Caritas wehrt sich: Wir halten uns an Tarifverträge!
Die Caritas weist den Vorwurf zurück, durch Ausgliederungen Tarifverträge zu umgehen. "Im Kernbereich unseres Auftrags haben wir bundesweit eine Tarifbindung von 97 Prozent", sagte der Vizepräsident des Deutschen Caritasverbands, Heinz-Josef Kessmann, am Donnerstag dem Internetportal "Kirche-und-Leben.de". Zum Kernbereich zählt er etwa die Kranken- und Altenpflege und die Hilfe für Menschen mit Behinderungen.
Zuvor hatte der für Arbeitnehmerrechte engagierte Sozialpfarrer Peter Kossen kritisiert, auch in katholischen Altenheimen und Krankenhäusern würden Beschäftigte ausgegliedert, um zum Beispiel den Caritas-Tarif zu umgehen.
Für Kernbereiche wie Pflege trifft das laut Kessmann nicht zu. Er verwies auf den Fachkräftemangel: "Würden wir unter Tarif bezahlen, dann gingen unsere Pflegekräfte doch zu anderen Trägern." Kessmann ist als Vorsitzender der Arbeitsrechtlichen Kommission des Deutschen Caritasverbands auch mit dem bundesweiten Caritas-Tarifwerk befasst.
Gleichwohl gebe es Ausgliederungen, betonte er weiter: "Wenn Caritas-Träger gewerbliche Betriebe gründen, dann gilt für diese ausdrücklich nicht der Caritas-Tarif." Allerdings seien diese Tochterfirmen verpflichtet, "einen branchenüblichen Tarifvertrag anzuwenden, den eine Gewerkschaft des Deutschen Gewerkschaftsbunds abgeschlossen hat". Als Beispiele für solche Ausgliederungen nannte Kessmann Integrationsbetriebe, in denen auch Beschäftigte mit Behinderung arbeiten.
"Kirche setzt sich aus Angst nicht genug ein"
Kossen hatte der Kirche außerdem vorgeworfen, sich aus Angst nicht genügend gegen ausbeuterische und menschenunwürdige Arbeitsverhältnisse in der Industrie einzusetzen. "Nach meiner Erfahrung haben die Bischöfe Angst davor, Steuerzahlern vor den Kopf zu stoßen und sie zu verlieren", sagte er am Mitwoch im Interview auf der Internetseite der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung (KAB) im Bistum Münster. Zum Teil seien ja gerade die großen Unternehmer auch große Kirchensteuerzahler.
Kossen forderte außerdem eine deutlichere Positionierung der Kirchen zu Menschenhandel und Prostitution. Da sollten sie "den Mut haben, Alternativen einzufordern und die Stimme zu erheben". Ein solches Engagement könnte sie auch glaubwürdiger machen: "Ich habe erlebt, dass Menschen sich anders mit Kirche identifizieren oder in ihr auch eine neue Relevanz sehen, wenn sie erleben, dass Kirche auch mal aus ihren Sicherheiten herauskommt, etwas wagt." Denn man dürfe sich nicht damit abfinden, "dass wir immer älter und weniger werden und der letzte in 15 Jahren das Licht ausmacht und die Tür zu. Christen und ihre Werte werden gebraucht, heute mehr denn je."
Kossen geißelte vor allem die Zustände in der Fleischindustrie. Sie habe angefangen, "sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze durch irreguläre Beschäftigung von Arbeitsmigranten zu ersetzen". Von der Politik verlangte er, Gesetze gegen Ausbeutung und Menschenhandel in der Praxis auch durchzusetzen. Das sei derzeit nicht der Fall. (KNA)