Bischof fordert wegen Missbrauchs Änderung des Kirchenrechts

Kohlgraf: Es sind Verbrechen, und so müssen sie auch bezeichnet werden

Veröffentlicht am 29.09.2018 um 11:24 Uhr – Lesedauer: 

Mainz ‐ Ist Missbrauch nur ein sexuelles "Vergehen"? Der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf kritisiert diese Formulierung im kirchlichen Strafrecht scharf und fordert Veränderungen. Zudem müsse es in der deutschen Kirche weitere Untersuchungen zu Missbrauch geben.

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Als Folge des Missbrauchsskandals der katholischen Kirche fordert der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf Veränderungen im kirchlichen Strafrecht. Im Gespräch mit den Zeitungen der VRM ("Mainzer Allgemeine"/"Wiesbadener Kurier") kritisierte Kohlgraf die bisher oft sehr milden Sanktionen. Dass das Kirchenrecht von "sexuellen Vergehen" spreche, wenn Missbrauch gemeint sei, halte er für indiskutabel. Es gehe um "Verbrechen, und als solche müssen sie bezeichnet werden", betonte Kohlgraf.

"Die Weltkirche ist gefragt, wir müssen den Katalog der Kirchenstrafen überdenken, und wir brauchen zudem einheitliche Standards", sagte der Oberhirte des Bistums Mainz, das zu zwei Dritteln in Hessen und zu einem Drittel in Rheinland-Pfalz liegt. Details zu möglichen Änderungen im Kirchen-Strafrecht nannte Kohlgraf nicht, wie sein Sprecher der Deutschen Presse-Agentur mitteilte.

Besonders perfide...

Besonders perfide ist es laut dem Bischof, dass manche zu Tätern gewordene Priester ihre Taten religiös verbrämt hätten, wie es weiter in dem Zeitungsbericht heißt. Am meisten erschüttert habe ihn die große Zahl der Missbrauchsfälle, bekannte der Oberhirte. Er forderte, dass katholische Internate, Heime, Kitas, Ordensgemeinschaften und Chöre, die von der Studie nicht erfasst wurden, nun in den einzelnen Diözesen auf Missbrauchsfälle untersucht werden.

In der bundesweiten Studie über sexuellen Missbrauch katholischer Kleriker an Kindern und Jugendlichen waren jahrzehntelange Verbrechen penibel dokumentiert worden. Zwischen 1946 und 2014 sollen mindestens 1.670 katholische Geistliche 3.677 meist männliche Minderjährige missbraucht haben - und das sei nur die nachweisbare "Spitze des Eisbergs". Die deutschen Bischöfe beschlossen auf ihrer Herbstvollversammlung in Fulda einen Sieben-Punkte-Plan, der Missbrauch künftig verhindern soll. Der Maßnahmenkatalog stieß jedoch auf Kritik.

Papst Franziskus hatte im Fall des chilenischen Priesters Fernando Karadima Fariña am Freitag zur Höchststrafe im Kirchenrecht gegriffen und ihn aus dem Klerikerstand entlassen. Der inzwischen 88-Jährige zählt zu den prominentesten Priestern Chiles und wurde 2011 vom Vatikan wegen sexuellen Missbrauchs verurteilt. Karadima hatte jahrzehntelang Jugendliche missbraucht, in seinem Einflussbereich sektenähnliche Strukturen aufgebaut und sich an kirchlichen Finanzen bereichert. (tmg/dpa)