So katholisch sind Kramp-Karrenbauer, Merz und Spahn
Auf ihrem Parteitag in Hamburg wählt die CDU heute eine(n) Nachfolger(in) für die scheidende Parteivorsitzende Angela Merkel. Fest steht schon vor der Wahl: Der oder die nächste Vorsitzende der Christdemokraten wird – anders als die evangelische Pfarrerstochter Merkel – katholisch sein. Denn mit Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer, dem ehemaligen Fraktionsvorsitzenden Friedrich Merz und Bundesgesundheitsminister Jens Spahn gehören die drei prominentesten Bewerber allesamt der katholischen Kirche an. Doch wie katholisch sind AKK, Merz und Spahn? Katholisch.de stellt die drei Bewerber aus katholischer Perspektive vor.
Annegret Kramp-Karrenbauer
Dass der christliche Glaube im Leben von Annegret Kramp-Karrenbauer eine wichtige Rolle spielt, war schon länger bekannt. Im Zuge ihrer Bewerbung um die Nachfolge von Angela Merkel hat die CDU-Generalsekretärin ihr katholisches Profil zuletzt aber erkennbar deutlicher in den Vordergrund gerückt. Dabei hatte sich Kramp-Karrenbauer vor einigen Monaten noch selbst als "säkularisiertes Modell einer Christin" charakterisiert. Ihr Alltag sei nicht so geprägt und durchdrungen von den Traditionen und den Vorgaben des Glaubens, wie das noch bei ihren Eltern der Fall gewesen sei. "Für mich ist Glaube etwas sehr Persönliches. Er richtet sich nach innen", so die 56-jährige Saarländerin im Mai in der "Zeit"-Beilage "Christ & Welt".
Das "C" als Leitbild und Verantwortung
Von dieser Zurückhaltung war seit der Bekanntgabe ihrer Kandidatur um den CDU-Vorsitz jedoch nicht mehr viel zu spüren. "'C' ist Leitbuchstabe für Kandidatin Annegret Kramp-Karrenbauer", "Katholikin Kramp-Karrenbauer: Glaube ist wichtig und hilft mir", "Kramp-Karrenbauer verteidigt Nein zur Ehe für homosexuelle Paare" – so und ähnlich lauteten Schlagzeilen der vergangenen Wochen. Sogar ihr Bet-Verhalten tat Kramp-Karrenbauer zuletzt kund: "Für mich ist das tägliche Gebet wichtig", sagte sie in einem Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).
Dass all dies durchaus ihren Überzeugungen entspricht und sich auch in ihrem politischen Wirken niederschlägt, zeigen ihre Aussagen zum "C" im Parteinamen der CDU. Das "C" sei für sie "Leitbild und Verantwortung zugleich", so Kramp-Karrenbauer jüngst. Das gelte besonders für den Lebensschutz und die seit Monaten laufende Debatte um den Strafrechtsparagrafen 219a: "Ich wende mich klar gegen die Werbung für Abtreibung. Es geht nicht darum, Frauen Informationen vorzuenthalten. Aber ein Schwangerschaftsabbruch ist eben gerade keine Blindarm-OP."
"Hätte mir vorstellen können, selbst Priesterin zu werden"
Auch in anderen gesellschafts- und religionspolitischen Fragen zeigte Kramp-Karrenbauer in der Vergangenheit Kante. So war sie unter anderem gegen die "Ehe für alle" und warb für eine klare Unterscheidung zwischen klassischer Familie und neuen Arten des Zusammenlebens mit Kindern. Als saarländische Ministerpräsidentin wandte sie sich gegen eine Entscheidung des Saarbrücker Amtsgerichts, Kreuze aus den Sitzungssälen entfernen zu lassen. Mit Blick auf die Aufnahme von Flüchtlingen in Deutschland stand sie auf Seiten der Kanzlerin. Zugleich betonte sie immer wieder, dass für das Zusammenleben das Einhalten der gesellschaftlichen Regeln wesentlich sei. Wer nicht als Schutzsuchender anerkannt werde, müsse konsequent abgeschoben werden.
