Vor 175 Jahren wurde die Seherin von Lourdes geboren

Die heilige Bernadette wurde in dieser Welt nie glücklich

Veröffentlicht am 07.01.2019 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Lourdes ‐ Die heilige Bernadette, Seherin von Lourdes, gehört zu den Ikonen der Kirche. Posthum wurde sie zum Star - an dem sich die Geister scheiden: Seherin oder Wichtigtuerin? Freundin der Gottesmutter oder Hysterikerin? Vor 175 Jahren wurde sie geboren.

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Von Charles de Gaulle wird berichtet, kurz nach seiner Wahl zum Staatspräsidenten 1959 hätten Berater ihm nahegelegt, eine Reise nach Lourdes, in den Ort der Marienerscheinungen am Fuß der Pyrenäen, zu machen. Das zieme sich für den neuen Präsidenten. De Gaulle überlegte. "Gut", sagte er schließlich: "D'accord, je vais y faire une apparition." - "Ich werde dort erscheinen."

An Lourdes scheiden sich bis heute die Geister - und Spott fällt den Aufgeklärten leicht. Wären da nicht die vielen Heilungen, seien sie medizinisch unerklärlich oder tiefenpsychologisch erklärlich, und der tiefe Trost, den viele Kranke aus ihrem Besuch ziehen. Wie echt und wie überlagert von anderen Heiligenlegenden ist heute noch die Überlieferung von dem armen Hirtenmädchen Bernadette Soubirous, der "Seherin von Lourdes", die vor 175 Jahren, am 7. Januar 1844, geboren wurde?

Schlüsselerlebnis beim Schafehüten

Ihre Lebensgeschichte ist eine gebrochene, sowohl zuhause wie auch später in ihrem religiösen Orden. Aus verarmtem Elternhaus, kränklich und ob ihrer materiellen und körperlichen Mängel verachtet, wird Bernadette seit ihrer Geburt wiederholt zwischen der eigenen Familie und der lieblosen Adoptivmutter Marie Lagues hin- und hergeschoben. Die Eltern waren alkoholkrank, sie selbst lernschwach und nicht des Französischen, sondern nur des lokalen Dialekts mächtig.

Mit 14 Jahren, in höchster Verzweiflung über ihr Aschenputtel-Dasein ständiger Zurückweisung, erfuhr sie beim Schafehüten das Schlüsselerlebnis ihres kurzen Lebens: Zwischen dem 11. Februar und dem 16. Juli 1858 erscheint ihr nach eigener Schilderung in einer Grotte bei Lourdes 18 Mal eine schöne Dame, die sich am Ende als die "Unbefleckte Empfängnis" zu erkennen gibt.

Die Madonnenfigur in der Lourdesgrotte.
Bild: ©Fotolia.com/wajan

Die Madonnenfigur in der Lourdesgrotte von Massabielle in Südfrankreich.

Bernadette berichtet von der "schönen weißen Dame", zögernd zunächst. Immer mehr Menschen begleiten und beobachten sie während ihrer Visionen, die das Hirtenmädchen zumeist in überraschend würdigen Haltungen umherwandeln lässt. Doch bei der 9. Vision, am 25. Februar, kommt es zu einem sehr eigentümlichen Vorfall, als Bernadette in Verzückung beginnt, Gras auszurupfen und zu essen. Mit einer schallenden Ohrfeige reißt ihre Tante sie aus ihrer Trance.

Das junge, offenbar ohnehin unter unerträglichem Leidensdruck stehende Mädchen landet vor den Tribunalen. Ungebildet, unbeleckt von allen theologischen Disputationen, nun im Kreuzverhör des Bischofs. Wie einst die heilige Johanna aus der lothringischen Provinz, die spätere "Jungfrau von Orleans", steht sie da und kann nicht anders. Eh schon verachtet ob ihrer Armut und Körperschwäche, muss die 14-Jährige jetzt auch noch all diese Vorwürfe und Verhöre über sich ergehen lassen. Die eigene Mutter, die Lehrerin, der Pfarrer, der Bürgermeister, die Journalisten - und nun der Bischof.

Maria offenbart sich als "Unbefleckte Empfängnis"

In ihren Berichten kehren Motive früherer Marienwunder aus der Region wieder: aus Garaison (um 1520) und Betharram (17. Jahrhundert). Bernadette spricht vom Auftrag Marias, eine Kapelle zu errichten und Wallfahrten abzuhalten. Was den Bischof von Tarbes wohl am meisten verblüfft: Zuletzt habe sich die Dame - im Pyrenäen-Dialekt - als die "Immaculada Concepciou" zu erkennen gegeben. Das entsprechende Papst-Dogma von der "Unbefleckten Empfängnis Mariens" war doch erst 1854, vier Jahre zuvor, verkündet worden. Wie konnte diese unwissende Hilfsschülerin davon etwas wissen?

Unterdessen fallen schon Pilger und Journalisten in das Provinzidyll ein; es gibt erste Berichte über unerklärliche Heilungen. Zuhause wird Bernadette da noch von ihrer Mutter der Lüge bezichtigt für ihren "Faschingsrummel".

Die beleuchtete Kathedrale hebt sich von dem tiefblauen Abendhimmel ab.
Bild: ©KNA

Das Zentrum des Heiligen Bezirks: Die Rosenkranz-Basilika und die Basilika der unbefleckten Empfängnis, an der berühmten Grotte, in der die heilige Bernadette einst die Jungfrau Maria erblickt hat.

Doch der "Fall Soubirous" verselbstständigt sich: 1862 werden die Erscheinungen vom Ortsbischof, 1891 von Papst Leo XIII. kirchlich anerkannt. 1925 wird Bernadette selig-, 1933 heiliggesprochen. Ihr irdisches Leben endet unspektakulär und leidvoll wie schon der Beginn: Selbst immer wieder schwer krank, tritt sie, 22-jährig, in den Krankenpflegeorden der "Dames de Nevers" ein. Dort, 500 Kilometer von Lourdes entfernt, stirbt sie 1879 mit nur 35 Jahren; laut der Überlieferung von den Mitschwestern um ihre Erscheinungen eher beneidet als bewundert.

Bei der Exhumierung aus Anlass der Seligsprechung 1925 wurden Bernadettes Reliquien intakt aufgefunden. Der Glasschrein zieht bis heute viele Pilger und Touristen an. Der Orden könne sein großes Klosterareal nur noch wegen der Reliquien aufrechterhalten, heißt es. Vergeblich versuchte 2015 eine Vereinigung "Zur Rückkehr von Bernadette Soubirous nach Lourdes", die größte Tochter der Stadt aus Nevers zurück ans Ufer der Gave zu holen.

Die letzte Auslandreise Johannes Pauls II. ging nach Lourdes

Auch so zieht Lourdes Jahr für Jahr Millionen Pilger an, darunter zahllose Kranke und Behinderte. Die Umsätze sind sehr gut. Doch seit 1858 wurden auch mehr als 30.000 Heilungen gemeldet. 2.000 gelten als "medizinisch unerklärlich"; 70 hat die Kirche offiziell als Wunder anerkannt.

Auch die Päpste stehen im 21. Jahrhundert weiter fest zu Lourdes. Mit letzter Kraft machte Johannes Paul II. 2004 die letzte seiner 104 Auslandsreisen hierher. Und Benedikt XVI. kam 2008, zum 150. Jubiläum der Erscheinungen der heiligen Bernadette.

Von Alexander Brüggemann (KNA)