Marx: Christen und Muslime müssen gemeinsam gegen Hass handeln
Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, ruft alle Christen und Muslime zum "gemeinsamen Aufstehen gegen jede Form von Hass und religiös motivierter Gewalt" auf. Beide müssten sie dafür eintreten, dass Hass, Diskriminierung und Dialogverweigerung keinen Platz hätten, sagte Marx am Freitagabend in Berlin. Ein "Knackpunkt" sei dabei der Antisemitismus, fügte er hinzu.
Der Kardinal sprach bei einem Festakt der Bischofskonferenz zu "40 Jahre Christlich-Islamische Begegnungs- und Dokumentationsstelle (CIBEDO)". Die Einrichtung stehe für eine "nachhaltige Arbeit", die zu Vertrauen und Freundschaft führe und auch kritische Fragen zulasse.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier forderte Christen und Muslime zu mehr Begegnung und Dialog auf. "Statt endlos darüber zu diskutieren, ob der Islam zu Deutschland gehört, sollten wir uns vielleicht als Christen untereinander und mit unseren muslimischen Nachbarn darüber unterhalten, wie es Christentum und Islam gelingen kann, auf die Fragen der jungen Menschen wirklich überzeugende Antworten zu geben." Der Bundespräsident dankte CIBEDO für "eine Arbeit, die weit über den interreligiösen Dialog hinausgeht, die Friedensarbeit in unserer Gesellschaft ist".
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CIBEDO wurde am 1978 vom Missionsorden der Weißen Väter gegründet. 1998 übernahm die Bischofskonferenz die Einrichtung als ihre Arbeitsstelle für das Gespräch mit dem Islam. CIBEDO-Geschäftsführer Timo Güzelmansur kennzeichnete die Arbeit als "Dialog nach dem katholischen Selbstverständnis mit Klugheit und Liebe". Das schließe die Wertschätzung des Anderen ein, ohne das Anderssein zu negieren. Mit Blick auf das gesellschaftliche Klima ergänzte er, die vergangenen Wochen hätten gezeigt, "wie rücksichtslos die Politik die Religion vereinnahmt und wie leicht Religion und Politik vermischt werden können".
Theologin: Aleviten hätten lange als "Ungläubige" gegolten
Der Sprecher des Koordinationsrats der Muslime, Erol Pürlü, erinnerte daran, dass es die Kirchen gewesen seien, die sich vor 40 Jahren der muslimischen "Gastarbeiter" angenommen und Kontakt gesucht hätten, während die Politik "beobachtend an der Seite" gestanden habe. Gerade der Austausch zwischen Kirchen und Moscheen habe "den Weg für den Dialog der Muslime mit der Politik und der übrigen Gesellschaft geebnet". Von einer "strukturellen Integration" des Islam könne aber immer noch nicht die Rede sein.
Die alevitische Theologin Handan Aksünger-Kizil erinnerte daran, dass ihre Religionsgemeinschaft erst in den europäischen Migrationsländern vor 30 Jahren eine öffentliche Stimme gefunden habe. Ähnlich wie ihre armenischen, aramäischen, jüdischen und jesidischen Nachbarn hätten Aleviten im Osmanischen Reich und bis in die Gegenwart als "Ungläubige" gegolten. Sie müssten vielerorts immer noch ihre religiöse Identität verheimlichen. Deshalb sei es für sie eine besondere Ehre, bei der Jubiläumsfeier mit einer alevitischen religiösen Identität in der Öffentlichkeit sprechen zu können, so die in Wien lehrende Theologin. (KNA)