Veränderungen in Beratungsgremien des Papstes

Diese personellen Weichen muss Franziskus 2019 stellen

Veröffentlicht am 15.01.2019 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Vatikanstadt ‐ Im Vatikan hat ein spannendes Jahr mit vielen Projekten begonnen. Für diese Aufgaben braucht Papst Franziskus das geeignete Leitungspersonal. Welche Veränderungen zeichnen sich – im Kontext der Kurienreform - für seine wichtigsten Beratergremien ab: für die Kurie, den K9-Rat und das Kardinalskollegium?

  • Teilen:

Das fortschreitende Alter von Papst Franziskus  steht im Gegensatz zum gesteigerten Aktionstempo, mit dem er sein sechstes Pontifikatsjahr angeht: Reisen unter anderem nach Panama und Abu Dhabi, im Februar das Gipfeltreffen über die Missbrauchsskandale im Vatikan, im Oktober dann die Amazonas-Synode. Und als Dauerthema schwebt über allem weiterhin die Kurienreform.

Komplizierte Sachfragen, überraschende Personalwechsel

Diese Reform, die demnächst zu einem Abschluss kommen dürfte, belastet wie eine Dauerbaustelle die Arbeit im Vatikan, lähmt sogar manche Abläufe. Da wurden Behörden zusammengelegt, Strukturen und Zuständigkeiten verändert, Arbeitsprozesse verschlankt. Etliche Behörden müssen sich neu aufstellen, die Mitarbeiter zu einer neuen Zusammenarbeit kommen. Das gilt besonders für den Medienbereich, aber auch für den Wirtschaftssektor. Zu komplizierten Sachfragen kommen überraschende Personalwechsel hinzu. Die unklare Zukunft sorgt für Verunsicherung, auch wenn der Umbau trotz aller Sparzwänge personalverträglich sein soll.

Player wird geladen ...
Video: © katholisch.de

Was ist ein Papst? Ein Beitrag der Serie "Katholisch für Anfänger".

Mit der (laufenden) Kurienreform hängt auch ein Rückstau bei der Besetzung von vatikanischen Leitungsämtern zusammen. Etwa die Hälfte der knapp 20 leitenden Vatikan-Kardinäle hat die Pensionsgrenze von 75 Jahren überschritten, auch wenn für diese Ebene eine kleine Verlängerung üblich ist. Aber möglicherweise werden noch weitere Behörden zusammengelegt, womit sich manche Nachbesetzung erübrigt, aber auch Kandidaten für andere Aufgaben frei würden.

Über die offizielle Altersgrenze hinaus dürfte sicher der Präfekt der Glaubensbehörde, Luis Francisco Ladaria Ferrer, im Amt bleiben, der im April 75 wird. Er war erst vor eineinhalb Jahren als Nachfolger für den überraschend nicht wiederberufenen Gerhard Ludwig Müller ins Amt gekommen. Ihm wird ein besonders guter Kontakt zu Papst Franziskus nachgesagt. Ob der Kontakt zu Leonardo Sandri, Präfekt der Ostkirchenkongregation, Spitzendiplomat und Landsmann des Papstes, ebenso gut ist, sind Außenstehende unsicher. Aber auch er dürfte noch eine Zeitlang die Behörde leiten. Dagegen gilt für den 77jährigen Kardinal Beniamino Stella von der Kleruskongregation eine Abberufung in absehbarer Zeit als möglich.

Pell in Australien vor Gericht

Das trifft auch für Präfekten des Wirtschaftssekretariats zu, den Australier George Pell. Der Papst hat den 77jährigen, der in Melbourne wegen angeblicher Verstrickung in Missbrauchsfälle vor Gericht steht, soeben aus dem K9-Rat (Kardinalsrat für die Kurienreform) entlassen, nicht aber aus der Wirtschaftsbehörde. Seit seiner Beurlaubung vor eineinhalb Jahren ist dieses Amt damit praktisch ohne Leitung; de facto nimmt der Sekretär, Bischof Luigi Misto, die Geschäfte wahr.

