"Postchristliche Generation"

EKD-Studie: Kirche für junge Menschen bedeutungslos

Veröffentlicht am 12.11.2018 um 16:50 Uhr – Lesedauer: 

Würzburg ‐ Noch fast zwei Drittel aller Jugendlichen in Deutschland sind getaufte Christen. Doch wie steht es um ihren Glauben? Eine neue Studie der Evangelischen Kirche in Deutschland liefert nun alarmierende Zahlen.

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Kirche und Glauben sind für viele junge Menschen nach einer Studie der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) inzwischen weitgehend bedeutungslos. Zwar gehören noch 61 Prozent der jungen Menschen einer der großen Kirchen an, ergab die am Montag auf der EKD-Synode in Würzburg vorgestellte Untersuchung. Aber nur noch 19 Prozent bezeichnen sich als religiös. Gott oder die Kirchengemeinde spielen für rund 5 Prozent noch eine Rolle. Die größte Bedeutung räumen die vom Sozialwissenschaftlichen Institut der EKD befragten 19- bis 27-Jährigen sich selber, Familie, Freunden und Kollegen ein.

"Wir haben den Eindruck, dass wir es mit einer postchristlichen Generation zu tun haben", fasst Institutschef Gerhard Wegner die Ergebnisse zusammen. "Diese Generation lebt ein eigenständiges, glückliches Leben, auch ohne uns als Kirche." Von einer Generation, die fast alle Brücken zur Kirche abgebrochen hat und ihr keine große gesellschaftliche Rolle mehr zutraut, ist im Resümee der Studie die Rede. "Kirche muss sehen, dass die Gruppe der jungen Erwachsenen eigentlich so gut wie nichts mehr von ihr erwartet."

Um dennoch wieder mehr Anschluss bei jungen Menschen zu finden, präsentierte die EKD bei ihrer Tagung in Würzburg Konzepte zur Modernisierung. Verstärkt müsse die Kirche ihre Botschaft auf digitalem Weg transportieren, lautete ein Vorschlag. Kirche brauche neue Orte der Gemeinschaft und müsse ihre Botschaft in einer für junge Menschen verständlichen Sprache transportieren. Auch die Kirchenmusik müsse den Ton der jungen Generation treffen. Endlich müssten die leitenden Kirchengremien jungen Menschen mehr Mitgestaltung einräumen, lautete auch eine Mahnung an die EKD-Synode.

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Die jüngste Shell-Jugendstudie habe ergeben, dass es rund zwei Drittel aller Jugendlichen gut fänden, dass es die Kirche gebe, erklärte der Münchner Sozialwissenschaftlers Ulrich Schneekloth. "Aber rund zwei Drittel sagen auch, dass sich die Kirche ändern muss, wenn sie eine Zukunft haben will", so der Wissenschaftler, der an der 2015 erschienen Studie selbst beteiligt war. Und 57 Prozent der Jugendlichen sagten, auf die Fragen, die sie wirklich bewegten, habe die Kirche keine Antwort.

Die Münsteraner Theologin Anna-Katharina Lienau machte deutlich, dass Jugendliche nicht einfach vorgegebene religiöse Erklärungen übernehmen wollten. "Sie wollen sich selbst Gedanken machen." Jugendliche fänden nach der Konfirmandenzeit oft Gottesdienste langweiliger als zuvor und trauten der Kirche nach der Konfirmadenzeit weniger Kompetenz zu. Vielfach fehlten zudem konkrete Angebote und Räume, die den Übergang in den erwachsenen Kirchenraum ermöglichten. Zeitlich begrenzte Projekte seien für Jugendlicher oft anziehender.

Angesichts eines anhaltenden Mitglieder- und Bedeutungsverlusts hat die EKD die Nachwuchsgewinnung in den Fokus ihrer Jahrestagung in Würzburg gerückt, an der Vertreter aus allen 20 evangelischen Landeskirchen teilnehmen. Für eine Modernisierung kann die EKD Anstöße geben - die konkrete Umsetzung liegt aber in der Hand der Landeskirchen. Die Kirchentagung dauert noch bis Mittwoch und beschäftigt sich auch mit Fällen sexuellen Missbrauchs und der Friedensarbeit der Kirche. (bod/KNA/dpa)