Marx: Wir Christen lassen uns von den Juden nicht mehr trennen
Die Spitzen der beiden großen Kirchen in Deutschland haben ihre Verbindung zum Judentum unterstrichen. Es sei "für uns als Kirchen selbstverständlich, dass wir uns nicht mehr von den Juden trennen lassen", sagte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, am Donnerstagabend in Würzburg bei einer Podiumsdiskussion des Zentralrats der Juden in Deutschland. "Ein Christ kann kein Antisemit sein", zitierte er Papst Franziskus.
Dessen Präsident Josef Schuster sagte, dies sei ein ausgesprochen wichtiges Signal an die Gesellschaft. Allerdings müssten die Kirchen diese Botschaft nun auch flächendeckend in ihren Reihen verbreiten. Über lange Zeit sei von den Kanzeln "etwas anderes gepredigt worden".
Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD), Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, sagte, "diesen Auftrag nehmen wir an". Die Kirchen hätten im Umgang mit ihren "jüdischen Geschwistern" in der Vergangenheit viel Schuld auf sich geladen. Deswegen hätten sie jetzt eine besondere Verantwortung. Antisemitismus sei Gotteslästerung, so Bedford-Strohm. Zuvor hatten die drei Religionsvertreter am Platz der ehemaligen Synagoge in Würzburg gemeinsam der Novemberpogrome vor 80 Jahren gedacht.
Erschrecken ist größer, nicht kleiner geworden
Marx erklärte, bei ihm sei in den letzten Jahren das Erschrecken über die Geschehnisse von 1938 größer, nicht kleiner geworden. "Aus dem Abstand sieht man mehr, das geht vielen so." Zugleich sei bei ihm auch die Sorge um den Bestand der Demokratie in den vergangenen zehn Jahren gewachsen. Dennoch könne er nicht erkennen, dass eine Mehrheit der Gesellschaft für Hetzparolen empfänglich sei.
Schuster sagte, ihn stimme zuversichtlich, dass die Zahl derer kleiner geworden sei, die einen Schlussstrich unter die Erinnerung an die Verbrechen der Nazis an den Juden ziehen wollten. Es gebe jedoch seit Jahrzehnten einen stabilen Anteil von 20 Prozent unter den Deutschen, die Vorbehalte gegen Juden hätten. Er befürchte, dass diese auch durch eine noch so gute Erinnerungskultur nicht zu erreichen seien.
Nach Worten von Bedford-Strohm müssen Schule und Elternhaus jungen Menschen Mitgefühl und Empfindsamkeit für das Leid anderer vermitteln. Gesamtgesellschaftlich sei es wichtig, auf die Sprache zu achten und frühzeitig der Verrohung entgegenzutreten. "Völkermord beginnt, wenn Menschen mit einem Etikett versehen und abgewertet werden." Dies sei beim Holocaust und auch in Ruanda so gewesen. (tmg/KNA)