Über kurz oder lang wird auch der Generalsekretär der Bischofssynode Lorenzo Baldisseri (78) einen Nachfolger erhalten, mit dem zusammen Franziskus die Synode neu aufgestellt hat. Dagegen soll Giuseppe Bertello (76), Chef des Vatikanstaates und Mitglied im K9-Rat, die für den 1. April verfügte Neuorganisation des Governatorats zunächst noch einleiten, hört man. 

Der K9-Rat ist unterdessen zu einem K6 geschrumpft. Ähnlich wie gegen Pell wurden auch gegen den Chilenen Federico Errazuriz Vertuschungsvorwürfe laut. Der Kongolese Laurent Monsengwo Pansinya schied aus Altersgründen aus. Auf Nachberufungen für sein wichtigstes Beratungsorgan hat der Papst verzichtet; das Projekt Kurienreform sei bereits zu weit fortgeschritten, hieß es zur Begründung.

Bild: ©KNA

Birette neuer Kardinäle bei einem Konsistorium im Petersdom.

Unklar ist unterdessen, wann Franziskus sein offizielles Beratungsorgan, das Kardinalskollegium, wieder erweitert. Wenig spricht für ein Konsistorium bereits zum nächsten möglichen Termin, dem Fest der Kathedra Petri (22. Februar). Denn derzeit könnten von den insgesamt 224 Purpurträgern noch die 124 Unter-80-Jährigen in ein Konklave einziehen – und dafür gilt eine Sollzahl von 120. Mehr spricht dagegen für das Christkönigsfest Ende November. Bis dahin überschreiten zehn Kardinäle diese Altersgrenze. Darunter sind so renommierte Persönlichkeiten wie der ehemalige Papstsekretär Stanislaw Dziwisz aus Krakau und sein Landsmann Zenon Grocholewski, der mit 19 Dienstjahren als Kurienleiter (Bildungskongregation) einen Rekord aufgestellt hatte.

Hatten Spekulationen über mögliche neue Kardinäle unter früheren Päpsten eine hohe Treffsicherheit, so sind Vorhersagen unter Franziskus praktisch Makulatur. Die Zeiten sind vorbei, wo bestimmte große Bischofssitze automatisch durch den Kardinalspurpur gewürdigt wurden. Zudem hat der Papst bei seinen bisherigen fünf Konsistorien besonders Ortskirchen an der Peripherie bedacht, zu Lasten „großer“ Länder: So zogen zuletzt Kirchenmänner aus Laos, Schweden, Tonga, Mauritius oder Myanmar in den Kirchensenat ein und verbreiterten damit dessen Internationalität. Anstelle von "gesetzten" Kandidaten kamen manche "Außenseiter" zum Zuge. Gerade in Italien erhielten pastoral-ausgewiesene Bischöfe kleinerer Diözesen die Kardinalswürde, etwa von Perugia, Ancona, aus der Erdbebenstadt L‘Aquila oder dem Flüchtlingsspot Agrigent. Dagegen werden Mailand, Venedig, Turin nicht von einem Kardinal geleitet.

Bleibt Berlin Kardinalssitz?

Man kann davon ausgehen, dass Franziskus bei einer künftigen Ergänzung des Kardinalskollegiums auch auf eine internationale Ausgewogenheit achtet. Zu Jahresende werden – ungeachtet möglicher Todesfälle - dem Kreis der Papstwähler aus Europa fünf Spanier und je drei Franzosen, Polen und Deutsche angehören – und 22 Italiener. Allerdings ist darunter nur ein polnischer Diözesanbischof, neben je drei französischen und spanischen, zwei deutschen - und sieben Italienern. Manches spricht deshalb dafür, dass Franziskus einen Polen nominieren könnte, vielleicht den Oberhirten von Gnesen und Primas des Landes, oder einen der anderen Traditionsstädte Krakau, Breslau oder Lublin. Ob in Deutschland neben Köln und München auch noch Berlin Kardinalssitz bleibt, scheint offen.