Aufhorchen ließ die Frau mit der markanten Kurzhaarfrisur im Frühjahr, als sie davon sprach, dass sie sich "durchaus eine Frauenquote in der katholischen Kirche vorstellen" könne. Außerdem äußerte sie den Wunsch, dass die Priesterinnenweihe kommt. In diesem Zusammenhang sagte sie: "Ich hätte mir durchaus vorstellen können, selbst Priesterin zu werden. Aber ich weiß, wie unmöglich das gewesen wäre."
Friedrich Merz
Über das Glaubensleben und die religiösen Überzeugungen von Friedrich Merz war nur wenig bekannt, als der 62-jährige Jurist Ende Oktober überraschend seine Kandidatur für den CDU-Vorsitz bekannt gab. Nur so viel: In seiner Jugend engagierte sich der Sauerländer in der Katholischen Jungmännergemeinschaft, außerdem war in seiner Heimatstadt Brilon Messdiener und während des Studiums in Bonn Mitglied in einer katholischen Studentenverbindung. Nach den acht CDU-Regionalkonferenzen ist das Bild über den Katholiken Merz inzwischen jedoch etwas umfangreicher geworden.
Merz: Das "C" steht für das christliche Menschenbild
Wiederholt kam bei den Konferenzen das "C" im Parteinamen zur Sprache; am ausführlichsten wohl bei dem Treffen am 27. November im baden-württembergischen Böblingen. Dort betonte Merz, dass das "C" aus seiner Sicht für das christliche Menschenbild stehe. Konkret bezog er sich dabei auf das Thema Abtreibung und die laufende Debatte um das im Strafrecht verankerte Werbeverbot. "Wir haben viele, viele Jahre um die Frage des Lebensschutzes gerungen und Kompromisse gefunden, die verträglich und erträglich sind", sagte Merz. Eine Werbung für Abtreibung sei nach seinem christlichen Menschenbild ausgeschlossen. Insgesamt, so Merz bei der Debatte weiter, beinhalte das "C" im Parteinamen das Wissen, "dass wir nur die vorletzten Antworten auf dieser Welt geben und nicht die letzten". Wichtig sei ein gemeinsames Wertefundament, das von "unserer christlich-abendländischen Tradition und Kultur geprägt ist, und das uns bindet".
Noch etwas konkreter wird das Bild, wenn man sich Merz‘ Äußerungen als Bundestagsabgeordneter (1994-2009) und sein Abstimmungsverhalten bei gesellschafts- und religionspolitischen Themen in Erinnerung ruft. So stimmte er 1995 gegen den heute geltenden Kompromiss und für strengere Regelungen bei der Abtreibung; 2001 sprach er sich gegen die Präimplantationsdiagnostik aus.
Debatte um "Leitkultur" und Forderungen an Muslime
Im Jahr 2000 brachte Merz den bereits zwei Jahre zuvor von seinem Parteikollegen Jörg Schönbohm erstmals verwendeten Begriff der "deutschen Leitkultur" erneut in die öffentliche Diskussion. In diesem Zusammenhang kritisierte der damalige Unions-Fraktionsvorsitzende traditionelle Bräuche bei Muslimen und forderte, sie müssten "unsere Sitten, Gebräuche und Gewohnheiten akzeptieren." Auf dem Höhepunkt der Debatte sagte Merz der "Bild am Sonntag": "Wir dürfen unsere Augen nicht davor verschließen, dass bei uns zunehmend Parallelgesellschaften entstehen."
Ebenfalls zu Beginn der 2000er Jahre betonte Merz in seinem Buch "Mut zur Zukunft" die Bedeutung der christlichen Grundlagen für die Zukunftsfähigkeit Deutschlands. Wenn die Fragen geistiger Orientierung nicht ernst genommen würden, gelinge dauerhaft politische Gestaltungskraft nicht. Mit Blick auf Forderungen des damaligen Kölner Kardinals Joachim Meisner, die CDU solle auf das "C" im Parteinamen verzichten, äußerte Merz in dem Buch auch seine Leidenschaft für das "C", die auch eine Leidenschaft für die Verwirklichung der Grundwerte Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität bedeute. Zugleich sei das "C" beständige Herausforderung für die politische Alltagsarbeit der Union. Aus dem christlichen Glauben lasse sich aber keine direkte parteipolitische Programmatik ableiten.
