Trauerblumen: Dafür stehen die Blumen auf dem Grab
Angenommen, ein Kunde möchte ein Blumenarrangement für das Grab eines lieben Verstorbenen bestellen und damit seine Trauer und Verbundenheit ausdrücken – was empfiehlt ihm ein erfahrener Friedhofsgärtner? "Als Beiwerk würde ich auf Blätter von einer Hängebirke oder Hängebuche zurückgreifen", sagt Lüder Nobbmann, ehemaliger Vorsitzender des Bunds deutscher Friedhofsgärtner. "Dann sollte man Blumen nehmen, die unmittelbar Trauer zum Ausdruck bringen. Außerdem kommt es noch auf die Farbe an: Wenn ich meine Liebe zu dem Verstorbenen zum Ausdruck bringen möchte, dann etwas Rotes."
Die Ausführungen des 75-Jährigen machen deutlich: Das oft zitierte Sprichwort "Blumen sagen mehr als tausend Worte" trifft besonders in der Trauer um einen geliebten Menschen zu. Wo Worte meist versagen, sind Blumen Ausdruck der Wertschätzung des Verstorbenen und spenden Trost und Hoffnung für die Hinterbliebenen. Lüder Nobbmann hat sich im Laufe seines Berufslebens intensiv mit der Symbolik von Blumen auseinandergesetzt. Dass sich einige Gewächse im Laufe der Jahrhunderte zu Sinnbildern der Trauer entwickelt haben, liegt an der traditionellen Nähe der Menschen zu Pflanzen und Blumen: "Blumen haben den Menschen seit jeher etwas zu sagen. Für unsere Vorfahren waren sie nahezu der einzige Weg, etwas symbolisch auszudrücken." Manche Pflanzen tragen auf Deutsch sogar entsprechende Namen, etwa die Trauerweide oder das Tränende Herz.
Unschuldig am Himmelstor
Der Klassiker unter den Trauerpflanzen ist jedoch bis heute die Lilie. Sie gilt als Königin unter den Blumen. Mit einer Lilie signalisiert man Hochachtung und Zuneigung. Bereits die Form der Lilie ist laut Nobbmann ein Hinweis auf den Tod, denn sie "öffnet sich gen Himmel". Gerade die weiße Lilie verkörpert die Unschuld und den Übergang vom Leben zum Tod. "Sie vermittelt den Wunsch, dass der Verstorbene unschuldig vor das Himmelstor treten soll."
Neben der Lilie dienen oft Blumen als Trauersymbole, denen ein Bezug zum christlichen Glauben zugeschrieben wird. Auf vielen Gräbern findet man beispielsweise Akeleien. Sie stehen für Dreifaltigkeit und für die drei christlichen Tugenden Glaube, Liebe und Hoffnung. Das Vergissmeinnicht symbolisiert Abschied in Liebe, während das Immergrün die Abwehr des Bösen, Erinnerung und Treue im Glauben verkörpert. Die farbige Blütenmitte des Alpenveilchens steht für Marias blutendes Herz beim Tode Jesu. Farne wiederum sind Sinnbilder für die Schöpfungsgeheimnisse und stehen gleichzeitig auch für das Unheimliche. Für Lüder Nobbmann sind Blumen auf den Gräbern Brücken zwischen Himmel und Erde. "Durch sie bekommt derjenige, der am Grab steht, sehr schnell eine spirituelle Verbindung zum Verstorbenen."
Doch nicht nur Blumen können Trauer ausdrücken. "Der Buchsbaum wird dadurch, dass er immergrün ist, mit Begriffen wie ewiges Leben in Christus in Verbindung gebracht. Ganz unmittelbar steht er für das Jenseits und die Liebe über den Tod hinaus", weiß Nobbmann. Deswegen finde sich der Buchsbaum häufig auf Gräbern. Für Efeu gelte Ähnliches: "Er wird ganz häufig auf Friedhöfen angepflanzt und steht für Unsterblichkeit und Treue." Gleichzeitig sei er ein Sinnbild für Anlehnung.
Bei vielen Trauerpflanzen schwingt immer der Begriff "Hoffnung" mit – schließlich ist aus christlicher Sicht ein Grab nicht nur ein Ort der Trauer, sondern auch der Hoffnung auf Auferstehung. Blumen, die das verkörpern, sind etwa Anemonen, Krokusse oder Veilchen. Besonders beliebt, vor allem im Frühling, ist die Primel: Sie steht für Wiedergeburt und neues Leben.
Doch neben der Blume und ihrer Farbe komme es darauf an, wie das Ganze angerichtet werde, so Nobbmann. Auch damit kann sich eine Aussage verbinden. "Man kann einen Strauß rund binden lassen, denn die Kreisform steht für Ewigkeit. Dazu soll sie den Toten schützen und Unheil abwehren." Gebrochene Formen hingegen seien unmittelbarer Ausdruck von Trauer: Sie stünden für jäh zu Ende gegengenes Leben und den Verlust eines Menschen. Am besten könne dies mit einem Zickzackstrauß symbolisiert werden – dieser sei im mitteleuropäischen Raum allerdings nicht sehr verbreitet. "Gebrochene Formen sieht man häufig in Todesanzeigen, zum Beispiel die geknickte Rose", bemerkt Nobbmann.
Symbolik der Pflanzen immer weniger bekannt
Dass die Leute die Symbolik der Pflanzen in der Trauer immer weniger kennen, muss der Friedhofsgärtner immer wieder feststellen: "Bis Anfang des 20. Jahrhunderts war dieses Wissen noch weit verbreitet. Das ist aber im Lauf der letzten 70 Jahre immer mehr zurückgedrängt worden." In dem Maße, in dem sich die Trauerkultur geändert hat, habe sich auch die Trauerfloristik verändert: Sie sei vielfältiger und individueller geworden. Vielfach würden Trauernde sehr persönliche Motive wählen, um die Verbundenheit mit dem Verstorbenen ausdrücken. Dabei gehe es weniger darum, dass bestimmte Blüten sich entweder besonders gut oder weniger gut als Trauersymbol eignen.
Dennoch überrascht es Nobbmann, dass sich viele bei der Grabbepflanzung auch heutzutage noch an der klassischen Blumenauswahl bedienen – wenn auch unbewusst. Wenn er Kunden berät, weist er sie explizit auf die Trauersymbolik gewisser Pflanzen hin. "Die Leuten finden total spannend, dass es Begründungen gibt, warum man welche Blume verwenden kann." Dem ehemaligen Präsidenten des Bunds deutscher Friedhofsgärtner ist es wichtig, den Kunden eine Verbindung zu dem Verstorbenen zu geben. "So bekommt die Grabbepflanzung eine ganz andere Wertigkeit."