Über den Wandel bei der Trauer

Beerdigungen: Ist Schwarz noch Pflicht?

Veröffentlicht am 30.11.2018 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Die Trauer um Verstorbene wird mit der Farbe Schwarz in Verbindung gebracht. Bei Beerdigungen scheint sie mancherorts Pflicht zu sein – und manchmal ist sie unerwünscht. Welche Farbe hat die Trauer derzeit?

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Jesus Christus ist das Licht und das Leben. Das Licht ist weiß und im Weiß sind alle Farben enthalten, also ist dies die Farbe der Auferstehung. Schwarz, das ist die Abwesenheit von Licht – und nach der physikalischen Definition ist Schwarz nicht einmal eine Farbe. Von Designern und Teenagern werde Schwarz  zwar geliebt und von Priestern und Pastorinnen getragen, schreibt Eva Heller in ihrem Sachbuch "Wie Farben wirken". Aber im Allgemeinen stehe sie für alles Negative, für Unglück, Tod und Trauer.

Ist Schwarz also die richtige Farbe der Kleidung, die man nach einem Todesfall trägt? Vieles spricht für die Assoziation mit dem Tod: Verbranntes ist schwarz, vermoderte Pflanzen und tote Zähne werden es auch. "Wie ein Nichts ohne Möglichkeit, wie ein totes Nichts nach dem Erlöschen der Sonne, wie ein ewiges Schweigen ohne Zukunft und Hoffnung klingt innerlich das Schwarz", so beschrieb der Maler Wassily Kandinsky (1866-1944) die Farbe.

Verstorbene weiß, Trauergemeinde schwarz

Mit Schwarz als allgemein akzeptierte Trauerfarbe kann sich zum Beispiel die Frage "Was ziehe ich zu einer Beerdigung an?" schnell erledigen. Allerdings war das nicht immer so – erst im 19. Jahrhundert hatte sich dunkle und schwarze Bekleidung als Trauerbekleidung durchgesetzt. Und das gilt nur für die sogenannte westliche Welt: In Asien etwa ist Weiß die Trauerfarbe und auch bei all den Völkern, denen Schwarz die Symbolfarbe für Fruchtbarkeit ist. Für sie ist der "weiße Tod" der Gegensatz zur schwarzen Fruchtbarkeit. 

Weiß waren auch die Gewänder, die Urchristen bei Beerdigungen trugen – allerdings aus Freude über die Auferstehung, an die sie fest glaubten. Und nicht nur sie: Es gibt die christliche Tradition, dass Verstorbene weiß gekleidet in den Sarg gelegt werden, denn sie sollen ja auferstehen. Die katholische Theologin und Trauerbegleiterin Marianne Bevier berichtet, dass sie sich noch an Beerdigungen Ende der 1970er Jahre erinnern kann, bei denen die Verstorbenen weiß trugen – egal ob sie alt verstorben waren oder als junger Student. Sie wurden mit dem sogenannten Totenhemd, früher auch Sterbetalar genannt, bekleidet – ein oft mit Stickereien verziertes knöchellanges Hemd. Heute habe sich das gewandelt, erzählt Bevier: In der Regel ziehe man den Verstorbenen ihre Lieblingskleidung an.

Trauergesellschaft auf dem Friedhof
Bild: ©Fotolia.com/Rawpixel.com

Schwarz gekleidete Menschen verlassen einen Friedhof - sie sind als Trauergesellschaft erkennbar.

Und die Trauergesellschaft, was trägt sie? Fast 200 Jahre galt schwarze Kleidung bei einer Beerdigung als Pflicht. "Auf dem Land wird es noch so sein, aber ansonsten ist es – wie bei allem in unserer Gesellschaft – dem einzelnen überlassen, was man trägt", sagt Bevier, die Vorsitzende des Bundesverbands Trauerbegleitung ist. Schwarz zu tragen sei damals eine Art Ritual gewesen, das dem Individuum half, sich so zu benehmen, wie es der Gesellschaft angemessen erschien. "Heute legen Menschen mehr Wert darauf, nach ihrem Empfinden zu handeln und sich auch entsprechend zu kleiden." Das widerspreche aber dem, was die Tradition vorgegeben hat und deshalb missbilligten es ältere Menschen manchmal, wenn diese vermeintliche Kleiderordnung nicht eingehalten werde.  

