Maria kam nur bis Carmarthenshire

Warum es in Wales eine Stadt namens Bethlehem gibt

Veröffentlicht am 25.12.2018 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Bonn/Bethlehem ‐ Zwischen Llandeilo und Llangadog liegt Bethlehem. Eigentlich ist in dem verschlafenen Nest im Westen von Wales nicht viel los. Doch zu Weihnachten kommen Tausende Besucher in das Dorf - auch wegen der Postkarten.

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"Gyrrwch yn ofalus" steht am Ortsschild. "Bitte fahren Sie vorsichtig!" Wo der Westen von Wales am walisischsten ist, da liegt Bethlehem. Am Rande des Brecon Beacons Nationalpark, unweit von Carmarthen, der ältesten Stadt des Landes. "Weil in der Herberge kein Platz für sie war" - das hätte Maria und Josef auch hier zwischen Llandeilo und Llangadog passieren können. Denn in diesem Bethlehem leben nur rund 150 Menschen.

Damit gehört das Exemplar in der historischen Grafschaft Carmarthenshire zu den kleinsten der rund zwei Dutzend Bethlehems weltweit. Wesentlich kleiner jedenfalls als die wahre Geburtsstadt Jesu in den Palästinensischen Gebieten, die heute gut 30.000 Menschen hat.

Abspalter der Abspalter

Benannt ist der kleine Weiler im Westen von Wales nach seiner Kapelle, die unscheinbar in einer Seitenstraße liegt - und die Jesus vielleicht gefreut, wahrscheinlich aber doch ziemlich irritiert hätte. Denn die Begründer, irgendwann zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert, waren "Nonkonformisten", auch "Dissenters" genannt: Abspalter der Abspalter von der "römisch-katholischen" Kirche, die ja wiederum auch nur ein Teil der "einen Kirche Jesu Christi" ist.

Als sich die englische Kirche 1533/34 von Rom abwandte und eine Staatskirche mit König Heinrich VIII. als Kirchenoberhaupt gründete, ging das bestimmten protestantischen Strömungen nicht weit genug. Sie gründeten selbstständig eigene Gemeinden. Aber wenn auch Jesus selbst ein "Dissenter", ein Abweichler gewesen sein mag: Wie sollte er das verstehen, was da in seinem Namen an Spaltungslinien verläuft?

Bild: ©Fotolia.com/Dave Marzotto

Das Original: Im israelischen Bethlehem ist es weit weniger grün.

Über dem Ort thronen die steinernen Überreste von Garn Goch, einer befestigten Siedlung aus der Eisenzeit. Die allermeiste Zeit des Jahres geht es sehr gemächlich zu in Bethlehem. Doch nicht im Dezember: Dann fallen im Dorf Tausende Besucher aus dem ganzen Land ein; selbst aus den USA und Deutschland, zum alljährlichen, typisch britischen Weihnachtsmarkt. Der Clou seit 1965: Wer hier eine der in Großbritannien so unausweichlichen Weihnachtskarten abschickt, bekommt den unbezwingbaren Ortsstempel: Post aus Bethlehem!

Im Zuge von Wirtschaftskrise und Thatcher-Sparzwang wurde zwar 1985 die örtliche Postfiliale geschlossen. Doch 2002 geschah das Weihnachtswunder: die Neueröffnung in der - ebenfalls geschlossenen - Dorfschule. Mince Jelly, Lemon Curd, Minz-Törtchen: Hausgemachtes ist im Weihnachts-Run nach Bethlehem rasch ausverkauft.

Bizarr: Das walisische Bethlehem liegt 190 Kilometer südlich von Nasareth, ebenfalls in Wales natürlich, Grafschaft Caernarvonshire. Zwischen denselben beiden Orten im Heiligen Land liegen 110 Kilometer, in ziemlich gleicher Nord-Süd-Ausrichtung. Nur schneit es dort seltener. Eine Gemeinsamkeit: Beide Bethlehems liegen im Hirtenland. Die walisischen Schüler dürften für die Geschichte von der Krippe und den Hirten auf dem Felde zumindest ansprechbar sein.

16 Bethlehems alleine in den USA

Eher industriell sieht es in Bethlehem im Osten Pennsylvanias aus. Mit knapp 75.000 Einwohnern ist das Städtchen am Rande der Apalachen das mit Abstand größte von insgesamt 16 Bethlehems allein in den USA. Südafrika hat dagegen nur ein Bethlehem. Es hat gut 16.000 Einwohner, liegt 1.700 Meter hoch am Fuß der Rooiberge, einem Vorgebirge der Drakensberge in der Provinz Freistaat. Die Stadt, 1864 von streng religiösen burischen "Voortrekkern" (Pionieren) gegründet, ist ein Agrarzentrum für Weizen und Schafzucht. Jedes Jahr im Frühsommer finden hier die nationalen Heißluftballon-Meisterschaften statt.

Und auch im Ostallgäu liegt Bethlehem: seit 2001 ein Ortsteil der 1.400-Einwohner-Gemeinde Lengenwang. Hier tragen die Kirchen Zwiebelturm; als Kulisse dienen die Alpengipfel des Aggensteins, Säulings und Tegelbergs. Der Legende nach hieß der Flecken mit seinen heute 25 Einwohnern früher "Bettelheim", und der Sitz im Leben war die damals extreme Armut der Tagelöhner dort. Die Anwohner kommen heute gerne aus "Bethlehem"; einen Zusatz wie "-straße" oder -"weg" lehnen sie ab. "O Little Town of Bethlehem" - am Heiligabend werden Millionen Anglikaner weltweit in ihren Gottesdiensten wieder ihr wunderbares Weihnachtsied singen; im Heiligen Lan, in Wales, Südafrika und den USA.

Von Alexander Brüggemann (KNA)