Weihnachten im Januar
Bis zum ausgehenden 16. Jahrhundert orientierte sich das Leben in der christlichen Welt am Julianischen Kalender, der noch auf Julius Cäsar zurückging. Eine von dem römischen Herrscher eingesetzte Kommission hatte 45 vor Christus das Jahr auf 365,25 Tage festgelegt - wobei es immer drei Jahre mit 365 und ein Schaltjahr mit 366 Tagen gab. Die Monate wurden in solche zu 30 und 31 Tagen gegliedert und die siebentägige Woche eingeführt.
Was uns heute so gewöhnlich und alltäglich erscheint, war für die damalige Zeit ein revolutionärer Fortschritt - ging doch das Jahr bis dahin nach dem Mond. Das führte regelmäßig zu Verwirrungen, da ein Mondjahr nur 355 Tage hat. So musste man sich alle paar Jahre mit zusätzlichen Zwischenmonaten behelfen. Für einen modernen römischen Staat eine unmögliche Situation; Cäsar musste handeln. Auch von der jungen Kirche wurde der neue Kalender gern angenommen, da so alle christlichen Gemeinden gleiche Festzeiten hatten.
Gut, aber nicht gut genug
Cäsars Kalender war gut, aber nicht gut genug. Denn ein Sonnenjahr dauert nicht genau 365,25 Tage, sondern ist um etwa elf Minuten kürzer. Die sogenannte Tag-und-Nacht-Gleiche im Frühjahr - jenes Datum, wo Tag und Nacht genau gleich lang sind - fiel im 4. Jahrhundert auf den 21. März, der von der Kirche als Frühlingsanfang definiert wurde. Da im Julianischen Kalender jedes Jahr um 11 Minuten länger dauerte als das astronomische Sonnenjahr, verschob sich die Tag-und-Nacht-Gleiche alle 128 Jahre um einen Tag nach hinten. Im 16. Jahrhundert trat sie bereits am 11. März ein. Eine neue Reform tat Not.
1582 führte Papst Gregor XIII. den nach ihm benannten Gregorianischen Kalender ein. Um die Jahreszeiten wieder mit dem Kalender in Übereinstimmung zu bringen, wurden kurzerhand zehn Tage Weltgeschichte ausgelassen: Auf Donnerstag, den 4. Oktober 1582, folgte Freitag, der 15. Oktober. Die Reform wurde zuerst nur in katholischen Ländern angenommen. Die protestantischen und orthodoxen sowie nichtchristliche Länder zögerten lange: Man wollte sich vom Papst keinen neuen Kalender aufzwingen lassen.
Doch allmählich konnte sich der Gregorianische Kalender in den meisten Staaten durchsetzen. Großbritannien übernahm ihn 1752, Ägypten 1875, China 1912 und Russland 1918. Nur die orthodoxen Kirchen weigerten sich geschlossen. Erst 1923 kam es zu einer teilweisen Wende. Im Mai 1923 fand in Konstantinopel ein großer orthodoxer Kongress statt, an dem aber nicht alle Kirchen teilnahmen. Auf der Tagesordnung stand auch das Kalenderproblem. Zwar konnte man sich zu keiner einstimmigen Entscheidung durchringen, doch übernahmen in der Folge eine Reihe von Kirchen den Gregorianischen Kalender.
200 Millionen Christen feiern später
So feiern heute die orthodoxen Kirchen von Konstantinopel, Alexandrien, Antiochien, Rumänien, Bulgarien, Zypern, Griechenland, Albanien und Finnland das Weihnachtsfest am 25. Dezember. Die Kirchen von Jerusalem, Russland, Serbien, Mazedonien, Polen, Tschechien und der Slowakei, Georgien und der Ukraine sowie die Athosklöster in Griechenland blieben beim Julianischen Kalender, der inzwischen bereits 13 Tage Unterschied zum Gregorianischen aufweist. Außer den orthodoxen ist das Geburtsfest Jesu auch für die altorientalischen Kirchen - Armenier, Kopten, Äthiopier und Eritreer - erst am 7. Januar. In absoluten Zahlen feiern somit etwa 200 Millionen Christen später Weihnachten.
Während der Termin des Weihnachtsfestes die orthodoxen Kirchen trennt, herrscht über den Termin des Osterfestes bei ihnen weitgehend Einigkeit: Alle Kirchen - mit Ausnahme der finnisch-orthodoxen - halten sich an den Julianischen Kalender. Natürlich weiß man auch in der Orthodoxie um dessen Ungenauigkeit; aus theologischen Gründen bleibt man dennoch dabei.
Genauigkeit allein wäre freilich auch kein hinreichendes Argument für den Gregorianischen Kalender - denn inzwischen weiß man, dass auch dieser ungenau ist. Neuen Berechnungen zufolge ist das Sonnenjahr 365 Tage, 5 Stunden, 48 Minuten und 46 Sekunden lang, das Gregorianische dagegen um 26 Sekunden kürzer. Diese Differenz wird sich bis zum Jahr 3300 auf einen Tag summiert haben. Die Besorgnis darüber hält sich weltweit aber bislang in Grenzen.
Von Georg Pulling