Professor: Lehramt darf die Theologie nicht einschränken
Der Erfurter Liturgiewissenschaftler Benedikt Kranemann hat vor Einschränkungen der Hochschul-Theologie durch Kirchenleitungen gewarnt. "Wenn Angst und Verzagtheit vor Eingriffen des Lehramts die Szene bestimmen, und in Teilen der Theologie und insbesondere beim wissenschaftlichen Nachwuchs ist das längst zu beobachten, beschädigt das nicht nur das Ansehen der Theologie in den Wissenschaften", sagte er am Donnerstag beim Patronatsfest der Katholisch-Theologische Fakultät der Universität Erfurt.
Zuletzt hatte im Oktober die ausbleibende Bestätigung des Vatikan für eine weitere Amtszeit des Jesuiten Ansgar Wucherpfennig als Rektor der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen für Diskussionen gesorgt. Wucherpfennig wurde bereits im Februar wiedergewählt. Der Vatikan erteilte ihm bislang noch nicht die erforderliche Unbedenklichkeitserklärung ("Nihil obstat"). Wucherpfennig hatte sich in Interviews kritisch zum Umgang der Kirche mit Homosexuellen geäußert.
Kranemann: Theologie muss unbequeme Fragen stellen
Kranemann betonte: "Wenn von der Theologie heute zum Reformwerk der Kirche ein Beitrag erwartet wird, dann muss man ihr die Freiheit des Denkens und Sprechens zugestehen." Hochschul-Theologie müsse "mehr denn je unbequeme Fragen stellen und theologisch Unkonventionelles denken, um zu überzeugenden Zukunftsgestalten von Kirche wie Gesellschaft beitragen zu können", mahnte Kranemann, der Vizepräsident der Universität ist.
Kranemann verwies auf Papst Franziskus, der in seinem am Jahresanfang veröffentlichten Schreiben "Veritatis gaudium" Theologie als "kulturelles Laboratorium der Gegenwart" verstehe. Damit Theologie in diesem Sinne arbeiten könne, "ist ein offenes Denken unumgänglich, das sich nicht selbst hermetisch abschließt, sich aber auch nicht kirchlich-institutionell abschotten lässt".
Wissenschaftliche Theologie spiele auch bei der Aufarbeitung des Missbrauchsskandals eine wichtige Rolle. Sie sei als "kritische Instanz mehr denn je gefordert", so Kranemann. Die Theologie "muss zum einen die kritische Reflexion in der öffentlichen Debatte mitbetreiben, sie muss zum anderen innerhalb der Kirche das kritische Fragen als Dienstleistung anbieten". Das sei in diesem Fall nicht einfach: "Denn gerade bei diesem Skandal haben viele, auch Theologinnen und Theologen, auch in der Wissenschaft, heute den Eindruck, ein Stück Heimat verloren zu haben."
Der Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche habe "insbesondere mit Blick auf die Opfer alles in den Schatten gestellt, was man sich in einer Glaubensgemeinschaft an Skandalen vorstellen konnte", sagte Kranemann. "Es sind unübersichtliche Zeiten und dies insbesondere für eine Disziplin wie die Theologie, die sich ja nicht nur innerhalb der Wissenschaften bewegt und von solchem Skandal unberührt bleibt, sondern eben auch mit und auf die Kirche hin arbeitet", so Kranemann.
Erfurter Fakultät feiert 15-jähriges Bestehen
Einer im September veröffentlichten Studie im Auftrag der katholischen deutschen Bischöfe zufolge wurden zwischen 1946 und 2014 bundesweit 3.677 Kinder und Jugendliche Opfer sexueller Übergriffe von mindestens 1.670 beschuldigten Geistlichen.
Die Katholisch-Theologische Fakultät feiert in diesem Jahr ihr 15-jähriges Bestehen an der Universität Erfurt. Es ist die einzige Katholisch-Theologische Fakultät in Ostdeutschland. Hervor ging sie aus dem "Philosophisch-Theologischen Studium" Erfurt, das 1952 als einzige katholische akademische Ausbildungsstätte in der DDR gegründet worden war. An dem Festakt zum Jubiläum nahmen auch die Bischöfe aller fünf katholischen Ostbistümer teil. (rom/KNA)