gründung des Fundaments. Die Kosten stiegen von 1,5 Millionen auf rund 5 Millionen Euro. Der Großteil der Summe stammt aus Spenden; 1,1 Millionen Euro steuerte der Staat Kuwait bei, der regelmäßig Moscheebauten im Ausland unterstützt. Die Sanierung des Turms sowie der Bau einer neuen Fassade sind noch nicht abgeschlossen.
Der Gebetsraum, in den eine Empore für die Frauen eingezogen wurde, ist aber schon fertig. Ein reich verzierter Teppich, eine Predigtkanzel und arabische Schriftzüge an den Wänden verleihen ihm den Charakter einer Moschee. Doch auch hier erinnert ein Relikt an die ehemalige Kirche: Auf den Buntglasfenstern leuchtet bei genauem Hinsehen ein gelbes Kreuz.
Das Projekt sorgte 2013 bei Bekanntwerden für bundesweites Aufsehen: das erste Gotteshaus aus dem Bereich der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), das zur Moschee umgewandelt wurde. Der damalige EKD-Ratsvorsitzende Nikolaus Schneider nannte die Veräußerung der Kirche ein "Missgeschick" und eine Zumutung für jene Menschen, die sich mit dem Gotteshaus identifizierten. Der Hamburger Weihbischof Hans-Jochen Jaschke sagte, eine Austauschbarkeit von Christentum und Islam sei nicht im Sinne eines guten interreligiösen Dialogs. Bei der Eröffnung sprach dagegen Nordkirchen-Vertreter Klaus Schäfer von "einem leuchtenden Beispiel interreligiöser Offenheit und interreligiöser Gespräche".
Daniel Abdin betont, die Moscheegemeinde sei das Projekt mit viel Fingerspitzengefühl angegangen: "Wir wollen den christlichen Brüdern und Schwestern nicht auf den Schlips treten." Viele der damaligen Kritiker seien inzwischen verstummt. Einen Anschlag von Anfang September, bei dem Unbekannte die neue Moschee mit fremdenfeindlichen Parolen beschmierten, hält er für einen Einzelfall. "Ich mache mir deshalb keine Sorgen."
Ort interreligiöser Begegnung
Ganz im Sinne des Symbolcharakters solle das Gotteshaus zu einem Ort interreligiöser Begegnung werden. Führungen und Vorträge für Schulklassen und Gruppen, die die Gemeinde schon jetzt in Sankt Georg anbietet, sollen beibehalten werden. Einmal im Monat würden die Nachbarn zu Kaffee und Kuchen eingeladen. Und zum bevorstehenden "Tag der offenen Moschee" am 3. Oktober stünden die Türen für jedermann "ganz weit offen".
Auch wenn die neue Moschee künftig Hauptsitz der Al-Nour-Gemeinde werden soll - ihre Tiefgarage im Zentrum will sie vorerst als Treffpunkt behalten. In den neuen Gebetsraum passen laut Abdin nur 400 bis 500 Menschen, sodass das Platzproblem nicht gelöst ist. Zudem sei der Stadtteil Sankt Georg ein sozialer Brennpunkt, aus dem man sich nicht zurückziehen wolle. "Wir werden auch dort weiter nach geeigneten Räumen suchen, um vom Tiefgaragen-Image wegzukommen."