Vom Unterschied zwischen Verkündigung und Verlautbarung

Braucht die Kirche Journalismus?

Veröffentlicht am 28.09.2018 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Düsseldorf ‐ Will die Kirche Menschen erreichen, die keine enge Bindung an sie haben, muss sie verkündigen. Dazu brauche sie vor allem unabhängigen Journalismus, meint Albrecht von Croy.

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Wofür steht sie wirklich, unsere katholische Kirche? Was ist die Kernkompetenz der una sancta? Was hält sie noch im Innersten zusammen, auch in diesen rauen Zeiten? Es ist die stete Verkündigung einer wunderbaren Botschaft, einer Botschaft der Liebe Christi, die sich vor allem den Armen und Kranken, den Vergessenen und Verzweifelten, den Trost- und Hoffnungslosen zuwendet. Es war und ist eine der größten "Erfolgsgeschichten" der Kirche: die wahre "Caritas". Die Liebe, die Hingabe und Fürsorge für den Nächsten.

Ihren größten Zulauf hatte die Kirche, als sie ihre wahre Stärke der Verkündigung offensiv und unbefangen zur Geltung kommen ließ. Verkündigung ist Erzählung, eine Geschichte präsentieren, sie auslegen und deuten. Und sie aufladen mit Emotionen, von Menschen sprechen, die begeistert katholisch sind, von solchen, die Glaubenszweifel überwunden haben, von solchen, die mitten in einem solchen Prozess sind, von geläuterten und auch von am Glauben Gescheiterten. Verkündigung ist aus dem Evangelium und der Wirklichkeit abgeleitete Handlungsempfehlung, eben mit Hinleitung zur Kirche Gottes. "Denn auch uns ist eine gute Botschaft verkündigt worden, gleichwie auch jenen; aber das Wort der Verkündigung nützte jenen nicht, weil es bei denen, die es hörten, nicht mit dem Glauben vermischt war", heißt es im Hebräerbrief.

Ohne Glauben ist alles (Katholische) nichts! Und ohne Verkündigung kein Glaube: "Also ist der Glaube aus der Verkündigung, die Verkündigung aber durch Gottes Wort" (Römer 10,17). Wer glaubwürdig Gottes Wort verkünden will, muss frei sein, muss stark sein, muss auf der Höhe der Zeit sein (nicht "mit der Zeit gehen"), muss Grenzen und Mauern nicht fürchten. Das Verkünden des Wortes Gottes kann sich heute nicht mehr auf Kirchen und Kathedralen beschränken, es kann nicht in geschlossenen Zirkeln geschehen, kann nicht in engen Mauern gedeihen. Diese "gewohnten" Stätten sind nicht mehr wie früher die Zentren von Glaubensverkündigung. Wären sie es, wären die Kirchen voll und die Pfarreien Zentren gesellschaftlichen Diskurses. Sind sie das?

Albrecht von Croy
Bild: ©Fotolia.com/Roma/Privat

Albrecht v. Croy ist Mitherausgeber von "theo – das katholische Magazin".

Wer also glaubwürdig verkünden will, darf eben nicht der Bequemlichkeit halber nur zu denen sprechen, die "schon da sind", die die Reihen füllen und derer man sich sicher sein kann. Verkündigung nur nach innen verkommt schnell zur Verlautbarung! Es ist vielleicht einer der großen Irrtümer der geistlichen Verantwortlichen, sich vor dem Gegenwind einer immer säkulareren Gesellschaft und deren anwachsendem Rechtfertigungsdruck mehr und mehr in die Verlautbarung geflüchtet zu haben. Sie ist "ungefährlicher", sicherer, sie ist kontrollier- und zensierbar. Sie lässt sich einhegen, auf Bistumsgrenzen und ihre speziellen Themen und Termine beschränken. Verlautbarung gibt dem Bischof eine Bühne und dem "Apparat" seine Sicherheit. Verlautbarung ist Austausch mit eigenen Kräften, sie ist Selbstvergewisserung für die Unanfechtbarkeit eigenen Tuns.

Ist dieser Rückzug der Grund für die anschwellende Selbstreflexion, die ständige Beschäftigung mit sich selbst, dieses sich im Kreis drehen, für das Stuhlkreise und runde Tische als nahezu sinnbildliche Bestätigung wirken müssen? Wirkt Kirche heute nicht zu sehr nach innen, besinnt sie sich nicht zu sehr auf ihre Binnensicht und -struktur? Hat sie die Segel der wahren Verkündigung schon gestrichen, weil der Wind außerhalb ihrer geschützten Mauern so rau weht? Weil es für die Verkündigung heute anderer, durchaus komplexerer Mittel bedarf? Solcher, die in Kirchenkreisen nicht wirklich gelitten sind, weil sie nicht beherrschbar erscheinen, weil sie sich dem direkten Zugriff entziehen, weil sie unabhängig sein müssen? Mit einem Wort: hat die Kirche ein Problem mit freiem Journalismus?

