Für die Cariitas braucht die Dienstgemeinschaft braucht kein Streikrecht

Gemeinsam sind wir stark

Veröffentlicht am 21.11.2012 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Kommentar

Berlin ‐ Gestern war ein guter Tag für die Kirche und ihre Caritas: der erste Senat des Bundesarbeitsgerichts hat in Erfurt entschieden, dass Streik und Aussperrung in kirchlichen Einrichtungen nicht zulässig sind , wenn der Dritte Weg konsequent eingehalten wird. Erst die ausführliche Urteilsbegründung, die voraussichtlich in einigen Monaten vorliegt, wird die Argumente im Einzelnen deutlich werden lassen. Doch eines kann jetzt schon festgestellt werden: Die Dienstgemeinschaft lebt vom Konsens, nicht von einem Recht auf Streik und Aussperrung.

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Was bedeutet es, wenn wir von Dienstgemeinschaft sprechen? Was ist das zentrale Anliegen des Dritten Weges? Juristisch ist die Antwort (relativ) einfach: Grundlage und Legitimation des Dritten Weges basieren auf dem verfassungsrechtlich garantierten Selbstbestimmungsrecht der Kirchen, festgelegt in Artikel 140 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem Artikel 137 Absatz 3 der Weimarer Reichsverfassung.

Bezug auf eine höhere Dimension

Der Gedanke der Dienstgemeinschaft ist aber größer und umfassender. Die Dienstgemeinschaft lebt von der Vorstellung, dass alle in Kirche und Caritas Tätigen, gleich ob Dienstnehmer oder Dienstgeber, in der Nachfolge Jesu Christi arbeiten. Sie handeln aus Liebe zum Nächsten, aus Solidarität mit den Schwachen und Armen. Der eigene Glaube soll sichtbar werden im alltäglichen Tun, sei es in der Verwaltung eines Krankenhauses; am Bett eines Pflegebedürftigen; in der Leitung einer Kindertagesstätte. Dass ist die Idee des Dritten Weges.

Peter Neher ist der Präsident des Deutschen Caritasverbandes.
Bild: ©dpa/Rolf Haid

Peter Neher ist der Präsident des Deutschen Caritasverbandes.

Natürlich gibt es im beruflichen Alltag unterschiedliche Interessen, Spannungen und Konflikte. Natürlich wünschen sich die Dienstnehmer höhere Löhne und kürzere Arbeitszeiten. Natürlich müssen die Dienstgeber mit knappen Ressourcen kalkulieren. Der Ausgleich dieser unterschiedlichen Interessen wird aber nicht mit den Mitteln des Arbeitskampfes gesucht sondern durch Kommunikation und im Konsens.

Die Kommissionen, in denen Entgelte, Arbeitszeiten, Urlaubsansprüche ausgehandelt werden, sind paritätisch besetzt: jede Seite hat die gleiche Stimmenzahl, jede Seite hat das gleiche Recht, jede Seite ist für die Verhandlungen gut gerüstet durch Freistellungen und Berater. Verhandelt wird auf Augenhöhe, gestritten auch. Die Verhandlungen können zäh und schwierig sein, manchmal aussichtslos scheinen. Wenn nichts mehr geht, bestellt jede Seite einen Schlichter, die Entscheidung dieser Schlichter gilt.

Verhandlungen - so oder so

Wie sehen die Tarifverhandlungen im zweiten Weg aus? Trotz Aussperrung und Streik setzen sich alle Akteure an einen Tisch und - verhandeln. Der Dritte Weg dagegen setzt sofort am (gleichberechtigten) Aushandeln an und sichert durch Verhandeln und die konstruktive Auseinandersetzung den Ausgleich der Interessen zwischen Dienstnehmern und Dienstgebern.

Der Dritte Weg sichert innerhalb der Caritas ein funktionierendes Tarifsystem für über eine halbe Millionen Mitarbeitende und kann auf eine Tarifbindung von über 80 Prozent stolz sein. Die Entscheidung der Bundesarbeitsrichter wird nicht sofort umgesetzt, da der Weg zum Bundesverfassungsgericht noch offen ist. Sie stärkt aber die Forderung der Gewerkschaft nach einem Streikrecht auch in kirchlichen Einrichtungen. Ob damit den Rechten von kirchlichen Mitarbeitenden gedient ist, darf bezweifelt werden.

Von Peter Neher

Zur Person

Prälat Dr. Peter Neher ist katholischer Priester und seit 2003 der Präsident des Deutschen Caritas Verbandes. Der katholische Wohlfahrtsverband ist mit rund einer halben Millionen Mitarbeiter einer der größten privaten Arbeitgeber Deutschlands.