Anselm Grün: Kirche sollte Theologie der Macht entwickeln
Benediktinermönch und Bestseller-Autor Anselm Grün (73) hat die Art und Weise kritisiert, wie die Kirche Macht ausübt. Auf die Frage der "Zeit" (Donnerstag), ob die Kirche ein Führungsproblem habe, antwortete der Pater: "Sie hat nie eine richtige Theologie der Macht entwickelt; deswegen wird Macht oft unbewusst ausgeübt." Man verschanze sich hinter moralischen Appellen oder hinter dem Kirchenrecht, statt die Sehnsüchte der Menschen nach Ganzheit ernst zu nehmen.
Grün: Chefs sollten ihren Mitarbeitern mehr vertrauen
Generell rät der Coach für Führungskräfte zu mehr Gelassenheit im Beruf. Er empfinde die moderne Wirtschaft als eher angstgetrieben, sagte Grün der Wochenzeitung. "Es gibt immer mehr Vorschriften und immer weniger Vertrauen." Stattdessen solle ein Chef "nicht von oben Dinge vorgeben, sondern Kreativität und Hoffnung wecken", so der Ordensmann. "Zum guten Führen gehört jedenfalls, anderen Freiheit zu lassen und selber den Kopf hinzuhalten und zu kämpfen."
Kritisch sieht Grün eine "Umstrukturierungswut" in vielen Unternehmen. Veränderungen bräuchten Zeit und ein klares Ziel. "Bei manchen Firmen habe ich den Eindruck, sie verwechseln Fortschritt mit Staubaufwirbeln. Sie wollen möglichst viel machen, ohne dass es aus einer inneren Ruhe heraus kommt." Für diese innere Ruhe brauche es die Fähigkeit und Bereitschaft, am Feierabend abzuschalten und zwischendurch Pausen von der Arbeit einzulegen, erläuterte Grün. Das könne "ein Spaziergang, eine Joggingrunde, ein Tee" sein. "Erst im Ausruhen vollendet sich die Arbeit." (luk/KNA)