Katholiken dürfen sich nicht um sich selbst drehen

Wer heute glaubwürdig verkünden will, braucht mehr denn je die Öffentlichkeit. Und dies meint nicht die künstlichen, kirchlichen, also die 27 internen (diözesanen) Öffentlichkeiten der Verlautbarung, die sich vermeintlich so wunderbar mit eigenen, kontrollierten Medien bespielen lassen. Sondern die eine, in der sich Gesellschaft durch Diskurs verschiedener Weltanschauungen und Lebensmodelle bildet, in der gerungen und diskutiert wird und schließlich die Urteile in die eine oder andere Richtung fallen. Diese Öffentlichkeit gibt es nur einmal und die Verbindung von Institutionen zu ihr und damit ihrer potentiellen Klientel stellt freier, also unabhängiger Journalismus her.

Auf diesem zugegeben für die katholische Kirche schwierig gewordenem Parkett muss sie dennoch präsent sein, wenn sie ihre (einstmaligen) Schafe nicht verloren geben will. Die Katholiken können sich den Luxus nicht erlauben, sich um sich selbst zu drehen, gerade jetzt müssen sie mehr denn je einen Kontakt zu ihren Rändern herstellen. Die Verantwortlichen, ob geweiht oder Laien, müssen die Menschen erreichen, die vielleicht ansprechbar sind, weil sie im Herzen noch eine Verbindung zu Kirche und froher Botschaft haben, "im Kopf" aber geflohen sind vor zu viel internem Sprachgebrauch, vor kleinlichen und abstrakten Diskussionen, vor Skandalen und öffentlicher Kabale. Die Schar der "Glaubenswilligen", die die Kirche suchen und mit ihrer Botschaft auch erreichen muss, lebt mehr denn je in einem Kokon von Problemen, Ablenkungen und Selbstzweifeln. Sie wollen angesprochen, sie wollen erreicht werden, sie selbst sind eher passiv und warten auf die Initiative. Es ist nicht die Aufgabe der Kirche, diesen Umstand fortgesetzt larmoyant zu beklagen, sondern den Panzer aus Zurückhaltung und Distanz zu durchdringen, um an den wahren Kern und die wahren Bedürfnisse zu kommen. Wenn sie vor lauter Verlautbarung nicht zu einer Quantité négligeable werden will, haben die Bischöfe und Pfarrer eigentlich nur ein probates Mittel, nur einen glaubwürdigen Mittler: den unabhängigen Journalismus.

Ein Stapel Zeitungen.
Bild: ©Imaginis/Fotolia.com

Die Kirche brauche Journalismus, um mit der Gesellschaft im Kontakt zu stehen, so Albrecht von Croy. Ansonsten laufe sie Gefahr, nur mittels Verlautbarungen zu kommunizieren.

Wenn heute selbst Kirchenfürsten beklagen, die katholische Kirche habe ja kaum noch ernstzunehmende Medien (und unterstütze die wenigen vorhandenen auch nicht), dann legen sie die Finger in eine schwärende Wunde: eine Absage an katholischen Journalismus ist eine Absage an wahre Verkündigung! Denn will diese verfangen auf dem "Markt der Möglichkeiten" (und wer wollte leugnen, dass die katholische Kirche in einem öffentlichen Wettbewerb mit Sinnstiftern und Esoterikern steht), muss sie offensiv sein und bleiben, muss sich messen mit den Konkurrenten, muss gelegentlich aufblitzende Überheblichkeit angesichts mangelndem theologischen Wissen und pastoralen Begrifflichkeiten im Zaum halten. Sie muss auf Augenhöhe agieren, sie muss den alten, über Jahrhunderte immanenten Kontrollzwang überwinden. Sie muss sich vergegenwärtigen, dass in einer stark säkularisierten Öffentlichkeit alles kirchliche zunächst Distanz erzeugt, sie braucht einen neutralen "Träger" ihrer Botschaft, sie braucht katholischen Journalismus, der nicht aus ihrem Hause kommt, sondern unabhängig ist und deswegen keine kirchlichen Etiketten trägt.

Die katholische Kirche, vor allem ihre Würdenträger, müssen also ihr Misstrauen gegen unabhängigen Journalismus überwinden, die Hiebe und Schläge aus manch brutaler Auseinandersetzung der jüngeren Vergangenheit vergessen und ihren Frieden machen mit dieser Profession. Sie müssen sich dazu öffnen, mit gewohnten Strukturen und Hierarchien brechen. Sie brauchen in ihren heiligen Hallen Personal, dass die Usancen freien und unabhängigen Journalismus' kennt und auch verteidigt. Diese müssen wissen, wie unabhängige Redaktionen ticken, welche Denkschemata in ihnen herrschen, sie müssen mit ihnen auf Augenhöhe und ohne Vorbehalte reden können, sie aber vor allem "machen" lassen.

Wer in diesen für die una sancta wahrlich harten Zeiten alle Hoffnung fahren lassen will (und es kostet einige Kraft, es nicht zu tun), der möge sich in Erinnerung rufen: die stete Verkündigung dieser großartigen christlichen Botschaft hat noch alle Krisen überdauert. Wenn die katholische Kirche denn verkündet und nicht verlautbart!

Von Albrecht von Croy