Jens Spahn
Jens Spahn werden nach dem Bewerber-Wahlkampf der vergangenen Wochen nur Außenseiterchancen auf den CDU-Bundesvorsitz eingeräumt. Der 38-jährige Gesundheitsminister, der sich schon längere Zeit als scharfer Kritiker von Angela Merkel profiliert, betont immer wieder gerne seine Sozialisation im katholischen Münsterland, wo er unter anderem die Bischöfliche Canisiusschule Ahaus besucht hat und als Messdiener aktiv war. Über seine Herkunft sagte Spahn vor ein paar Monaten in "Christ & Welt": "Wo ich herkomme, da fragt keiner, ob man gerne Katholik ist. Man ist es. Mein Elternhaus ist gerade mal 80 Meter von der Dorfkirche entfernt. In Ottenstein lebt sie noch, die Volkskirche, und ich bin eines ihrer Kinder."
Spahn: Vom Katholizismus kann eine integrierende Kraft ausgehen
Dem Katholizismus schreibt Spahn sogar die Kraft zu, Spaltungen in der Gesellschaft zu überwinden: "Gerade, wenn die Zeiten unübersichtlich werden und die gesellschaftlichen Gruppen sich immer weiter voneinander entfremden, kann vom Katholizismus eine integrierende Kraft ausgehen, die gelassen macht." Glaube, so der vor Selbstbewusstsein strotzende CDU-Politiker, könne die Gesellschaft zusammenhalten.
Widersprüchlich sind jedoch Spahns Aussagen zu der Frage, wie politisch Christen und die Kirche sein dürfen. Zwar sollten sich seiner Ansicht nach Christen durchaus politisch äußern. "Das heißt aber nicht, dass die Kirche sich als Moralinstanz in jede tagespolitische Frage einmischen muss", so der Politiker, der in der Vergangenheit unter anderem kirchliche Stellungnahmen zu Hartz-IV oder zur Flüchtlingspolitik kritisiert hatte. Auch mit Blick auf sein Privatleben liegt Spahn gelegentlich mit der Kirche über Kreuz – schließlich ist er mit einem Mann verheiratet. Mit Blick auf die Weigerung der Kirche, homosexuelle Eheschließungen zu segnen, sagte Spahn im Mai: "In einem der wichtigsten Momente des Lebens erbitten Menschen den Beistand der Kirche. Doch statt diese Menschen mit offenen Armen zu empfangen, verstößt die Kirche sie, behauptet, sie hätten keinen Segen verdient. Damit macht man so viel kaputt."
In ethischen Fragen nicht immer an der Seite der Kirchen
Auch bei ethischen Fragen ist Spahn nicht immer auf der Seite der Kirchen. So fordert er seit Monaten eine Widerspruchsregelung bei der Organspende, die zunächst jeden Bürger zum Spender macht, bis dieser Einspruch eingelegt hat – eine Auffassung, die die katholische Kirche ablehnt. Näher an der Kirche sind seine Positionen bei den Themen Sterbehilfe und Abtreibung. Spahn ist gegen eine Freigabe der Suizidbeihilfe in Deutschland und hat das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte im Sommer angewiesen, tödliche Medikamente an Sterbewillige entgegen einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vorerst nicht herauszugeben. Und in der Diskussion um das Werbeverbot für Abtreibungen sagt er: "Das Werbeverbot im Paragraph 219a muss bleiben."
Auch darüber hinaus ist Spahn für kantige Positionen bekannt. Als die Bundesregierung 2008 eine Rentenerhöhung beschlossen hatte, wertete er das als "Wahlgeschenk an die Rentner" und löste eine Empörungswelle aus. Im März dieses Jahres zog er viel Kritik auf sich, als er erklärte, dass auch ohne Tafeln niemand in Deutschland verhungern müsse. Mit Hartz IV habe "jeder das, was er zum Leben braucht".