Oberammergauer Passionsspiele: Muslim spielt Judas
Die angekündigte Überraschung ist perfekt. Mit Cengiz Görür wird erstmals ein Oberammergauer Muslim mit türkischen Wurzeln eine Hauptrolle im weltberühmten Passionsspiel übernehmen. Er teilt sich die Rolle des Judas mit Martin Schuster, wie bei der Vorstellung der Hauptdarsteller für die Passion 2020 bekanntgegeben wurde. Wegen der zahlreichen Aufführungen sind viele Rollen doppelt besetzt. Zudem wird der türkischstämmige Muslim Abdullah Karaca, der zweiter Spielleiter ist, als Nikodemus zu sehen sein. Er teilt sich diese Rolle mit Jonas Konsec.
Als Jesus wird wie bereits 2010 Frederik Mayet auftreten, der Pressesprecher des Münchner Volkstheaters. Mit ihm gleichberechtigt agiert Rochus Rückel, der im Sommer als Wilhelm Tell in Schillers gleichnamigen Drama auf der Bühne des Passionstheaters stand. Der zweite Jesus von 2010, Andreas Richter, kehrt als Kaiphas zurück, den auch Maximilian Stöger verkörpert. Ein Wiedersehen gibt es mit Andrea Hecht als Maria, die sich mit Eva Reiser abwechseln wird. Hecht war 2000 als Maria und 2010 als Maria Magdalena dabei.
Spielleiter Stückl: Junge Generation beteiligen
Spielleiter Christian Stückl (56), der die Passion zum vierten Mal inszeniert, nannte es zuvor "unglaublich schwierig", die 20 Hauptrollen zu vergeben. Sicher werde es Enttäuschte geben, aber ihm sei wichtig, die jüngere Generation mitzunehmen.
Mit 1.850 Oberammergauern hätten sich so viele wie nie zuvor beworben. Der Frauenanteil sei mit 53 Prozent der höchste, den es je gegeben habe. Stückl verwies darauf, dass die ausgewählten Darsteller gleichberechtigt agierten. Wer in der Premiere spiele, entscheide das Los.
Im Rahmen eines ökumenischen Gottesdienstes im Passionsspielhaus hatten die Oberammergauer zuvor feierlich ihr Gelübde erneuert, 2020 wieder das Spiel vom Leiden und Sterben Jesu auf die Bühne zu bringen. Das Mädchen Sophie sprach stellvertretend die entscheidenden Worte.
Die 42. Oberammergauer Passionsspiele finden vom 16. Mai bis 4. Oktober 2020 statt. Die Spielleitung um Stückl und Karaca wird erneut unterstützt von Stefan Hageneier, verantwortlich für Bühnenbild und Kostüme, und Markus Zwink für Chor und Orchester.
Münchner Weihbischof: Passionsspiele "keine Folklore"
Der Brauch geht auf das Jahr 1633 zurück. Damals starben 84 Menschen während des Dreißigjährigen Krieges an der Pest. Die Einwohner gelobten daraufhin, alle zehn Jahre die Passion Jesu aufzuführen, damit Gott der Krankheit ein Ende bereite. Der Überlieferung nach starb danach niemand mehr an der Pest.
Der Münchner Weihbischof Wolfgang Bischof betonte, die Aufführung der Passion sei "keine Folklore und Gedenkveranstaltung". Vielmehr finde hier die "Vergegenwärtigung des Heilwirkens Gottes zu jeder Zeit, auch heute und hier und jetzt" statt.
Die evangelische Regionalbischöfin Susanne Breit-Keßler würdigte den Einsatz der Mitwirkenden. Mit Leib und Seele werde hier die Geschichte vom Leiden, Sterben und der Auferstehung Jesu erzählt: "Das Passionsspiel zeigt uns, wer wir sind, nämlich Gottes geliebte Menschen." (KNA)