Hamburger Erzbischof gegen "Tabuthemen" in Kirche

Heße: Homosexualität muss theologisch neu eingeordnet werden

Veröffentlicht am 25.10.2018 um 13:20 Uhr – Lesedauer: 

Hamburg ‐ Wenn es nach dem Hamburger Erzbischof Stefan Heße geht, sind Tabuthemen in der Kirche künftig ein Tabu. Insbesondere beim Thema Homosexualität könne es nicht so weitergehen wie bisher. Das betreffe gerade auch die Priesterausbildung.

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Der Hamburger Erzbischof Stefan Heße hat sich dafür ausgesprochen, Opfer von Missbrauch durch Geistliche in die Aufarbeitung der Fälle stärker mit einzubeziehen. Auf einer Podiumsdiskussion am Mittwochabend in Hamburg forderte er zudem einen offeneren Umgang in der katholischen Kirche mit dem Thema Sexualität. Insbesondere müsse die Homosexualität theologisch neu eingeordnet werden: "Es darf keine Tabuthemen geben. In den Priesterseminaren sollte offen über Sexualität gesprochen werden", so der Erzbischof in der Veranstaltung der Katholischen Akademie Hamburg.

Kritik an der bisher geleisteten Aufarbeitung der Missbrauchsfälle in der Kirche kam von dem Psychiater Harald Dreßing. Die ermittelten Zahlen von Betroffenen und Beschuldigten seien "lediglich die nachweisbare Spitze des Eisbergs". Viele Akten seien verschwunden oder manipuliert worden, so Dreßing, der die von den deutschen Bischöfen in Auftrag gegebene Studie "Sexueller Missbrauch an Minderjährigen durch katholische Priester, Diakone und männliche Ordensangehörige im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz" koordiniert hatte.

Strukturelle Vertuschungspraktiken

Dreßing warf der Kirche strukturelle Vertuschungspraktiken vor. "Beschuldigte Priester sind - im Vergleich zu einer hohen Anzahl nicht betroffener Geistlicher - in den zurückliegenden Jahren signifikant häufig versetzt wurden." Gewisse Strukturen in der katholischen Kirche würden den Missbrauch fördern - neben dem Zölibat sei dies auch eine ausgeprägte klerikale Macht einzelner Geistlicher. Auch der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Thomas Sternberg, forderte dazu auf, "bündnerische Strukturen" der Kleriker aufzubrechen. Er kritisierte ein zum Teil überholtes Amts- und Kirchenverständnis, das Missbrauch begünstigen könne.

Die deutschen Bischöfe hatten Ende September die von ihnen in Auftrag gegebene Missbrauchsstudie vorgestellt. Demnach gab es in den Akten aus der Zeit zwischen 1946 und 2014 in Deutschland Hinweise auf 3.677 Betroffene sexueller Übergriffe von mindestens 1.670 Beschuldigten, darunter mehrheitlich Priester.

Auf dem Gebiet des heutigen Erzbistums Hamburg wurden 103 Betroffene und 33 beschuldigte Priester verzeichnet. Heße hatte nach Veröffentlichung der Zahlen erklärt, es müsse überprüft werden, was in Personalarbeit, Prävention und Aufarbeitung noch verbessert werden könne. "Wir werden über die Fragen von Autorität, Machtgebrauch und Hierarchie reden müssen", sagte er. (tmg/KNA)