Dann spricht manches für einen neuen Kardinal in Irland, wenn Sean Brady im August 80 wird. Denkbar wären Eamon Martin vom Primas-Sitz Armagh, oder Diarmuid Martin, Erzbischof von Dublin und langjähriger Vatikandiplomat. Auch das Baltikum könnte künftig wieder einen Kardinal begrüßen, möglicherweise einen der Hauptstadt-Bischöfe aus Litauen oder Lettland. Denkbar wäre auch ein wahlberechtiger Kardinal für die Slowakei und/oder Slowenien. Ob dagegen die Ukraine nach Marian Jaworski (einem persönlichen Freund von Johannes Paul II.) wieder einen Kardinal erhält, scheint angesichts der ökumenischen Situation sowie der internen Probleme zwischen Lateinern und Unierten eher unwahrscheinlich.

Eine große Frage ist, ob Franziskus die Zahl der US-Amerikaner im Kirchensenat erhöhen wird; im Moment sind zehn wahlberechtigt, im April wird Edwin O‘Brien 80. Als einzige US-amerikanische Diözesanbischöfe nahm Franziskus bisher Blase Cupich (Chicago) und Joseph William Tobin (Newark) in das Kollegium auf (2016), zwei Bischöfe, die ganz auf seiner Linie stehen. Dagegen gingen die Oberhirten von Philadelphia – wo der konservative Charles Chaput seit 2011 residiert – aber auch die von Baltimore (William Lori) oder Los Angeles (Jose Gomez, Mitglied im Opus Dei), bislang leer aus.

Die Flagge der Vereinigten Staaten von Amerika.
Bild: ©Friedberg/Fotolia.com

Wird Papst Franziskus in diesem Jahr Bischöfe aus den USA zu Kardinälen machen?

Chancen werden unterdessen einem Kubaner zugerechnet, nicht zuletzt aus kirchenpolitischen Gründen; der noch von Johannes Paul II. ernannte frühere Kardinal von Havanna ist 82. Aus Südamerika könnten derzeit Bolivien, Ecuador sowie Paraguay keinen Bischof in ein Konklave entsenden. Und gemessen an seiner Katholikenzahl (200 Millionen) ist Brasilien mit vier Papstwählern unterrepräsentiert. Vielleicht ziehen der Oberhirte von San Salvador di Bahia oder der vom Wallfahrtszentrum Aparecida in das Kollegium ein. Der Papst hat die Qual der Wahl.

In Afrika dürfte die Demokratische Republik Kongo, mit 40 Millionen Mitgliedern das katholikenreichste Land des Kontinents, nach dem Ausscheiden von Kardinal Laurent Mosengwo Pasinya mit einem neuen Kardinal rechnen. Vielleicht aber auch Angola oder Kamerun, Mosambik oder Uganda.

In Asien gilt das für China und die Philippinen, in beiden Fällen auch aus politischen Überlegungen. Zwar gehören dem Kardinalskollegium bereits zwei Chinesen an. Aber die beiden emeritierten Erzbischöfe von Hongkong, Joseph Zen Ze-kiun (86) und John Tong Hon, zählen dann nicht mehr zu den Wahlmännern. Und von den Philippinen (80 Millionen Katholiken) könnte nur Kardinal Luis Antonio Tagle aus Manila in ein Konklave einziehen.

124 potentielle Papstwähler

Derzeit zählt das Kardinalskollegium 224 Mitglieder, von denen  75 von Johannes Paul II., ebenfalls 75 von Benedikt XVI. und 74  von Franziskus kreiert wurden. Im Kreis der derzeit 124 potentiellen Papstwähler zählen die vom jetzigen Papst ernannten Würdenträger 59. Ab dem nächsten Konsistorium werden sie aber die Mehrheit bilden. Und Franziskus wird sicher an seiner Linie festhalten, dass er weniger auf traditionelle Ansprüche und Erwartungen setzt als vielmehr auf Oberhirten mit pastoralem und missionarischem Profil.

Von Johannes Schidelko