Trauerkleidung erfüllt praktischen Zweck

Damit es nicht zu Konflikten am Grab oder beim nachfolgenden Empfang komme, könnten auch die Familien der verstorbenen Person vorsorgen, rät Bevier. So könne man etwa in Todesanzeigen explizit hineinschreiben, was erwünscht sei und was nicht. Dort stehe oft, dass keine Blumenkränze oder Beileidsbekundungen am Grab erwünscht seien. "Manchmal steht da aber auch: Bitte nicht schwarz anziehen, das hätte der Verstorbene nicht gewollt", so Bevier. Oder, dass die Mitglieder des Schützen- oder Karnevalsvereins in ihrer Uniform kommen. Solche Wünsche der Verstorbenen und ihrer Hinterbliebenen gelte es zu respektieren. 

Vieles sei derzeit in der Trauerkultur im Umbruch, berichtet Bevier. Früher habe die gesamte Trauerbegleitung im Rahmen der Kirche stattgefunden. Nun kümmerten sich darum mehr und mehr fortgebildete Trauerbegleiter, die Bestatter, Hospizvereine oder auch freiberufliche Theologen. Andererseits sei vieles noch im Bewusstsein der Menschen: "Wir wissen in Deutschland noch, dass Schwarz Trauerfarbe war – und auf dem Land ist das bis heute so." So erfülle Trauerkleidung auch einen praktischen Aspekt: "Die Kleidung schützt, weil jeder weiß, dass getrauert wird; die Menschen werden anders wahrgenommen." Es sei etwa sinnvoll, wenn eine Trauergesellschaft in einer Gaststätte als solche erkennbar sei.

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Trauernde Angehörige könnten auch über die Beerdigung hinaus noch eine Weile Schwarz oder andere gedeckte Farben wie dunkelblau oder grau tragen. Auch ein Verzicht auf Schmuck oder Make-Up ist möglich. Nach Angaben der Soziologin Heller gilt es in vielen Kulturen als Ausdruck von Trauer, wenn man Bart, Haare und Fingernägel wachsen ließ. So kommt denn auch das Sprichwort "in Sack und Asche gehen" von den Israeliten im Alten Testament, die sich in Zeiten der Trauer Asche auf den Kopf streuten und dunkle, sackähnliche Trauergewänder trugen.

Von Volltrauerkleidung bis Abtrauerkleidung

Früher war vorgeschrieben, wie lange Trauerkleidung getragen werden sollte: So hatten Witwen und Witwer bis zu sechs Wochen nach dem Versterben komplett schwarze Trachten zu tragen, dann gab es die "Halbtrauerkleidung" mit weißen Accessoires bis zum ersten Jahrestag und nachfolgend noch eine Abtrauerkleidung. Als angemessene Trauerzeit beim Tod des Ehepartners galt in Westeuropa ein Jahr. Trauerbegleiterin Bevier erinnert daran, dass man in alten Filmen noch andere Bräuche beobachten könne: "In Griechenland und Südeuropa war man als Witwe ganz schwarz eingehüllt und das bis zum Lebensende."

So etwas gebe es heute nicht mehr. Die Art des Trauerns und die Kleidung würden immer individueller, so Bevier. Aber sie schränkt ein: Das Verhalten hänge immer von der sozialen Kontrolle ab. "Von der Umgebung kann immer der Vorwurf kommen, dass man nicht richtig trauert." Auch wenn Schwarz also längst nicht mehr überall in Deutschland Pflicht bei Beerdigungen Pflicht ist: Dass es verdrängt oder von einer anderen Farbe ersetzt wird, zeichnet sich derzeit nicht ab.

Von Agathe Lukassek